Viel Treibstoff im Tank der Populisten

  19 Oktober 2016    Gelesen: 565
Viel Treibstoff im Tank der Populisten
Vor dem dritten und letzten TV-Duell zwischen Clinton und Trump ist die Spannung groß: Bringt es schon eine Vorentscheidung? Doch gleich, wer am Ende zum Präsidenten gewählt wird: Die tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft wird bleiben.
Wenn Republikaner über die mögliche Nachfolgerin Barack Obamas reden, dann in der vermeintlichen Gewissheit, dass sie eine entsetzliche Präsidentin sein würde. Wenn Demokraten über den möglichen Nachfolger Obamas reden – was sie eigentlich für unmöglich und für eine Schande halten –, dann in einer Weise, als wäre das Ende Amerikas gekommen. Kurzum: Beide Seiten schenken sich nichts in Superlativen der Verdammnis. Man kann daraus schließen, dass die amerikanische Politik nichts von ihrem Gift verlieren wird, egal, wer dem scheidenden Präsidenten nachfolgen wird. Flitterwochen wird es nicht geben, jedenfalls keine, die Raum für größere politische Initiativen geben würden.

Wenn die Republikaner ihre gegenwärtig starke Stellung in beiden Kammern auch nur annähernd halten sollten, dann werden sie alles daran setzen, Clinton das Leben so schwer wie möglich zu machen; jedenfalls ist dies das Ergebnis aus Gesprächen mit Parteimitgliedern. Wenn die frühere Außenministerin und Senatorin als Siegerin aus einem Wahlkampf hervorgeht, in dem mit persönlicher Verunglimpfung und mit Vernichtungswut nicht gegeizt wurde, besonders nicht von ihrem Gegner, dann soll nach einer Amtszeit Schuss sein.

Das Hauptaugenmerk richten die Republikaner dabei vor allem auf das Oberste Gericht und die Möglichkeiten, die sich Clinton wahrscheinlich eröffnen würden, um für entstehende Vakanzen „linke“ Richter zu nominieren. Die Republikaner werden alles daran setzen, dies mit ihren Stimmen im Senat zu verhindern – Obstruktion als politisches Mittel der Wahl. Dabei sind es genau diese Obstruktion und dieser Stillstand, die so viele Wähler frustriert und gegen „Washington“ in Rage versetzt haben. Die Unzufriedenheit wird weiter wachsen. Das sind keine optimistisch stimmenden Aussichten.

Außenstehende fragen sich immer wieder, warum Hillary Clinton vom rechten Flügel der Republikanischen Partei, aber auch aus der Mitte, ein solcher Hass entgegenschlägt. Demokratische Politiker sehen sie als Hassobjekt eines „weißen Nationalismus“ und als „Kollateralopfer“ der Ablehnung des ersten schwarzen Präsidenten. Allerdings ist Hillary Clinton schon lange im politischen Geschäft; seit den frühen neunziger Jahren, als ihr Mann Bill Präsident war, ist sie umstritten – eine damals nichtgewählte ehrgeizige Politikerin, an der sich die Geister schieden. Das ist bis heute so geblieben, zumal ihre Amtszeit als Außenministerin weder glänzend noch frei von Affären war. Die Email-Affäre verfolgt sie bis heute.

Der Hass auf Clinton ist grenzenlos

Der Hass, der sich über Clinton entlädt, ist der Treibstoff, der Donald Trump in den Hauptkampf gebracht hat. Zu diesem Treibstoff gehören stagnierende Einkommen für die sich eingezwängt fühlende weiße Mittelklasse und also Ärger über die sich immer mehr verschärfende ungleiche Einkommensverteilung; die geringe Zahl neuer Arbeitsplätze für Leute mit geringem Bildungsniveau; Frustration (siehe oben) über das politische System. Was viele weiße Wähler überdies empfänglich macht für die Botschaft Trumps, „Amerika wieder groß zu machen“, sind die Verunsicherung wegen des soziokulturellen Wandels und der demographischen Veränderungen im Allgemeinen sowie das Infragestellen traditioneller Werte.

Es ist somit ziemlich viel Treibstoff im Tank des Populisten, ganz unabhängig davon, welches bedenkliche Charakterbild er abgibt. Übrigens ist auf der Linken der demokratischen Partei der Anti-System-Furor nicht geringer als auf der Rechten; anders wäre ja das gute Abschneiden des Sozialisten Bernie Sanders in den Vorwahlen nicht zu erklären.

Obamas Nachfolger oder Nachfolgerin erbt somit eine zerrissene Gesellschaft. Auf der Rechten sind die Wähler aufgepeitschte, die den tiefgreifenden Wandel im Lande als Bedrohung empfinden und die mit Trump eine andere Form von Wandel verbinden. Sollte es Hillary Clinton sein, wird sie auf innenpolitische Gegner treffen, die ihr das Regieren so schwer wie möglich machen werden, selbst wenn das „die Politik“ weiter delegitimiert.

Für die Politik bei uns enthält die verfahrene amerikanische Lage eine eindeutige Botschaft: Man darf nicht zusehen, wie die Frustration bei den Leuten steigt wie die Elbe bei Hochwasser. Diejenigen, die sich ausgegrenzt fühlen, könnten sich irgendwann rächen wollen.


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