SPD-Chef Gabriel auf Sommertour: Trotzig gegen den Sturm

  02 Auqust 2016    Gelesen: 433
SPD-Chef Gabriel auf Sommertour: Trotzig gegen den Sturm
Auf seiner Sommertour gibt sich Vizekanzler Gabriel bestens gelaunt. Dabei hat er mit der Tengelmann-Ministererlaubnis ein weiteres Problem. Doch der SPD-Chef sieht sich zu Unrecht kritisiert - wieder mal.
Es gibt zwei Sigmar Gabriels. Den grimmigen und den entspannten. An diesem Montag wird um kurz vor Mittag klar, dass man auf Gabriels Sommertour erst einmal die angenehmere Version des SPD-Chefs erleben wird.

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister ist dunkel gebräunt, als er im Rostocker Hafen aus dem Auto steigt, Gabriel hat sich im Urlaub offenbar wirklich erholt. Jetzt steht der Sozialdemokrat vor einer Traube von Journalisten, gleich wird er mit ihnen und Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering zur Hafenrundfahrt starten, aber vorher muss Gabriel noch ein paar Fragen beantworten. Zur Türkei, zur Flüchtlingspolitik, zu Kaiser`s Tengelmann.

Gabriel soll auch noch sagen, was er zum wiederaufgeflammten Streit in der Union hält und ob er an eine gemeinsame Kanzlerkandidatur von CDU und CSU glaubt. Das sei ja nun wirklich Sache der Union, meint Gabriel. "Wird denn die SPD einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten aufstellen?", will nun ein Journalist wissen.

Der miesepetrige Gabriel würde schnaufen und sich über die Frage beschweren. Aber jetzt lacht der Parteichef. "Ich hoffe schon", sagt er.

Gut drauf - trotz Fouls

Die Frage ist nicht aus der Luft gegriffen - umso erstaunlicher ist die belustigte Antwort Gabriels: Erst kürzlich hat ein SPD-Landesvater seiner Partei indirekt empfohlen, auf einen eigenen Kanzlerkandidaten gegen Angela Merkel zu verzichten. Das war ein übles Foul gegen Gabriel, weil er nach Lage der Dinge dieser Kandidat sein wird. Und weil es ja der Vorsitzende Gabriel ist, unter dem die SPD in den Umfragen nicht vom Fleck kommt.

Es ist also alles andere als eine angenehme Situation, in der Gabriel nun nach dem Urlaub auf Amrum und Sylt wieder in den politischen Betrieb einsteigt. Aber jetzt erst einmal rauf aufs Schiff und los. Die Fahrt geht Richtung Warnemünde, der Geschäftsführer des Rostocker Hafens erzählt, dass hier in der Nazizeit der erste Düsenjäger sowie der erste Schleudersitz erfunden wurden. Da sagt Gabriel: "Und als der erfunden war, ist er verbunden worden mit dem SPD-Vorsitz." Großes Hoho an Bord.

Und so geht es weiter. Irgendwann darf Sellering das Ruder übernehmen, aber es ist ganz schön viel Betrieb in der Hafenrinne. Gabriel ruft mit Blick auf eines der Bötchen in Reichweite: "Mach` ihn nicht platt - das ist vielleicht ein SPD-Wähler!"

Die Zeiten sind ernst, insbesondere für den Wirtschaftsminister und SPD-Chef, aber er scheint dem ein trotziges "Volle Kraft voraus" entgegenzusetzen. Auch in der Kaiser`s-Tengelmann-Sache. Wegen seiner Ministererlaubnis für die Fusion mit der Supermarktkette Edeka steht Gabriel schwer in der Kritik, das zuständige Oberlandesgericht wirft ihm Verfahrensfehler vor und hat seine Erlaubnis zunächst für rechtswidrig erklärt. Die ebenfalls interessierte Rewe-Kette fühlt sich übergangen.

Gabriel aber fühlt sich mal wieder ungerecht behandelt: Aus seiner Sicht ist ein Großteil der 16.000 Jobs bei Kaiser`s Tengelmann nur durch die Fusion mit Edeka zu retten. "Es geht um Verkäuferinnen, Packer, Gabelstaplerfahrer." Für die will er als Sozialdemokrat kämpfen. Formal hat sich Gabriel nichts vorzuwerfen. "Natürlich kann man auch sagen: Ich bin da lieber ganz vorsichtig als Politiker - aber das muss jeder für sich entscheiden."

Er hat sich also für den Kampf entschieden. Mal wieder.

Genauso will er sich in die Landtagswahlkämpfe in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September und zwei Wochen später in Berlin werfen, das macht er am Abend in Schwerin in einer Runde mit Ministerpräsident Sellering und der hier lebenden Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig deutlich. Die SPD hat in beiden Ländern Probleme, nicht zuletzt wegen der in der Flüchtlingskrise immer populärer werdenden AfD.

Die Beliebtheitswerte bleiben mau

Vor ziemlich genau einem Jahr besuchte Gabriel die Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau, wo Anwohner zuvor Polizisten und Flüchtlinge angegriffen hatten. "Pack" nannte er damals die Gewalttäter und Hetzer. Aber schon in Heidenau sprach der SPD-Chef auch davon, dass man angesichts der Bemühungen in der Flüchtlingspolitik nicht diejenigen in Deutschland vergessen sollte, die ebenfalls Hilfe nötig hätten. Doppelte Integration: die der Flüchtlinge und die der sozial Schwachen. Später hat Gabriel dann vom Solidarprojekt gesprochen.

Mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen zwölf Monate war das wohl keine schlechte Idee - aber es hat ihm auch nicht viel genützt. Obwohl die SPD einige zusätzliche Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau und Kitas in den Haushalt verhandeln konnte. Inzwischen haben die Anschläge von Würzburg und Ansbach die Stimmung weiter verschlechtert.

Gabriel hat selten etwas genützt. Auch nicht, wenn seine SPD in der Großen Koalition populäre Dinge wie den Mindestlohn oder Rentenerhöhungen durchsetzte. Seine Beliebtheit blieb so mau wie die Umfragewerte seiner Partei.

Dabei kann er ein echter Menschenfänger sein: Wie beim Werksbesuch von Nordex, einem Hersteller von Windrad-Rotorenblättern in Rostock. Würde man anschließend die Arbeiter, mit denen der SPD-Chef auf seinem Rundgang geplauscht hat, nach ihrer Meinung zu Gabriel fragen, er wäre wohl mindestens so beliebt wie Merkel. Und am Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren an der Rostocker Universität, wo man an schadstoffarmen Schiffsmotoren tüftelt, zeigt Gabriel anschließend so viel Interesse und Sachverstand, dass er der Physikerin Merkel abermals ebenbürtig erscheint.

Aber Gabriel kann eben auch furchtbar ungeduldig mit sich und seiner Umgebung sein, Positionen schneller wechseln, als es seine Partei und die Öffentlichkeit nachzuvollziehen vermögen - und sich dabei mitunter kolossal verzetteln.

Kann so einer Kanzlerkandidat werden? Gabriel hat sich offenbar entschieden. Aber ob er es wird, dürfte sich in den kommenden Wochen entscheiden: Erst mal wird in Schwerin und Berlin gewählt - und dann will Gabriel am 19. September seine widerwilligen Genossen auf einem Parteikonvent davon überzeugen, dem europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta zuzustimmen.

Sollte ihm das auch noch gelingen, wäre Gabriel die Kanzlerkandidatur wohl sicher. Aber dann geht der Kampf ja erst richtig los.


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