Doch als Innenminister fällt de Maizière zurzeit aus dieser Rolle heraus. Seit Beginn der Flüchtlingskrise überrascht der 61-Jährige regelmäßig durch plumpe und flapsige Bemerkungen, die man von ihm nicht kennt und die eines Ministers nicht würdig sind.
Das jüngste Beispiel ließ sich am Mittwoch beobachten. Auf einer Pressekonferenz sagte de Maizière: "Es kommen zunehmend Angehörige der afghanischen Mittelschicht. Wir sind uns einig mit der afghanischen Regierung: Das wollen wir nicht. Das Land hat viel Entwicklungshilfe bekommen. Da kann man auch erwarten, dass die Menschen dort bleiben." Ungeachtet der prekären Lage in weiten Teilen Afghanistans spricht de Maizière den Afghanen damit pauschal ihre Fluchtgründe ab. Die Botschaft lautet: Die Menschen aus solchen Ländern verdienen kein politisches Asyl. Sie sind undankbar und wissen nicht zu schätzen, dass Deutschland Entwicklungshilfe zahlt.
De Maizière weiß genau, was er sagt
Es ist nicht der erste Fall, bei dem de Maizières Äußerungen in diesem Zusammenhang irritieren. Mitte Oktober erklärte der Minister, 30 Prozent der Flüchtlinge gäben sich als Syrer aus, seien aber gar keine. Eine entsprechende Statistik konnte das Innenministerium daraufhin aber nicht vorlegen. Ohne jegliche Grundlage unterstellte de Maizière Flüchtlingen, sich unter Vortäuschen einer falschen Identität Zutritt zur Bundesrepublik zu verschaffen.
Schon Anfang Oktober hatte sich der Minister im ZDF offen über Flüchtlinge echauffiert: Sie streikten, weil ihnen die Unterkunft nicht gefalle, sie machten Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefalle und prügelten sich. "Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren." Wieder schürte de Maizière Ressentiments, indem er Erfahrungen mit einem kleinen Teil der Flüchtlinge pauschalisierte. Wieder gab er rechtsextremen Asylgegnern Futter und sprach, wie ein Minister es in einer derart ernsten Situation nicht tun sollte.
De Maizière weiß genau, was er sagt. Er weiß auch, wie groß die Aufmerksamkeit ist, wenn ein Bundesinnenminister spricht. Er ist lang genug in der Politik. Seit er mit 36 Jahren Staatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern wurde, war er immer Mitglied in einer Landes- oder Bundesregierung. Zugegeben: Die Flüchtlingskrise stellt de Maizière vor seine bisher größte politische Herausforderung, aber bei einem derart sensiblen Thema ist jegliche Polarisierung unangemessen. Dass der CDU-Politiker dies dennoch tut, bestätigt nur den Eindruck, dass die Situation ihn als zuständigen Minister überfordert. Thomas de Maizière überführt sich selbst, indem er die Ursache an seinem Versagen ausgerechnet auf die Flüchtlinge abschiebt.
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