Schüler allein unterwegs: Klassenreise ohne Lehrer - und ohne Handy

  02 September 2016    Gelesen: 385
Schüler allein unterwegs: Klassenreise ohne Lehrer - und ohne Handy
150 Euro, mehr dürfen die Neuntklässler einer Aachener Schule nicht mit auf Klassenreise nehmen. Sie sollen sich drei Wochen lang allein durchschlagen - ohne Lehrer. Und ohne Handy.
Die Jungs sind gerade erst aufgebrochen, da haben sie schon ein Problem: Zwei Kanus, kaum Geld und kein Auto - dennoch müssen sie irgendwie vom Flüsschen Lenne in Nordrhein-Westfalen zu ihrem mehr als zwei Kilometer entfernten Campingplatz kommen.

Erik ist seit ein paar Tagen mit drei anderen Schülern im Kanu auf der Lenne und auf der Ruhr unterwegs. Seine Mutter Bernadette Lipinski ist zu Hause in Aachen und würde gerne anrufen, um zu fragen, wie es ihm geht. Doch das Handy darf ihr Sohn nur im Notfall nutzen.

Er nimmt an einem abenteuerlichen Schulprojekt teil: Mehr als 80 Schüler der neunten Jahrgangsstufe gehen knapp drei Wochen lang ihren eigenen Weg. Ohne Lehrer, ohne Eltern - begleitet von Aachener Studenten. Die sollen sich aber nur im Notfall einmischen.

150 Euro dürfen die 14- und 15-Jährigen jeweils mitnehmen. Jeden Tag zelten sie woanders, das Handy bleibt aus - das sind die Regeln des Projekts "Herausforderung" der 4. Aachener Gesamtschule.

Eltern sind begeistert

Vorbild ist die Evangelische Schule Berlin Zentrum. Dort gibt es das Projekt schon seit 2008. "Kinder verbringen immer mehr Zeit in der Schule und haben immer weniger Zeit, im Leben zu lernen", sagt der Berliner Lehrer Christian Hausner. Das Projekt gebe es mittlerweile bundesweit an mehreren Schulen, zumindest in abgespeckter Form. Wochenlang und ohne Begleitung von Lehrern sind nur die Schüler aus Berlin und Aachen unterwegs.

Sorgen macht sich Eriks Mutter nicht: "Ich find das toll. Ich denke, dass sie eine ganze Menge hinkriegen." Ein großer Teil der Eltern sei "absolut begeistert" gewesen, sagt die Aachener Projektkoordinatorin Margret Lensges.

Die Kinder sind in 16 Gruppen in Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Bundesländern unterwegs: zu Fuß, mit dem Kanu, auf dem Rad oder mit Long- und Skateboard. "Die ersten vier Übernachtungen mussten fest sein", sagt Lensges. "Auf Campingplätzen oder etwa im Vorgarten einer Pfarrei." Wild zu zelten ist die ganze Reise über tabu.

"Natürlich hat man Sorge", sagt der Aachener Schulleiter Hanno Bennemann. Die Schulaufsicht habe das Konzept kritisch hinterfragt, an einigen Stellen habe man nachgebessert. Verantwortung sei in der Schule ein zentrales Thema, für Schüler und Lehrer.

Am letzten Abend vor dem Start kursierten in der WhatsApp-Gruppe der Schüler Nachrichten wie: "Das letzte Grillen" oder "Ich bin satt, aber ich ess trotzdem weiter". Erik könne Spaghetti mit Tomatensoße kochen, sagt Mutter Bernadette Lipinski. Aber zu Hause sei er eher der "Schnippler". So werde das wahrscheinlich auch unterwegs sein.

Die Rollen in der Gruppe sind klar verteilt. Beim Pfarrer anrufen oder E-Mails schreiben ist Sache des Kommunikationschefs. Der Kassenwart ist für das Geld der Gruppe zuständig. Und der Dokumentationschef muss jeden Tag um 12 Uhr ein Foto von seiner Truppe schicken.

Auf einem Bild der ersten Tage wirkt Erik erwartungsvoll. Erst die Aufbruchstimmung, dann die ersten Krisen, vielleicht ein bisschen Heimweh und dann der Ehrgeiz, es zu schaffen. Das seien die typischen Phasen der Reise, sagt Hausner.

Quelle : spiegel.de

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