Die Regierungspartei „Geeintes Russland“ verfügt über eine Dreiviertelmehrheit, mit der sie die Verfassung ändern kann. Die restlichen Sitze besetzen Parteien der „systemtreuen Opposition“. Im russischen System der „gelenkten Demokratie“ spielt das Parlament eine Nebenrolle. Die Legislative macht heute vor allem durch Eskapaden und Bizarrerien der Abgeordneten Schlagzeilen. Diese fünf Parlamentarier könnten in den nächsten Monaten für Aufsehen sorgen.
Wjatscheslaw Wolodin: Putins treuer Soldat
„Solange es Putin gibt, gibt es Russland. Ohne Putin – kein Russland“. Diese These formulierte Wolodin im Herbst 2014 auf einer Sitzung des Diskussionsforums Waldaj. Bis vor Kurzem zog Wolodin als Vize der Präsidialverwaltung eher im Hintergrund an den Strippen der russischen Politik. Jetzt tritt er ins Licht der Öffentlichkeit: Er wird zum Parlamentssprecher.
Im Kreml war er für die Innenpolitik zuständig und damit einer der mächtigsten Menschen in Russland. Wolodin gilt als Architekt der Beschneidung der Freiheitsrechte seit 2012. Wolodin gilt als knallharter Pragmatiker.
Als einer der wenigen Topbeamten im heutigen Russland kommt er nicht aus den Geheimdiensten, sondern arbeitete sich aus der Provinz hoch. Geboren in einem Dorf im Gebiet Saratow, führten ihn seine Ambitionen nach Moskau, wo er Karriere in der Putin-Partei machte und in den innersten Zirkel der Macht aufstieg. Wolodin wurde 2014 gar als Präsidentenkandidat gehandelt.
Witali Milonow: Gegen Schwule, Darwin und Lady Gaga
Witali Milonow ist der wohl bekannteste Schwulenfeind Russlands. Bis vor Kurzem war er Stadtrat in Sankt Petersburg, wo er 2011 ein Gesetz gegen „Schwulenpropaganda“ durchsetzte. Er kämpfte gegen Konzerte von Madonna und Lady Gaga in der nordrussischen Stadt, weil sich die Popsängerinnen positiv über Schwule und Lesben geäußert haben.
Zu Milonows Feindbildern gehört auch Charles Darwin. Der Abgeordnete hält die Evolutionstheorie für „Schwachsinn“ und empörte sich öffentlich darüber, dass sie in der Schule unterrichtet wird.
In Sankt Petersburg engagierte er sich mit einer Kampagnen dafür, orthodoxe Kinder in den Schulen vor Atheismus zu „schützen“. Seit Jahren setzt sich Milonow auch gegen Abtreibungen ein. Jetzt erhält er als Parlamentsabgeordneter eine noch größere Plattform für seine erzkonservativen Ideen.
Natalia Poklonskaja: Die Manga-Staatsanwältin von der Krim
Eine weitere schillernde Figur im neuen Parlament ist die ehemalige Generalstaatsanwältin der annektierten Halbinsel Krim Natalia Poklonskaja. Durch ihre Auftritte bei Pressekonferenzen wurde die attraktive Mittdreißigerin zu einem YouTube-Star.
In Japan brachte es die blonde Frau in Uniform zu einer populären Mangafigur, in sozialen Netzwerken zum Gesicht des russischen Patriotismus in seiner schrägen Ausprägung. In ihrem Büro hat die Staatsanwältin ein Foto des letzten russischen Zaren Nikolaus II.
Seine Abdankung im Jahre 1917 habe keine juristische Kraft, erklärte sie im vergangenen Jahr. Auf der Krim kämpfte Poklonskaja hart gegen die Gegner der Annexion. So vertrat sie persönlich die Anklage im Gericht in einem Prozess gegen den Medschlis, das Selbstverwaltungsgremium der Krimtataren. Als Folge wurde der Medschlis als eine „extremistische Organisation“ in Russland verboten.
Irina Jarowaja: Die Fachfrau für totale Überwachung
Ihre politische Karriere begann Irina Jarowaja einst in der Opposition. Zehn Jahre lang war sie Mitglied in der Partei Jabloko und arbeitete Anfang der Nullerjahre sogar mit der Stiftung Open Russia des Oligarchen Michail Chodorkowski. Doch 2007 zog sie von der fernöstlichen Insel Kamtschatka nach Moskau und wechselte zur Regierungspartei Geeintes Russland.
Sie wurde vor allem als Autorin der drastisch verschärften Antiterrorgesetze bekannt, die in diesem Jahr vom Parlament verabschiedet wurden. So müssen russische Telekommunikationsanbieter künftig alle Telefongespräche, SMS und Nachrichten der Nutzer sechs Monate lang speichern und den Geheimdiensten jederzeit Zugang dazu gewähren.
An der technischen Umsetzung dieser Forderungen wird derzeit gearbeitet. Für russische Internetnutzer ist Jarowaja damit eine Hassfigur, die Partei indes hat sie für ihren Einsatz belohnt. In der neuen Duma wird sie zur stellvertretenden Parlamentssprecherin.
Andrej Lugowoj: Der Polonium-Mann
In Großbritannien liegt gegen Andrej Lugowoj ein Haftbefehl wegen Mordes an dem ehemaligen FSB-Agenten Alexander Litwinenko vor. Eine britische gerichtliche Untersuchung kam zum Schluss, dass Lugowoj zusammen mit einem anderen russischen Agenten im November 2006 Litwinenko mit dem radioaktiven Stoff Polonium-210 vergiftete.
Quelle : welt.de
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