Was bleibt für Brasilien nach Olympia?

  22 Auqust 2016    Gelesen: 667
Was bleibt für Brasilien nach Olympia?
Der bleibende Mehrwert der Olympischen Sommerspiele für Brasilien dürfte gering sein. Die Bevölkerung hat vom Fernseher aus zugeschaut, nicht im Stadion. Trotzdem entwickelt sich etwas zum Positiven.
Von brasilianischer Euphorie bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro konnte allenfalls während weniger Stunden nach dem Pflichtgewinn der Goldmedaille durch die Fußballer um Superstar Neymar von der Nacht zum Sonntag die Rede sein. Das vorherrschende Gefühl nach gut zwei Wochen Spektakel des internationalen Spitzensports aber war Erleichterung: dass es endlich vorüber ist.

Von olympischer Harmonie war noch weniger zu spüren. Interimspräsident Michel Temer, der bei der Eröffnungsfeier am 5. August von den Zuschauern im Maracanã-Stadion ausgepfiffen worden war, wollte an der Abschlussfeier von der Nacht zum Montag an gleicher Stelle erst gar nicht mehr teilnehmen. Auch sonst ließen sich in Rio weit weniger Staats- und Regierungschefs aus aller Welt als gewöhnlich bei Olympischen Spielen blicken.

Es war, als fürchteten sie sich vor der „brasilianischen Krankheit“. Die aber ist nicht eine Infektion mit dem Zika-Virus, denn diese Epidemie hat im brasilianischen Winter eine Pause eingelegt oder ist sogar schon abgeklungen – eine der wenigen guten Nachrichten, die von „Rio 2016“ bleiben werden. Vielmehr ist es der tiefe Zorn der Bürger über eine inkompetente und korrupte politische Klasse, die ihre eigenen Interessen und den Machterhalt himmelhoch über das Gemeinwohl stellt.

Dazu passte, dass in der vergangenen Woche im Senat in Brasília das Verfahren zur endgültigen Amtsenthebung von Temers Amtsvorgängerin Dilma Rousseff wegen der Manipulation von Haushaltszahlen im Wahljahr 2014 eingeleitet wurde. Jeder weiß, dass dieser Rechtsverstoß Rousseffs von deren Widersachern nicht zum Anlass für deren Sturz genommen worden wäre, wenn die Präsidentin nach ihrer knappen Wiederwahl vom Oktober 2014 nicht binnen weniger Monate auf ein Allzeittief bei Umfragen abgestürzt wäre: Die waidwunde Präsidentin, mit der Anfang 2016 gerade noch elf Prozent der Brasilianer zufrieden waren, wurde vom damaligen Vizepräsidenten Temer und dessen Verbündeten aus politischen Opportunitätserwägungen gestürzt – nicht wegen ihres mutmaßlichen Gesetzesbruchs.

Wie tief auch der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gefallen ist, wurde ebenfalls vergangene Woche klar: Das Oberste Gericht in Brasília gab grünes Licht für das Verfahren gegen Lula wegen des Verdachts der Behinderung der Justiz im Zusammenhang mit dem monumentalen Korruptionsskandal beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. Die einstige Lichtgestalt der brasilianischen Politik hatte neben den Fußball-Weltmeisterschaften 2014 auch die Olympischen Sommerspiele 2016 nach Brasilien geholt. Mitangeklagt in dem Verfahren ist Lulas politisches Ziehkind Rousseff. Interimspräsident Temer ist rechtskräftig wegen des Missbrauchs von Wahlkampfspenden von einem Gericht im Bundesstaat São Paulo verurteilt. Er dürfte sich bei Wahlen nicht um das Amt bewerben, das er nach der erwarteten endgültigen Absetzung Rousseffs wohl bis Ende 2018 bekleiden wird.


Tags:


Newsticker