Assads Armee bringt Russland in die Bredouille

  28 Oktober 2015    Gelesen: 566
Assads Armee bringt Russland in die Bredouille
Mit aller Gewalt wollte Russland in Syrien aufräumen, aber der Aufwand verpufft. Vielmehr bahnt sich ein Desaster an. Jetzt sollen es Spezialeinheiten richten, die aus der Ukraine abgezogen wurden.
Tag und Nacht starten die Flugzeuge von der russischen Luftwaffenbasis in der Nähe der westsyrischen Mittelmeerstadt Latakia. Täglich sind es mindestens 40 Einsätze, zu denen 36 Bomber und 20 Kampfhubschrauber abwechselnd abheben. Über 800 Ziele haben sie in Syrien angegriffen, seit Russland an der Seite des Präsidenten Baschar al-Assad in den syrischen Bürgerkrieg eingriff.

Den Kreml kostete das bisher rund 100 Millionen Euro. Mit der eisernen Faust einer militärischen Großmacht wollte Russland möglichst schnell mit den Gegnern des Assad-Regimes aufräumen.

Aber der Kreml scheint sich verrechnet zu haben. Fast vier Wochen nach Beginn der Offensive gegen die syrischen Rebellen auf der einen und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite halten sich die Erfolge in bescheidenem Rahmen. Sie sind minimal im Vergleich zum großen militärischen Einsatz und nur gegen hohe Verluste zu erzielen. "50 Zentimeter Landgewinn für 24 verlorene Panzer und 250 Soldaten", soll ein Offizier der syrischen Armee beklagt haben.

Seit Freitag sind die Gegner an einigen Fronten sogar selbst zum Angriff übergegangen. In Aleppo wurde die syrische Armee von ihrer einzigen Nachschubroute abgeschnitten. Und das ausgerechnet vom IS, den Russland als Grund für seine Militärintervention vorschob, ihn aber nur halbherzig angreift. Nach den ausbleibenden Erfolgen wird der Kreml ungeduldig und hat nun Spezialeinheiten aus der Ukraine nach Syrien abgezogen. Diese Elitetruppen, die mit den legendären amerikanischen Delta Forces vergleichbar sind, sollen es nun richten.

Die Soldaten der syrischen Armee hatten mit großem Enthusiasmus den Beginn der Militärintervention ihrer "russischen Brüder" am 30. September begrüßt. Sieben Tage danach wurden sie in Latakia, Homs, Hama und Aleppo zu Tausenden an die Front geschickt. Trotz russischer Luftunterstützung kam die Offensive der Armee aber nur schwer voran und konnte nur wenige Dörfer erobern.

Amerikanische Raketen zerstören reihenweise Assads Panzer

Es sind vorwiegend BGM-71-TOW-Panzerabwehrraketen amerikanischer Produktion, die den Vormarsch der Regierungstruppen so sehr verlangsamen. Mit diesen Waffen haben die Rebellen mittlerweile über 60 Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge der Armee zerstört. Und ohne ausreichend Schutz von Panzern gerät jede Bodenoffensive unter Druck.

Insgesamt 39 sogenannte moderate Rebellengruppen, geprüft vom Pentagon, stehen auf der Lieferliste für TOW-Raketen. Zuvor wurden sie von der CIA in geheimen Kommandooperationen geliefert. Heute übernimmt das Saudi-Arabien, das eigenen Angaben zufolge mindestens 500 dieser Lenkwaffen seit Beginn der russischen Intervention zu den Rebellen gebracht hat.

Früher wäre dies nicht möglich gewesen. Das Panzerabwehrsystem war auf Anweisung Amerikas nur in begrenzter Stückzahl und erst nach langer Prüfung einigen wenigen Rebelleneinheiten überlassen worden. Man befürchtete, die schlagkräftige Waffe könnte in die Händen radikaler Islamisten fallen. Aber mit dem Eingreifen Russlands scheinen sich diese Vorbehalte zerstreut zu haben.

Sind diese TOW-Raketen nun kriegsentscheidend geworden? Die russische Militärführung glaubt das nicht. Sie macht die syrische Armee verantwortlich. Ihre "Unfähigkeit und mangelnde Durchsetzungskraft" sei der Hauptgrund für die ausbleibenden Erfolge. Das wurde besonders in einem Gespräch deutlich, das die Rebellengruppe Tajammu al-Izza in Hama zwischen einem russischen und syrischen General abhören konnte.

"Der Russe war vollkommen sauer über die Fehler und Unzulänglichkeiten der Armee", erzählte Raed Saleh, der Sprecher von Tajammu al-Izza, die ebenfalls zu den Empfängern moderner Panzerabwehrraketen gehören. Dem syrischen General sei daraufhin das Kommando entzogen worden. Aber es sollte dabei nicht vergessen werden, so betonte Saleh, dass die Rebellen im Verbund der Freien Syrischen Armee (FSA) in Aktion übergegangen seien und die Spielregeln geändert hätten. "Anstatt uns nur zu verteidigen, sind wir zum Angriff übergegangen."

Offenbar bringen die Syrer nur ungenügende Informationen

Nach militärischen Gesichtspunkten sollte das eigentlich ganz anders sein. Denn nach über drei Wochen intensiven Bombardements müsste eine Bodenoffensive zügig vorangehen. Vorausgesetzt ist allerdings, dass die richtigen Ziele getroffen wurden. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. "Wir haben oft nicht die geringste Ahnung, warum die Russen dieses oder jenes Gebäude bombardieren, die meist leer stehen oder von Zivilisten bewohnt werden", behauptete ein Rebellenkommandeur aus der Stadt Dschisr al-Schugur im Nordwesten des Landes.

Dort hatten vor einem Angriff russische Drohnen zwei, drei Tage lang Informationen gesammelt. So wurde das auch in anderen Rebellengebieten beobachtet. Aber diese kurzen Aufklärungsflüge scheinen nicht auszureichen. Und was ist mit der "engen Zusammenarbeit mit dem syrischen Militär und Geheimdienst", die das russische Verteidigungsministerium so angepriesen hatte? Offensichtlich bringen die Syrer nur ungenügende, falsche oder veraltete Informationen. Denn sonst hätten die Einsätze der russischen Jets wesentlich größere Wirkung.

Diese Lücke soll nun mit der Stationierung der russischen Spezialeinheiten aus der Ukraine geschlossen werden. Man will die Luftangriffe endlich effektiver machen und nicht weiter viel Geld buchstäblich in der Luft verpuffen lassen. Es sind die "grünen Männer", wie sie aufgrund ihrer unmarkierten Uniformen auf der Krim genannt wurden, die nun in Syrien sind. Unter ihnen soll auch die bekannte Zaslon-Einheit sein, die auf den Schutz von Diplomaten und Vertretungen im Ausland trainiert ist.

Die russischen Elitesoldaten werden an der Front syrische Einheiten begleiten. Zum Kämpfen sind die Russen jedoch nicht in den ersten Linien. Sie sind sogenannte Spotter, die feindliche Stellungen auskundschaften und die GPS-Koordinaten an die Kampfflugzeuge für einen Angriff weitergeben. Mit ihrem Einsatz steigt aber auch das Risiko, dass russische Soldaten getötet werden oder in Gefangenschaft geraten. Aber das Problem sieht man im Kreml wohl gelassen – Hauptsache, die Effektivität der Bombardierungen an der Front erhöht sich, die die Bodenoffensive der syrischen Armee so bitter nötig hat.

Russland könnte sich auf die Knochen blamieren

Russland muss schnell reagieren. Sonst endet die Militärintervention in einem Desaster, noch bevor sie richtig begonnen hat. Mit der angestrebten Führungsrolle in Syrien und im gesamten Mittleren Osten wäre es vorbei. Stattdessen würde sich Russland bis auf die Knochen blamieren und wäre dann nur noch einer von vielen "Playern" in der Region.

Auf Russlands syrische Partner ist wenig Verlass. Wie unfähig die Armee ist, zeigte sich erst am Wochenende wieder einmal im Süden von Aleppo, wo die Terrorgruppe IS vom Osten her ungehindert bis zur einzigen Nachschubroute des Regimes vordringen konnte. Die Extremisten eroberten acht Checkpoints und einige Orte, die entlang der Verbindungsstraße nach Aleppo liegen. Damit wäre das Regime in der ehemaligen Industriemetropole eingeschlossen. Der Gegenangriff der Regierungstruppen läuft bereits. Denn ohne Zugang über Land sind alle anderen in Aleppo laufenden Militäroperationen über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt.

In der seit drei Jahren umkämpften Stadt wollen Syrien, Russland und der Iran ein Exempel statuieren. An mehreren Fronten drängen sie gleichzeitig auf eine Entscheidung. Die syrische Armee kämpft gemeinsam mit iranischen Soldaten der Revolutionsgarden, schiitischen Hilfsmilizen aus dem Irak sowie der libanesischen Hisbollah.

Im Südosten will man die Belagerung des Luftwaffenstützpunktes Kweiris beenden. Im Norden drängt die internationale Regimearmee in Richtung der eingeschlossenen Orte Nubul und Zahraa. Gleichzeitig versucht man vom Westen her in die Stadt vorzustoßen und die letzte Zufahrt nach Aleppo von der Türkei aus abzuschneiden. Unzählige Male wurde das im Laufe des Bürgerkriegs schon vergeblich versucht. Nun soll es mit aller Gewalt, mit iranischer Manpower und russischen Bomben endlich gelingen.

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