Zwei-Kind-Politik

  30 Oktober 2015    Gelesen: 467
Zwei-Kind-Politik
Einem Bericht der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge hat die Kommunistische Partei Chinas auf ihrer gestrigen Zentralkomiteesitzung beschlossen, die 1979 eingeführte Ein-Kind-Politik weiter zu lockern und in eine Zwei-Kind-Politik umzuwandeln. Der Beschluss muss noch vom Volkskongress bestätigt werden, damit er wirksam wird.
Die Ein-Kind-Politik wurde in China lokal unterschiedlich über ein Mischsystem aus hohen Kompensationszahlungen an den Staat ("shehui fuyang fei") und Versorgungsanreizen durchgesetzt: Ein-Kind-Familien wurden bei der Gesundheitsversorgung, der Rente, beim Urlaub und bei der Wohnungsvergabe bevorzugt. Es gab allerdings Ausnahmen bei den "Maßnahmen zur Bevölkerungs- und Familienplanung": Mehr Kinder standen beispielsweise Angehörigen der über 50 ethnischen Minderheiten zu - dabei wurde differenziert, ob sie in Städten, auf dem Land oder in nicht entwickelten Gebieten lebten.

Andere Ausnahmen vom Ein-Kind-Grundsatz galten für Geschiedene. Zwillinge und Drillinge hatten für die Eltern ebenfalls keine Nachteile zur Folge. Dies führte dazu, dass Hormonbehandlungen gegen Unfruchtbarkeit, welche die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften deutlich erhöhen, auch von gesunden Frauen in Anspruch genommen wurden, weil diese so Kompensationszahlungen vermeiden wollten.

In den letzten Jahren war die Ein-Kind-Politik bereits mehrfach gelockert worden. 2013 wurde Paaren ein zweites Kind zugestanden, wenn einer der beiden Ehepartner ein Einzelkind war. Vorher griff diese Ausnahme nur dann, wenn sowohl der Mann als auch die Frau ohne Geschwister aufwuchsen (vgl. Leichte Lockerung der Ein-Kind-Politik).

Die dadurch erwartete Steigerung der Geburtenrate blieb allerdings aus: Beobachter vermuteten, dass dies unter anderem mit den relativ hohen Kosten zusammenhängt (vgl. Chinas erhoffter Baby-Boom findet nicht statt). Dieses Ausbleiben von mehr Geburten dürfte einer der Gründe für die jetzt erfolgte weitere Lockerung gewesen sein, die drei Jahre vor dem Termin erfolgt, an dem die Politik eigentlich zur Überprüfung angestanden hätte.

Anlass für die Einführung der Ein-Kind-Politik war eine Quasi-Verdoppelung der Bevölkerung in den 30 Jahren von 1950 bis 1980. Während der 1970er Jahre hatte man versucht, das Bevölkerungswachstum allein durch Propaganda zu begrenzen - damit gelang ein gewisser Rückgang der Geburtenrate, allerdings nur von durchschnittlich fast 6 auf knapp drei Kinder pro Familie. Danach propagierte Deng Xiaoping ein Anreiz- und Strafsystem, um den Teufelskreis aus Überbevölkerung und Unterentwicklung zu durchbrechen und Fortschritt durch bessere Bildung zu erreichen.

Durch die Ein-Kind-Politik wandelte sich die Haltung gegenüber Kindern tatsächlich: Den Einzelkindern wurde nicht nur mehr Fürsorge, sondern auch mehr Bildung zuteil - im eigenen Interesse der Eltern, die durch ein höheres Einkommen des Einzelkindes ihre Chancen auf Zuwendungen im Alter erhöhten. So konnte auch in traditionell bildungsfernen Schichten der Sprung aus dem Elend geschafft werden.

Als zweischneidiges Schwert erwiesen sich jedoch die zur Abschreckung eingeführten Nachteile für die Ausbildung, welche dafür sorgten, dass nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder benachteiligt wurden. Die großen sozialen Unterschiede im heutigen China wurden auch von Eltern verursacht: Arme Wanderarbeiter sind häufig Söhne von Bauern, die sich nicht an die Ein-Kind-Regelungen hielten; Programmierer, Ingenieure und Geschäftsfrauen in den Städten dagegen häufig Einzelkinder.

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