Der Frontex-Beschluss zeigt, dass die EU funktioniert

  27 September 2016    Gelesen: 567
Der Frontex-Beschluss zeigt, dass die EU funktioniert
Die Kanzlerin hat beim Treffen mit den Südosteuropäern die scharfe Kontrolle der Balkanroute beschlossen. Dabei bringt Merkel aber die Grenzschutzagentur Frontex zum Einsatz – bisher war das ein Tabu.
Manchmal ist ein scheinbarer Rückschritt ein Fortschritt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bei dem Wiener Treffen etlicher EU-Staaten zur Flüchtlingsfrage für die noch schärfere Kontrolle der Balkanroute ausgesprochen. Widerspricht das nicht ihrer Haltung, Grenzschließungen seien für die EU gefährlich? Nein.

Merkel hatte sich gegen einseitig verfügte, nationale Grenzschließungen ausgesprochen. Beschlossen haben die Beteiligten in Wien nun aber, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex an der Grenzsicherung beteiligt wird. Das ist etwas ganz anderes, als wenn selbst ernannte nationale „Grenzwachen“, die sich womöglich auch noch aus Gruppen mit rechtsradikaler Haltung rekrutieren, ohne EU-Mandat Flüchtlinge jagen und zurückweisen.

Der Einsatz von Frontex-Kräften war bisher bei einigen EU-Staaten auf heftige Gegenwehr gestoßen. Sie sahen darin eine „Besatzungstruppe“, die unter Brüsseler Oberbefehl gegen die Interessen der betroffenen Staaten handeln könnte. Erinnerungen an den Weltkrieg und an den Ostblock spielten dabei eine psychologische Rolle.

EU-Solidarität kann erkämpft werden

Merkel hat nun diese Befürchtungen zumindest teilweise zerstreut. Sie tat das zusammen mit Regierungen, die in der Flüchtlingspolitik keine nationalen Neinsager sind. Slowenien zum Beispiel gehört zu den Ländern, die im Prinzip der Flüchtlingshilfe sehr aufgeschlossen gegenüberstehen.

Für den Zusammenhalt Europas ist der Einsatz von Frontex ein Präzedenzfall dafür, dass auch in einer aufgeheizten Stimmung europäische Solidarität zäh und beharrlich erkämpft werden kann. Merkels Balkantrick auf dem Wiener Treffen war in dieser Hinsicht ein großer Fortschritt.

Keinen Fortschritt gibt es bei der EU-weiten Verteilung der bereits in Griechenland und Italien wartenden Flüchtlinge. Hier tritt Merkel von Neuem in eine deutsche Vorleistung, damit die Pflicht zur Hilfe nicht von der Tagesordnung rutscht. Es hat aber wenig Sinn, vor dem ungarischen Referendum zur Flüchtlingsverteilung am 3. Oktober Festlegungen zu erzwingen, die EU-weit gültig sein sollen.

Ob solche Festlegungen im Laufe der nächsten Monate möglich werden, hängt von vielen Faktoren ab. Ungarn wird die EU in dieser Frage nicht festlegen können. Aber seine Stimme wird jetzt zunächst gehört, genauso wie diejenige Polens und anderer Kritiker der Verteilung. Derweil arbeitet die EU-Kommission im Auftrag aller Mitgliedstaaten an einem europaweiten einheitlichen Asylrecht. Der Wiener Frontex-Beschluss hilft ihr dabei.

Quelle : welt.de

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