Die Athener Regierung überschlägt sich seit Tagen mit immer neuen euphorischen Ankündigungen zu dem großen Ereignis. Die Visite bedeute „eine Aufwertung der griechisch-französischen Beziehungen in vielen Bereichen“, hieß es am Mittwochabend. Geplant sei die feierliche Unterzeichnung „Hellenisch-Französischen Deklaration“ durch Hollande und Tsipras, mit der die neue „Strategische Partnerschaft“ beider Länder besiegelt werden soll. Themen der Übereinkunft, an der am Mittwochabend offenbar noch gearbeitet wurde: Technologietransfer, Zusammenarbeit in Fragen der öffentlichen Verwaltung und des Steuerwesens, eine Intensivierung des bilateralen Handels und eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Kultur.
Strenge Sicherheitsvorkehrungen für den französischen Präsidenten wird es geben; aber Proteste, vor denen man Hollande schützen müsste, sind nicht zu erwarten. Früher waren die Deutschen die beliebteste Nation in Griechenland – bis zur Schuldenkrise und dem, was viele Hellenen als „deutsches Spardiktat“ empfinden. Inzwischen stehen die Franzosen, laut Umfragen, in der Beliebtheits-Rangliste der Griechen weit vor den Deutschen. Von den Deutschen fühlen sich die Griechen herabgesetzt und bevormundet, von den Franzosen glauben sie sich verstanden, ja geliebt.
Auch deshalb ist dies nicht irgendein Staatsbesuch. Mit entsprechend großer Entourage fliegt Hollande nach Hellas. Er bringt neben mehreren Ministern auch zahlreiche französische Wirtschaftsführer mit. Am Freitag wird Hollande vor dem griechischen Parlament sprechen – eine hohe Ehre, die nur wenigen Staatsgästen zuteilwird. Außerdem bekommt er die Ehrendoktorwürde der Fakultät für politische Wissenschaften der Universität verliehen.
In Athen ist bereits von einer neuen „hellenisch-französischen Achse“ die Rede. Das erinnert an die 1970er Jahre. Damals war Frankreich, neben Deutschland, Griechenlands wichtigster Freund in Europa. Der griechische Staatsmann Konstantin Karamanlis verbrachte die Jahre der Obristendiktatur im französischen Exil. An Bord eines vom damaligen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing zur Verfügung gestellten Regierungsjets kehrte Karamanlis nach dem Sturz der Junta am 24. Juli 1974 triumphal nach Athen zurück und bildete eine Zivilregierung. Später waren es Giscard und Helmut Schmidt, die Griechenlands Aufnahme in die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft durchsetzten – gegen erhebliche Bedenken der Brüsseler Kommission.
Eine Affinität zu Frankreich konnte man Tsipras, der als einzige Fremdsprache ein schwer verständliches Englisch spricht, früher nicht nachsagen. Anfangs plante Tsipras, gemeinsam mit den Krisenländern Italien, Spanien und Portugal eine „Allianz des Südens“ gegen Deutschland zu schmieden. Doch diese Strategie scheiterte, weil die Regierungen in Rom, Madrid und Lissabon dem radikalen Griechen die kalte Schulter zeigten. Inzwischen haben diese drei Länder die Krise hinter sich gelassen, während Griechenland immer tiefer in den Schlamassel rutscht. Tsipras musste feststellen: Er hat fast keine Freunde in der EU.
Drei Politiker sind es nun, deren Nähe Tsipras in der EU immer wieder sucht: Angela Merkel, Jean-Claude Juncker – und Francois Hollande. Zur deutschen Kanzlerin hält Tsipras engen Kontakt, weil er gemerkt hat: Gegen sie läuft nichts in Europa. Juncker galt anfangs als engster Freund des Griechen. Das Verhältnis kühlte sich vonseiten Junckers merklich ab, als Tsipras im Frühjahr mit seiner Verzögerungstaktik im Reformstreit seinen letzten Kredit bei den EU-Partnern aufs Spiel setzte. Die damals bei Juncker entstandene Enttäuschung über Tsipras sei bis heute nicht ausgeräumt, sagen Insider.
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