Warum Nordafrikaner oft einfach bleiben können

  10 Auqust 2016    Gelesen: 515
Warum Nordafrikaner oft einfach bleiben können
Obwohl Migranten aus den Maghrebstaaten fast nie Asyl gewährt wird, wurden im ersten Halbjahr nur 166 aus Deutschland abgeschoben. Aus der Union wird die Forderung nach einem "Abschiebegipfel" laut.
Nur langsam nähert sich die Bundesregierung ihrem Ziel, mehr abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückzuführen: Im ersten Halbjahr 2016 wurden 13.743 Migranten – darunter laut Bundespolizei auch 513 EU-Bürger – aus Deutschland abgeschoben. Im gesamten Vorjahr waren es 20.888 und 2014 noch 10.884 gewesen. Allerdings stiegen im gesamten Zeitraum die Zahlen der Schutzsuchenden und der abgelehnten Asylanträge weit stärker an.

Wie aus einer der "Welt" vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht, über die zuerst die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet hatte, entfielen von allen Abschiebungen 75 Prozent (10.301) alleine auf die sechs Staaten des Westbalkans, die nach langem Ringen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt worden waren. Entscheidend für eine solche Kategorisierung sind sehr geringe Anerkennungsquoten der Asylanträge.

Bei einer anderen Gruppe von meist ohne Grund Schutzsuchenden gelingen Abschiebungen nach wie vor nur selten. Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, wurden in den ersten sechs Monaten nur 166 Bürger der Maghrebstaaten Marokko, Tunesien und Algerien in ihre Heimat zurückgebracht, davon 57 im ersten Quartal.

Obwohl weniger als zwei Prozent der Asylanträge von Bürgern dieser Staaten anerkannt werden, werden letztere bisher nicht als sichere Herkunftsländer kategorisiert. Vor allem, weil sich die Grünen im Bundesrat dagegen aussprachen.

"Wir brauchen einen Abschiebegipfel von Bund und Ländern"

Der Großstadtbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Kai Wegner (CDU), sagte: "Die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer darf nicht länger an einer rot-grünen Blockadehaltung im Bundesrat scheitern." Es sei notwendig, weitere Länder mit einer sehr geringen Anerkennungsquote zu sicheren Drittstaaten zu klassifizieren. "Es ist schwer nachvollziehbar, Menschen, die mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit keine Schutzberechtigung erhalten, längeren Aufenthalt in unserem Land zu ermöglichen", sagte Wegner der "Welt".

Auch zeige die geringe Rückführungsquote abgelehnter Asylbewerber, dass die bisherigen Regelungen zur Abschiebung deutlich nachgebessert werden müssten. "Wir brauchen einen Abschiebegipfel von Bund und Ländern, um gemeinsam und konsequent die vollziehbar Ausreisepflichtigen wieder in ihre Länder zurückzuführen. Der Bund steht in der Pflicht, die Länder logistisch zu unterstützen und eine einheitliche Abschiebepraxis zu gewährleisten", sagte Wegner.

Vor allem Ausländer, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten, müssten schnellstmöglich ausgewiesen werden können. "Die Absenkung der rechtlichen Hürden bei Abschiebungen ist eine Maßnahme, die im Interesse eines gemeinsamen Vollzugs mit weiteren Vorschlägen bei einem Abschiebegipfel zentral gebündelt werden sollte", sagte der CDU-Politiker.

SPD-Politiker fordern mehr Unterstützung bei Abschiebungen

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) etwa forderte mehr Unterstützung vom Bund für die Länder bei Abschiebungen und eine Nachbesserung der Rücknahmeabkommen. Alleine in ihrem Bundesland Nordrhein-Westfalen leben ungefähr 2000 ausreisepflichtige Nordafrikaner.

Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) kritisierte mehrmals zu geringe Unterstützung durch den Bund und mangelnde Unterstützung der Maghrebstaaten bei der Rücknahme eigener Bürger. "Wenn das in dem Tempo weitergeht, dann ziehen sich die anstehenden Abschiebungen noch 25 Jahre hin", sagte Jäger im Juni.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte im Februar nach einem Besuch in den nordafrikanischen Staaten verkündet: die Regierungen hätten sich bereit erklärt, ausreisepflichtige Staatsbürger zurückzunehmen.

Große Unterschiede in der Abschiebepraxis bestehen zwischen den Bundesländern. Während das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2625 Migranten zurückbrachte, kam Schlusslicht Bremen nur auf 14 Abschiebungen. Im Nachbarstadtstaat Hamburg waren es 435.

Linkspartei spricht von menschenverachtender Praxis

Wesentlich mehr Ausländer reisen freiwillig aus. 34.005 abgelehnte Asylbewerber verließen laut Ausländerzentralregister im ersten Halbjahr das Land. Davon stammten 84 Prozent (28.535) aus den sechs Westbalkanstaaten. 378 waren Algerier und 341 Marokkaner. Allerdings hielten sich laut Bundesinnenminister de Maizière Ende Mai mehr als "220.000 vollziehbar Ausreisepflichtige auf, davon etwa 52.000 sogar ohne eine Duldung".

Die Gründe für einen Verbleib in Deutschland trotz bestehender Ausreisepflicht reichen von fehlenden Identitätsnachweisen über die Rücknahmeweigerung der Herkunftsstaaten bis zu tatsächlichen oder vorgetäuschten Krankheiten.

Manchmal scheitert eine Abschiebung aber auch an "Widerstandshandlungen" der Migranten. 121 Mal war dies im ersten Halbjahr laut Antwort der Bundesregierung bei Abschiebungsversuchen auf dem Luftweg der Fall. Besonders Eritreer und Iraker leisteten heftigen Widerstand. 67-mal weigerte sich der Pilot oder die Fluggesellschaft, einen Migranten zu transportieren.

Die Linkspartei sprach angesichts der steigenden Rückführungszahlen von einer menschenverachtenden Massenabschiebepraxis. "Die EU und die Bundesregierung schaffen es nicht, die Flüchtlingsaufnahme und Bearbeitung der Asylanträge vernünftig zu koordinieren", kritisierte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. "Wenn es aber um Abschiebungen geht, wachsen sie über sich hinaus."

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