Eines kann Trump den amerikanischen Medien sicherlich nicht vorwerfen: Dass sie über seine kontroversen Anschuldigungen nicht ausgiebig berichten würden. Vor der dritten und letzten Fernsehdebatte, die am Mittwochabend Ortszeit in Las Vegas ausgetragen wird, beherrschen seine Bezichtigungen die innenpolitische Berichterstattung in den Vereinigten Staaten. Allerdings haben viele Journalisten durchaus Schwierigkeiten wiederzugeben, wen genau der 70-Jährige drei Wochen vor der Abstimmung am 8. November für die „manipulierte Wahl“ verantwortlich zu machen versucht. Das hängt vor allem damit zusammen, dass Trump täglich, ja fast stündlich neue Verschwörungstheorien präsentiert. Ob „die Medien“, „die Clinton-Kampagne“, „die Leute in den Wahllokalen“, ja sogar Rivalen in den republikanischen Reihen – angeblich basteln alle zusammen an einem „großen und wunderschönen Betrug“, wie Trump es selbst ausdrückt.
Viel Verschwörung, keine Belege
Überzeugende Belege für eine solche Verschwörung liefert er keine. Lose Verweise der Trump-Kampagne auf eine Studie des Pew-Forschungszentrums, wonach 24 Millionen Wählerregistrierungen fehlerhaft seien, belegen zwar eine vernachlässigte Registerführung, aber keinesfalls einen Wahlbetrug. Zwar gab es bei amerikanischen Präsidentschaftswahlen in der Vergangenheit immer wieder Unregelmäßigkeiten. Großangelegte Manipulationsversuche, wie es sie laut Trump auch in diesem Jahr angeblich geben soll, erwiesen sich unabhängigen Untersuchungen zufolge jedoch stets als Falschmeldungen. Mehr als wenige Einzelfälle kamen selbst in Staaten, in denen im Wahllokal keine Ausweispflicht besteht, nicht ans Licht. Eine ebenfalls vom Trump-Team verbreitete Studie, wonach bei den letzten beiden Abstimmungen viele Nicht-Staatsbürger mitgewählt haben sollen, wird von renommierten Politikwissenschaftlern wegen eines fragwürdigen Datensatzes nicht ernst genommen.
Nicht zuletzt angesichts dieser Tatsachen ist Trumps Vorwurf, von offizieller Seite werde bei der Registrierung von Wählern oder der Auszählung der Stimmen ein koordinierter Betrug im großen Stil vorbereitet, derart dünn, dass bis auf wenige Gefolgsleute wie New Yorks früherem Bürgermeister Rudy Giuliani („Tote wählen grundsätzlich Demokraten“) kaum ein führender Republikaner die Anschuldigungen unterschreiben will. „Ich bin für die Wahlen zuständig und kann Donald Trump versichern, dass diese nicht manipuliert sein werden“, meldete sich am Montag einmal mehr Ohios republikanischer Wahlbehörden-Leiter John Husted zu Wort, selbst ein bekennender Trump-Wähler.
Gegen solchen Furor hilft alles nichts
Es ist nicht die einzige Stimme dieser Art, aber sie findet bei Trump offenbar kein Gehör mehr. Genauso wenig wie der berechtige Einwand, dass Präsidentschaftswahlen nicht national, sondern auf Staatsebene organisiert werden und damit, sollte es wirklich eine Verschwörung geben, Republikaner und Demokraten diese gemeinsam ausgeheckt haben müssten. Es hilft alles nichts: In sozialen Netzwerken und anderen Foren versichern sich viele aufgepeitschte Trump-Anhänger bereits gegenseitig, dass sie das Ergebnis am 8. November, sollte der Wahlsieger nicht Trump heißen, keinesfalls akzeptieren würden. Der republikanische Rechtsanwalt Chris Ashby befürchtet, dass es „Unruhen“ geben könnte. „Natürlich gibt es einen großangelegten Wahlbetrug am und vor dem Wahltag“, bekräftigt Trump unterdessen seine Vorwürfe via Twitter. „Warum“, so fragt er in einer Wortwahl, die zahlreiche Beobachter als „paranoid“ beschreiben, sei die republikanische Führung „so naiv“ und leugne, „was da vor sich geht“?.
Als Trump am Montagabend in Green Bay im Bundesstaat Wisconsin vor seine Fans tritt, scheint er sich in der Präsentation seines Verschwörungsszenarios weniger auf angebliche Manipulationen des Wahlprozesses konzentrieren zu wollen als lieber wieder auf diejenigen Personen, die nicht darüber berichten. Nahezu alle Medien steckten mit dem politischen Gegner unter einer Decke, erklärt Trump, den Fernsehsender CNN bezeichnet er einmal mehr als „Clinton News Network“. „CNN sucks“, grölt daraufhin das Publikum, was sich auf Deutsch etwa mit „CNN ist Scheiße“ übersetzen lässt. Eine Enthüllung der Plattform Wikileaks, wonach im Rahmen einer Vorwahl-Debatte des Senders angeblich eine der geplanten Fragen vorab der Clinton-Kampagne verraten worden sei, nutzt Trump, um sich abermals als benachteiligter Außenseiter zu inszenieren: „Stellt euch mal vor, ich hätte Fragen vorab zugesteckt bekommen!“
Zehn Tage ist es jetzt her, dass ein neu veröffentlichtes Video Trumps Wahlkampagne schwer beschädigte, weil es ihn als vulgären Sexisten zeigte, der damit prahlte, sich, weil er ein Star sei, bei Frauen alles erlauben zu können. Die seitdem erhobenen Vorwürfe von insgesamt neun Frauen, die Trump beschuldigen, sie in der Vergangenheit begrapscht, bedrängt oder geküsst zu haben, seien allerdings frei erfunden, erklärt der republikanische Kandidat in Green Bay immer wütender. Die Wahl werde manipuliert, weil „korrupte“ Medien „völlig falsche Anschuldigungen und glatte Lügen“ verbreiteten, um Clinton zur Präsidentin zu machen.
Kleinste gemeinsame Anschuldigung
Trumps „Lügenpresse“-Vorwurf ist nicht neu, vielmehr ist er eine wiederentdeckte letzte Trumpf-Karte, mit der sich auch Republikaner, denen Trumps andere Anschuldigungen zu weit hergeholt sind, anfreunden können. Vize-Präsidentschaftskandidat Mike Pence etwa, der (anders als Trump) zuletzt betont hat, das Wahlergebnis im November auf jeden Fall akzeptieren zu wollen, springt seinem Kandidaten jetzt sofort zur Seite: „Ich habe keine Zweifel daran, dass die nationale Presse versucht, mit ihrer unausgewogenen Berichterstattung diese Wahl in Hillary Clintons Interesse zu beeinflussen.“ Die angebliche Fokussierung auf Trumps Skandale, während die WikiLeaks-Enthüllungen über Clinton größtenteils ignoriert würden, sei nicht weniger als ein „medialer Lynchmord“, so Newt Gingrich, einst republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses. Auch Alabamas Senator Jeff Sessions stößt ins gleiche Horn, gibt sich jedoch kämpferisch, dass es den Medien „nicht gelingen“ werde, die Wahl zu entscheiden. Dass Trumps Ehefrau Melania, die am Montag eines ihrer seltenen Fernsehinterviews gibt, in eine ähnliche Richtung argumentiert, ist ebenso wenig überraschend. Ob sie wirklich glaube, dass „die Medien und die Clintons zusammenarbeiten“, fragt Moderator Anderson Cooper nach. „Ja, natürlich“, gibt die Gattin zu Protokoll.
Neue Informationen über Trumps Zukunftspläne lassen dessen Medienschelte derweil in einem neuen Licht erscheinen. So verdichten sich möglicherweise die Anzeichen, dass der Milliardär nach einer verlorenen Wahl plant, selbst einen eigenen Fernsehsender an den Start zu bringen. Ein Bericht der „Financial Times“, wonach Trumps Schwiegersohn Jared Kushner bereits entsprechende Gespräche führe, könnte auf einen solchen Deal hindeuten, auch wenn viele Experten ein solches Unterfangen für wenig realistisch halten.
Es bleibt alles möglich bei Trump. Nur eines dürfte in jedem Fall ausgeschlossen sein: Dass Kandidaten-Imitator Alec Baldwin bei „Trump-TV“ auftreten wird.
Tags: