Seine Söhne gingen zum IS: Ein Vater aus Kassel sucht in Syrien nach seinen Kindern
Mit Maschinenpistolen in der Hand erklärten sie damals, dass sie mit ihm nichts mehr zu tun haben wollten, wenn er nicht bezeuge, „dass es keinen anbetungswürdigen Gott gibt außer Allah“. Die Botschaft kam aus Syrien, wo sich seine Söhne Ende 2014 im Alter von 23 und 19 Jahren dem selbsternannten „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen hatten.
Auf der Baustelle in Kassel öffnet Gerhard die neue Nachricht: „Es gibt keine Gottheit außer Allah.“ Solche Sätze kennt Gerhard von seinen Söhnen, er merkt aber schnell, dass die Nachricht gar nicht von ihnen kommt. Seine „ehrenwerten Söhne“, liest er, seien „der absoluten Pflicht nachgekommen, das Kalifat unter dem ehrenwerten Kalifen Abu Bakr Al-Bagdadi zu unterstützen. Bei der Verteidigung ihrer Brüder und Schwestern wurden sie am selben Tag niedergeschossen“.
Für Gerhard beginnt eine nicht enden wollende Suche
Joachim Gerhard wurde 1963 in dem Darmstädter Vorort Arheilgen geboren. Nach der Schule machte er eine Lehre zum Bauschlosser, heiratete und bekam zwei Söhne. Mit seiner Familie zog er nach Kassel, wo er eine erfolgreiche Immobilienfirma aufbaute. Seine Söhne spielten Fußball, gingen feiern, wollten Schauspieler und Fotograf werden, bevor sie sich 2014 plötzlich veränderten. Über einen Freund fanden sie zum Islam, fingen an, mehrmals am Tag zu beten, tranken keinen Alkohol mehr und mieden Partys. Im Oktober 2104 verschwanden sie.
Mit dem Auto ihres Vaters fuhren sie in die Türkei und ließen sich von Schleusern nach Syrien bringen. Wochenlang hörte Joachim Gerhard nichts von ihnen, dann meldeten sie sich plötzlich, schickten Bilder vom Grillen, erzählten, dass sie nur in Syrien ihren Glauben ausleben könnten, luden ihren Vater zu einem Besuch ein. Gerhard wollte das Angebot annehmen, reiste im Februar 2015 in die Türkei, an der Grenze kam er nicht weiter. Er schaffte es aber immerhin, einen Freund seiner Söhne, der mit ihnen nach Syrien gereist war, jetzt aber wieder nach Hause wollte, an der syrischen Grenze einzusammeln. Weil er damit „gegen den Islamischen Staat“ gearbeitet habe, wie seine Söhne meinten, sagten sie sich von ihm los.
Für Gerhard beginnt eine nicht enden wollende Suche. Von deutschen Behörden bekommt er kaum Hilfe, also setzt er auf die Zusammenarbeit mit Schleusern, die versprechen, ihm zu helfen, die ihm aber nur das Geld aus der Tasche ziehen. Einer von Gerhards ersten Helfern ist der „Opa“, den er in einem Teehaus in dem türkischen Grenzort Elbeyli in der Nähe von Gaziantep kennenlernt, als er zum ersten Mal versucht, über die Grenze zu kommen. Für 400 Euro hilft der Opa, den Freund von Gerhards Söhnen aus Syrien herauszuholen. Weil es tatsächlich klappt, hofft Gerhard, dass der Mann auch seine Söhne finden kann.
„Rufen Sie mich an, wenn Sie ihre Leichen haben“
Immer wieder reist er nach Elbeyli, der Opa erzählt ihm von einem Trupp, der in Syrien auf der Suche nach seinen Söhnen sei. Das koste natürlich. „Jetzt haben wir sie fast“, erklärt er wieder und wieder. „Es gab es einen Punkt, da war klar, er wollte nur noch mein Geld“, sagt Gerhard. Als der Opa ihm eine Fotomontage als Beweis präsentiert, dass er seinen Söhnen auf der Spur sei, bricht Gerhard den Kontakt ab. Mehr als 20.000 Euro hat er dem Türken da schon gezahlt.
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