“Warum wollen sie keine Muslime?“: Wie Ungarns Botschafter Anne Will zur Verzweiflung brachte

  03 Oktober 2016    Gelesen: 1107
“Warum wollen sie keine Muslime?“: Wie Ungarns Botschafter Anne Will zur Verzweiflung brachte
Die Ungarn haben entschieden, sich nicht entscheiden zu wollen. Beim gestrigen Referendum über die Aufnahme von Flüchtlingen kam nicht die notwendige Wahlbeteiligung zustanden - der Volksentscheid ist somit ungültig.
Trotzdem zeigt er eine überdeutliche Ablehnung der Flüchtlingspolitik: 98,3 Prozent der Menschen, die zu den Urnen kamen, wollen von der EU nicht die Aufnahme von Asylbewerbern vorgeschrieben bekommen - und eine große Rolle dürfte dabei Angst vor dem Islam gespielt haben.

"Ungarn will keine Muslime – wird Islamfeindlichkeit in Europa salonfähig?", fragte Anne Will ihre Gäste.

Györkös will "Ordnung in unserem Haus"

Im Kreuzfeuer stand der ungarische Botschafter Péter Györkös. Ihm wurde vorgeworfen, dass der einzige Zweck des Volksentscheids darin bestand, islamfeindliche Gefühle in Ungarn zu befriedigen. Doch er zeigte, warum er Diplomat geworden ist.

"Wollen Sie nicht, dass Ungarn muslimische Flüchtlinge aufnimmt?", fragte Will ihn direkt. Er weicht in diplomatische Floskeln aus. Ungarn sei bereit, an einem komplexen, freiwilligen System zur Aufnahme von Flüchtlingen zu arbeiten.

"Aber sie haben die Frage nicht beantwortet", bemerkt die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor. Er habe sie beantworten wollen, aber man habe ihn nicht zu Wort kommen lassen, behauptet Györkös. Höhnisches Gelächter im Publikum.

Dann stelle ich so nochmal, sagt Will. Györkös wieder aalglatt. "Es gehe darum, ob wir Ordnung in unserem Haus haben oder nicht."

"Warum wollen sie keine Muslime in Ungarn?

Will verzweifelt langsam an seinen diplomatischen Antworten. Sie variiert die Frage. "Wollen sie bestimmte Menschen aufgrund ihrer Religion nicht aufnehmen?" hakt sie nach, und, etwas plump: "Warum wollen sie keine Muslime in Ungarn?"

Schließlich gibt sie auf und spielt den Ball ab an die "Süddeutsche"-Journalisten Cathrin Kahlweit. Die sagt, dass hochkarätige ungarische Politiker regelmäßig während der Kampagne gesagt hätten, dass Muslime nicht zu Ungarn passen, feindselig seien und keine Arbeitsmoral hätten. Als Will fragt, ob sie Ungarn für fremdenfeindlich halte, sagt Kahlweit nur knapp: "Ja."

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz nimmt Györkös in Schutz. Er will, dass mehr über den hohen Anteil der Wähler gesprochen wird, die eine Umverteilung ablehnen.

Seiner Ansicht nach tragen Deutschland und die EU dafür die Verantwortung. "Einige Staaten haben das Gefühl, dass einige wenige mitteleuropäische Staaten, allen voran Deutschland, über sie bestimmen wollen." Diese Länder seien der Ansicht, dass als Staaten zweiter Klasse moralisch erzogen werden sollen.

"Ungarn hat die Menschen niedergeknüppelt!“

Überhaupt, die Flüchtlingsverteilung in der EU funktioniere ohnehin nicht. "Flüchtlinge wollen nicht nach Rumänien, Ungarn oder Polen. Sondern nach Österreich, Deutschland oder Schweden", so Kurz.

Kaddor sagt, sie könne sich noch sehr gut an die Bilder der ungarischen Grenzzäune erinnern. "Die Menschen hat man niedergeknüppelt!". Das will Kurz nicht so stehen lassen.

"Das passiert jetzt in der Türkei", entgegnet er. Deutschland habe gewollt, dass die Türkei verhindert, dass sich Flüchtlinge auf den Weg nach Griechenland machen. Die türkischen Grenzschütze würden dies sicher "nicht mir freundliche Überredung" machen, so der Außenminister.

Europa bedeute, Menschen nicht nach ihrer Religion zu beurteilen, mahnt der Grünen-Politiker Özdemir. "Es ist europäische Aufklärung, Menschen nicht danach zu beurteilen, woher sie kommen, sondern wohin sie wolle - das ist Europa!" Schön gesagt.

Er fordert Klimaschutz, eine neue Landwirtschaftspolitik und -Wirtschaftspolitik, keine Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und einen "Marshall-Plan" für Nordafrika.

Das Fazit des Abends spricht der österreichische Außenminister: "Die massive Flüchtlingsbewegung und die Reaktion der Politik haben sehr viel Schlechtes aus den Menschen herausgeholt", sagt Kurz.


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