Die Politik muss endlich handeln

  31 Auqust 2016    Gelesen: 639
Die Politik muss endlich handeln
Die EU stellt Apple zurecht für seine Steuertricks in Irland an den Pranger. Doch der Skandal ist nicht, dass Großkonzerne durch Schlupflöcher Milliarden am Fiskus vorbeischleusen. Sondern dass die Politik sie nicht stopft.
Nach dem Steuer-Hammer der EU-Kommission gegen Apple brandet Applaus auf in Europa. Endlich unternimmt jemand etwas gegen die schamlose Steuerflucht eines globalen Großkonzerns! Keine Frage, das Ausmaß der Ausplünderung ist beispiellos: Während Millionen Angestellte Monat für Monat bis zur Hälfte ihres Geldes brav beim Finanzamt abliefern, hat die wertvollste Firma der Welt das Kunststück vollbracht, ein Jahrzehnt lang auf einen Großteil ihrer Verkäufe außerhalb der USA weniger als ein Prozent Steuern zu zahlen.

Man kann sich zurecht über diesen rücksichtslosen Raubbau am Gemeinwesen echauffieren. Aber man sollte sich nicht darüber wundern, dass Firmen wie Apple jedes Mittel recht ist, um ihren Gewinn zu steigern. Wenn der Profit lockt, bekommen selbst Visionäre wie Steve Jobs Dollarzeichen in den Augen. Der Apple-Gründer flog 1980 persönlich nach Cork um die irischen Briefkastenfirmen einzurichten, über die die jahrelange Steuerflucht des Tech-Imperiums organisiert wurde.

Alle Politiker, die deswegen nun genüsslich auf Apple herumhacken, sollten sich selbst an die eigene Nase fassen. Denn möglich wurde Apples skrupelloses Steuerdumping nur mit Hilfe der irischen Regierung. Sie hat genehmigt, dass Apple jedes in Berlin, Paris oder Rom verkaufte iPhone als Umsatz einer Briefkastenfirma verbuchen durfte, die in keinem Land der Welt Steuern zahlt. Wie kann das sein? Der eigentliche Skandal ist das vollständige Versagen der Politik im Kampf gegen die Steuerflucht internationaler Großkonzerne.

Die Politik lässt sich aussaugen

Apples gebetsmühlenartig widerholte Rechtfertigung für die Finanztricks ist deshalb richtig und zugleich blanker Hohn: Man halte sich an sämtliche Gesetze und zahle alle Steuern, die man schulde. Stimmt. Nämlich so gut wie keine. Weil die Gesetze es erlauben. Apple hat in Irland absolut nichts Verbotenes getan. Genau das ist das Problem: "Ein Großteil dieser Dinge ist legal - nicht illegal", hat US-Präsident Barack Obama es auf den Punkt gebracht.

Nicht nur Apple, sondern auch Facebook, Google und viele andere internationale Großkonzerne nutzen Irland und andere Steueroasen deshalb weiter ungestört als kostenlosen Parkplatz für ihre Milliardengewinne. Sie verhöhnen die Länder, aus denen sie ihre Profite saugen, regelrecht. Facebook hat sein Geld in Großbritannien lieber an seine Mitarbeiter verschenkt, statt es beim Finanzamt abzuliefern.

Und Apple-Chef Tim Cook begründet in einem Kundenbrief die Finanztricks seiner Firma eiskalt damit, dass Gewinne nun mal dort besteuert werden müssten, wo die Werte geschaffen würden - bei Apples Entwicklern in Kalifornien selbstverständlich. Ganz so als seien die Millionen iPhone-Käufer rund um den Globus und das Heer von Apple-Arbeitern in Asiens Fabriken nur lästige Bewunderer der genialen Konstrukteure, die man zum Geldverdienen eben leider auch noch braucht.

Griechenland zwingen, aber Irland nicht?

OffshoreLeaks, LuxLeaks und die Panama Papers - Anlässe für die Politik, den Sumpf auszutrocknen, hat es genug gegeben. Die Untätigkeit hat zwar auch mit rechtlichen Hürden zu tun: Die EU darf keinem Staat in Steuerfragen etwas vorschreiben. Woran es aber vor allem mangelt, ist politischer Mut. Eine kleine Gruppe von Staaten stiehlt den anderen ihre Steuern. Den Verlierern - Staaten, aus denen die Firmen ihre Profite saugen - gelingt es nicht, die Gewinner - Staaten, in die die Konzerne abwandern - in diesem Wettlauf zu isolieren. Sie lassen sich lieber mit einem Gnadenbrot abfüttern: Solange die Firmen ihnen wenigstens einen kleinen Teil der Steuereinnahmen lassen, wehren sie sich nicht.

Dabei gäbe es zumindest in der EU Wege, die Allianz der flüchtigen Großkonzerne und ihrer staatlichen Erfüllungsgehilfen zu brechen. In Griechenland haben die Brüsseler Bürokraten mit ihrer ständigen Drohung, den Geldhahn zuzudrehen, hunderte Reformen durchgesetzt. Der steuerlichen Trittbrettfahrerei in Luxemburg, Malta oder Irland haben sie dagegen über Jahre tatenlos zugesehen. Selbst nach Irlands Staatspleite kam ihnen nicht in den Sinn, das EU-Rettungspaket als Druckmittel zu nutzen, um die Schlupflöcher auf der Insel zu stopfen.

Umso bezeichnender ist es, dass sich Dublin nun plötzlich doch bewegt: Ende 2014 hat Irland einen seiner wichtigsten Steuertricks abgeschafft. Auch in Malta oder Luxemburg könnte die EU Ähnliches erreichen, wenn sie nur wollte - notfalls auch durch das Streichen von Subventionen oder den Verlust des Stimmrechts. Um das Übel an der Wurzel zu packen, müssten die EU-Länder sich dazu durchringen, endlich ihr Steuerrecht anzugleichen - oder sogar Kompentenzen in Steuerfragen nach Brüssel abzugeben. Solange das nicht geschieht, wird Europa ein Flickenteppich bleiben. Apple und Facebook werden sich darüber freuen.

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