Auf der Webseite der Organisation, die seit 2012 nicht mehr erneuert wurde, kann man den Aufruf von Abe lesen, die während der US-amerikanischen Besatzung eingeführte Ordnung zu beseitigen und Japan zu einem Land zu machen, „auf das man stolz sein könnte". Eine ganze Reihe von sowohl einheimischen als auch ausländischen Analytikern verstehen diesen Satz vor allem als Revidierung der japanischen Verfassung, die von den US-Amerikanern praktisch diktiert wurde.
Die Organisation sei Bestandteil der innenpolitischen Kultur Japans, eine Art „Klub der Gesinnungsgenossen", dessen Mitglieder die Möglichkeiten der Umsetzung von neuen Ideen erörtern, unter anderem auch Ideen der alternativen Entwicklung des Landes, sagt der Politologe vom Zentrum für Japan-Studien, Viktor Pawljatenko. Zu solchen Diskussionen würden aktiv junge Politiker und neue Parteimitglieder herangezogen. Unter den Teilnehmern dieser Diskussionen gebe es unter anderem nationalistische Gruppierungen, die für die Revision der Verfassung sowie der Folgen des Zweiten Weltkrieges und die Wiederbelebung des Geistes der Vergangenheit eintreten. Es gebe auch Fraktionsgruppierungen, die zu bestimmten Zwecken gebildet werden. „Soviel ich weiß, hat (der japanische Außenminister) Fumio Kishida seine eigene Gruppierung. Und er ist einer der wenigen Kandidaten für den Posten des Premierministers", so Pawljatenko.
Der heutige Premier Shinzo Abe habe einst „Nippon sosei" angeführt, zurzeit sei er auch Sonderberater der nationalistisch geprägten überparteilichen Organisation „Nippon Kaigi" („Japankonferenz"). Die Organisation wolle ebenfalls die japanische Verfassung revidieren. Laut einer Studie des Congressional Research Service, eines Forschungszentrums des US-Kongresses, sehe „Nippon Kaigi" Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg als die des Befreiers Ostasiens von den Kolonialmächten an. Berichte wie etwa über das Massaker von Nanking halte sie für übertrieben und erfunden.
Zurzeit zähle „Nippon Kaigi" rund 40.000 Mitglieder, und es gebe im innenpolitischen Leben Japans mindestens sechs bis sieben ähnliche Organisationen, sagte Pawljatenko. Es sei schwierig zu bewerten, inwieweit solche Organisationen die politischen Entscheidungen beeinflussen könnten — zumeist würden sie in der Rolle eines Diskussionsklubs auftreten, wo neue Ideen „erprobt" würden, die selbst in Gesetzentwürfen noch nicht vorkommen.
Dabei habe eine der Vorgängerorganisationen von „Nippon Kaigi", die sogenannte „Gesellschaft für Japans Rettung", wichtige politische Entscheidungen bereits beeinflusst, sagte der Politologe Tawara Yosifuri, der ein Buch über „Nippon Kaigi" verfasst hat. So habe sie im Dezember 1994 eine Gruppe aus Mitgliedern der Liberaldemokratischen Partei (LDP) gebildet, die die Verabschiedung einer Resolution im japanischen Parlament verhinderte, die Entschuldigungen Japans gegenüber den Ländern verankern sollte, die von der japanischen Aggression im Zweiten Weltkrieg betroffen waren. Bemerkenswert sei, dass zum Sekretariatssprecher der Gruppe der heutige Premierminister Japans, Shinzō Abe, ernannt worden sei. An der Nominierung von Shinzo Abe für den Posten des Parteivorsitzenden der LDP und des Premiers und an seiner späteren Wiederwahl habe „Nippon Kaigi" und ihre parlamentarische Organisation eine bedeutende Rolle gespielt, so Tawara. Rund 300 Abgeordneten seien zurzeit Mitglieder von „Nippon Kaigi", da die Politiker ohne die Unterstützung der regierenden Partei und der parlamentarischen Gruppen ihre Ziele im Parlament nicht erreichen könnten.
Tawara gehört einer gemeinnützigen Organisation an, die die von „Nippon Kaigi" vorgenommene Korrekturen in den Geschichts-Lehrbüchern erfasst. Ihm zufolge versucht die Organisation „die Geschichte umzuschreiben".
Im Juli hatte der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe nach dem Zwei-Drittel-Sieg der regierenden Koalition bei den Parlamentswahlen eine Debatte über eventuelle Verfassungsänderungen angekündigt. „Wir hoffen, das Volk bei einem nationalen Referendum zu den angedachten Änderungen nach entsprechenden Beratungen (in den Parlamentskommissionen — Anm. d. Red.) zu befragen", sagte er.
Abe vertritt die Ansicht, dass die pazifistische Nachkriegsverfassung nicht der einer unabhängigen Nation heutiger Zeit entspreche, da sie Japan 1946 von der Besatzungsmacht USA aufgezwungen worden sei.
Japans Verfassung war 1947 angenommen worden. Sie sieht unter anderem vor, dass Tokyo auf Krieg als Mittel zur internationalen Konfliktlösung verzichtet. Die japanischen Streitkräfte gelten offiziell nur als Sonderabteilung der Polizei.
Quelle : sputnik.de
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