„Verdecktes Embargo“ der USA gegen die Türkei: Wird Russland jetzt zum strategischen Militär-Partner?

  19 Auqust 2016    Gelesen: 1455
„Verdecktes Embargo“ der USA gegen die Türkei: Wird Russland jetzt zum strategischen Militär-Partner?
Die stiefmütterliche Behandlung der Türkei durch den Westen und allen voran den USA könnte zu einer schwerwiegenden Reorientierung Ankaras nach Russland führen, mit geopolitischen Folgen. Sollte Washington daran festhalten, die Sicherheitsbedenken der Türkei zu ignorieren, wird das strategisch wichtige NATO-Mitglied dazu gedrängt, gemeinsame Verteidigungsprojekte mit Moskau anzustoßen.
Türkische Regierungsoffizielle haben damit begonnen, ihre Enttäuschung über die US-amerikanische Weigerungen, das Land im Kampf gegen den Terrorismus mit fortschrittlichen Waffensystemen zu versorgen, öffentlich zu äußern. Der anhaltende Schutz für den flüchtigen Imam Fethullah Gülen, der in Pennsylvania lebt, vonseiten der USA und ein wachsender Anti-Amerikanismus in der türkischen Gesellschaft ebneten den Weg für eine Annäherung der Türkei an Russland. Die türkische Regierung und der Großteil der türkischen Öffentlichkeit sind davon überzeugt, dass die Gülen-Bewegung den vereitelten Staatsstreich am 15. Juli in der Türkei ausführte und dass die USA sie dabei unterstützt hätten. Ankara sucht zudem nach geopolitischen, aber auch rüstungsindustriellen Alternativen zum Westen. Die machte man offenbar nun in Moskau ausfindig.

Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vergangene Woche Sankt Petersburg besuchte, um die türkisch-russische Wiederannäherung nach dem Absturz des russischen Kampfjets im November 2015 zu festigen, betonte er besonders das Interesse der Türkei an gemeinsamen Verteidigungsprojekten mit Russland. Diese Woche kritisierte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die NATO-Alliierten der Türkei, da diese nicht bereit seien, ihre Expertise bei der Herstellung von Raketenverteidigungssystemen zu teilen. Er sagte:

„Unsere Alliierten wollen weder einen Transfer des entscheidenden Know-Hows, noch erlauben sie uns, solche Waffen von anderen Staaten zu importieren. Das ist inakzeptabel.“

Der russische Präsident Wladimir Putin ist sich des türkischen Grolls genau bewusst. Er bringt mehr Verhandlungsmasse an den Tisch als die derzeitige US-Führung. Entsprechend gab Moskau nun grünes Licht für gemeinsame Verteidigungsprojekte mit der Türkei.

Halil Ibrahim Danismaz, der Präsident der in Washington ansässigen Turkish Heritage Organization, gehört zu jenen türkischen US-Amerikanern, die über Washingtons Missachtung von Ankaras Forderungen nach einer besser ausgestatteten Armee besorgt sind.

„Wir stehen vor einer Erblindung, die die amerikanischen Politikreflexe lähmt. Das wurde von den US-Geheimdiensten verursacht. Sie machten einen fatalen Fehler nach dem anderen mit der Türkei, wie in der Vergangenheit mit dem Irak“, sagte er bei einer Sitzung der Foreign Affairs Congressional Staff Association (FACSA) im Washingtoner Capitol Hill. Danismaz glaubt, die Türkei sei für die nationale Sicherheit der USA so bedeutend, dass, wenn Washington die Türkei verliere, die US-Sicherheitsinfrastruktur in der Region zusammenbrechen könnte. Um die Beziehungen zu schützen, sollten die USA die türkischen Anschuldigungen gegen Gülen ernst nehmen.

Der Vorsitzende der Turkish Heritage Organization bemerkte, über der Türkei sei ein „verdecktes Waffenembargo“ verhängt worden, wenn es um Verteidigungssysteme geht. Die USA blockierten den Verkauf von bewaffneten Drohnen und taktischen Waffen an Ankara. US-Präsident Barack Obama legte lange Zeit selbst seine Hand über den Verkauf von bunkerbrechenden Bomben an Ankara. Danismaz bemerkte, die Türkei benutze teilweise noch immer „antike“ Kampfjets vom Typ F-4 Phantom und verfüge über kein Luftabwehrsystem.

„Leider glauben wir US-Amerikaner, dass Türken dumm wären. Die Türkei wird als ein Land mit unseren Militärbasen betrachtet, das vollkommen von uns abhängig ist und nicht nach mehr fragt als nach dem, was wir ihnen zu geben bereit sind“, sagte Danismaz.

Kommerziell betrachtet ist die Türkei zweifellos viel stärker von Russland abhängig. Ankara deckt 55 Prozent seiner Energienachfrage mit Lieferungen aus Russland und baut gemeinsam mit russischen Ingenieuren das landesweit erste Atomkraftwerk. Die russische Wirtschaft gehört zu den größten Handelspartnern der Türkei. Die türkische Wirtschaft lukriert beträchtliche Gewinne aus dem Tourismus mit Russen und dem türkischen Export von Agrarprodukten. Danismaz behauptete, obwohl Russlands Militärtechnologie älter als jene des Westens sei, könne Russland den Bedarf der Türkei ohne Zweifel befriedigen.

Es ist noch zu früh, um sagen zu können, ob die türkisch-russischen Beziehungen wieder strategischen Charakter annehmen. Sie müssen sich nach dem Kampfjet-Zwischenfall weiterhin erholen. Aber die Möglichkeit existiert, dass sich die Türkei mit russischen Waffensystemen eindeckt, wenn sich der Westen weiterhin verschließt.

Danismaz sagte, eine wirtschaftliche Annäherung der Türkei an Russland könnte langfristig eine strategische Allianz zementieren. Erst kürzlich kündigte Ankara an, dass der bilaterale Handel mit Moskau künftig in den nationalen Währungen beider Staaten künftig abgewickelt werden würde.

Quelle:eurasianews

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