Putin zerrt vergeblich an Erdogan

  10 Oktober 2016    Gelesen: 565
Putin zerrt vergeblich an Erdogan
Russlands Präsident Putin besucht den türkischen Staatschef Erdogan in Istanbul. Putin geht es nicht um Partnerschaft, er will ihn an sich binden und von der Nato entfremden. Das weiß Erdogan.
Die Lockrufe des russischen Präsidenten ertönen immer lauter: Wladimir Putin versucht, die Türkei aus der westlichen Allianz zu lösen und für sich zu gewinnen. An diesem Montag wird er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan deshalb in Istanbul besuchen. Die Chancen, dass Putin mit seinem Werben Erfolg hat, erscheinen größer denn je. Doch Erdogan weiß, dass er seine geopolitische Macht verliert, wenn er sich wirklich auf Putin einlässt.

Nach einer diplomatischen und wirtschaftlichen Eiszeit wegen des Abschusses eines russischen Jets durch die Türkei im Grenzgebiet zu Syrien war es zunächst Erdogan, der wieder auf Putin zuging. Der türkische Staatspräsident entschuldigte sich für den Zwischenfall, der vor allem dadurch entstand, dass Russland und die Türkei gänzlich widerstrebende Ziele in Syrien verfolgen und sich über Monate gegenseitig provoziert hatten. Russland stützt den syrischen Machthaber Baschar al Assad. Die Türkei will ihn stürzen.

Auf Erdogans Entschuldigung, nachdem die gegenseitigen Provokationen mit dem Abschuss der SU24 eskaliert war, folgten etliche Gesten Putins. Angeblich warnte der russische Geheimdienst Ankara am Tag vor dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei am 15. Juli vor ungewöhnlichen Aktivitäten. Seither kolportieren Putin-Vertraute die Erzählung, dass der Putschversuch erfolgte, weil sich die Türkei wieder Russland zugewandt habe. Damit befeuern sie die in der Türkei ohnehin beliebte These, dass die USA hinter dem Putschversuch stecken oder ihn zumindest unterstützen, indem sie dem angeblichen Strippenzieher, dem islamischen Prediger Fethullah Gülen, Asyl und Schutz gewähren.

Eine vermeintlich günstige Partnerschaft

Nachdem es der türkischen Staatsführung gelungen war, den Putsch niederzuschlagen, war es Putin, der sich zuerst bei Erdogan meldete und den geplanten Staatsstreich verurteilte. Kritik am Umgang mit verdächtigen Putsch-Unterstützern sparte sich der russische Präsident – ganz anders als Politiker aus den USA und der EU, die teilweise mehr Kritik übten als Mitgefühl zeigten. Als Erdogan Putin in St. Petersburg besuchte, sprach der Kreml-Chef sich dafür aus, Sanktionen wegen des Flugzeugabschusses wieder aufzuheben und die Normalisierung der Beziehungen anzustreben.

Nun soll es in Istanbul um eine Vertiefung der wirtschaftlichen Projekte und eine bessere Abstimmung im Syrien-Konflikt gehen. Putin bietet Erdogan eine vermeintlich günstige Partnerschaft an: Er verspricht wirtschaftliche Zusammenarbeit und will dabei, anders als EU und Nato, nicht auf Rechtstaatlichkeit und Demokratie pochen. Er verspricht ihm eine bessere Zusammenarbeit in Syrien und nimmt dabei, anders als EU und Nato, auf Erdogans größte Sorge Rücksicht: dem Aufbau eines Kurdenstaates entlang der Grenze zur Türkei.

Putin und das Assad-Regime nehmen es ohne allzu große Widerworte hin, dass die Türkei mit der Operation "Schutzschild Euphrat" auf syrischem Boden interveniert, um den sogenannten Islamischen Staat (IS) von der Grenze zur Türkei fernzuhalten, aber auch, um einen Keil zwischen die selbstverwalteten Gebiete der Kurden in Syrien zu treiben.

Erdogan spielt mit der Gefahr

Das klingt aus Sicht Erdogans zunächst verlockend. Doch dem Präsidenten dürfte bewusst sein, dass er bei Putin nie das bekommen dürfte, wonach er sich sehnt: eine Partnerschaft auf Augenhöhe und weltpolitisches Gewicht. Machthaber, die sich in eine tiefe Allianz mit Putin begeben haben, ordnete der Kreml-Chef sich unter, machte sie zu seinen Erfüllungsgehilfen. Aus Allianzen wurden Abhängigkeiten. Ein konsequentes Ja zu Russland ginge für die Türkei mit der Unvereinbarkeit ihrer Nato-Mitgliedschaft einher. Aus Sicht der EU und der USA wäre er zudem endgültig als autokratisches Schmuddelkind verbrannt. Tritt das ein, verlöre die Türkei auch ihr Gewicht im Verhältnis zu Russland. Denn der Kreml nutzt das Land schließlich vor allem, um einen Keil in die westliche Allianz zu treiben.

Erdogans Strategie ist es deshalb, dem Westen vorzugaukeln, dass die Gefahr bestehe, dass die Türkei sich von ihnen ab und endgültig Russland zuwendet. Er will EU und Nato so Zugeständnisse abringen. Dass dies nicht aussichtslos ist, zeigte sich erst vor wenigen Wochen.

Auch die USA ließen die Operation "Schutzschild Euphrat" zu, sie unterstützen sie gar – trotz Konflikte mit den syrischen Kurden. Dabei gelten die als wichtigster Verbündeter Washingtons in dem Bürgerkriegsland. Ankara wirbt jetzt, nachdem die türkische Armee in kürzester Zeit große Flächen Syriens vom IS befreit habe, damit, dass sich die türkische Armee auch an der Rückeroberung der IS-Hochburg Rakka beteiligen würde – vorausgesetzt, die Kurden dürfen nicht daran teilnehmen. Ankaras Verhältnis zu Moskau ist sicher nicht der einzige Faktor, der Washingtons Entscheidung in dieser Frage beeinflussen wird. Aber er ist einer, der sich kaum ignorieren lässt.

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