Türkei will keinen Flüchtlingseinsatz mehr

  28 Oktober 2016    Gelesen: 525
Türkei will keinen Flüchtlingseinsatz mehr
Seit März stationiert die Nato in der Ägäis Kräfte, um den Flüchtlingsandrang einzudämmen. Nun erklärt der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik, er will den Einsatz nicht länger. Stattdessen solle die EU endlich ihren Teil der Abmachung einhalten.
Die Türkei sperrt sich gegen eine Fortsetzung des Nato-Flüchtlingseinsatzes in der Ägäis über den Jahreswechsel hinaus. "Es war eine vorübergehende Mission, die ihr Ziel erreicht hat - eine weitere Verlängerung ist nicht nötig", sagte der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik am Rande eines Treffens mit seinen Nato-Kollegen dem Fernsehsender TRT.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen warb dagegen für eine Fortsetzung des Einsatzes, der seit seinem Beginn im März unter deutscher Führung steht und helfen soll, das Übersetzen von Migranten von der Türkei nach Griechenland zu verhindern. Die Lage in der Ägäis habe für Deutschland in dieser fragilen Situation Priorität, sagte die Ministerin in Brüssel.

Der türkische Verteidigungsminister Isik erklärte, er habe die Position seines Landes bei dem Treffen deutlich gemacht. "Egal, ob der Nato-Verband da ist oder nicht, werden wir unseren Kampf gegen den Flüchtlingsstrom fortsetzen", sagte er. "Wir erwarten aber auch, dass die EU ihren Teil der Abmachung einhält". Dies geschehe bisher nicht.

Für von der Leyen ist Zukunft des Einsatzes offen

Die EU hat der Türkei im Gegenzug für ihre Hilfe in der Flüchtlingskrise Milliarden für die Unterbringung der Flüchtlinge und Visa-Freiheit zugesagt. Für die Bundesregierung ist die Zukunft des Ägäis-Einsatzes nach dem Jahreswechsel offen. "Wir werden dann weiter schauen", erklärte von der Leyen. In den ersten drei Monaten 2016 seien noch durchschnittlich 45.000 Flüchtlinge über die Türkei in Griechenland angekommen, inzwischen sei diese Zahl auf monatlich 2500 gesunken. Einen wesentlichen Einfluss hatte allerdings auch die Sperrung der Balkanroute im Frühjahr.

Die Nato-Verteidigungsminister hatten am Mittwoch die weniger strittige Verlängerung des Einsatzes bis Jahresende beschlossen. Der Jahreswechsel ist deshalb ein kritischer Zeitpunkt, weil dann die Führung eines Einsatzes wechselt. Derzeit führt ein deutscher Kommandeur die Mission von einem niederländischen Kriegsschiff aus.

Aufgabe der Nato-Schiffe in der Ägäis ist es, ablegende Flüchtlingsboote der türkischen Küstenwache zu melden, damit diese sie stoppt. Experten gehen allerdings davon aus, dass die Türkei den Strom der Flüchtlinge mit ihrer großen Küstenwache auch alleine hätte kappen können. Kompliziert wird die Lage durch die Feindschaft zwischen der Türkei und Griechenland. Zudem sind einige Inseln und Gewässer in der Ägäis zwischen den Ländern umstritten.

Stoltenberg verteidigt Einsatz

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wich Fragen nach der türkischen Kritik aus, verteidigte aber den Einsatz. Die Nato-Schiffe seien in der Lage, die Boote der Migranten viel rascher zu entdecken als die Küstenwachen der Türkei und Griechenlands. Die Zahl der illegalen Einreisen sei stark zurückgegangen.

Mit Blick auf die Flüchtlingsroute von Libyen über das Mittelmeer nach Italien beschloss die Nato, den EU-Einsatz "Sophia" zur Rettung von Migranten aus Seenot zu unterstützen. Man werde die EU künftig mit Lageinformationen versorgen und ihr auch logistisch, etwa beim Betanken ihrer Schiffe vor der libyschen Küste, helfen, kündigte Stoltenberg an. Auch von der Leyen warb für die Kooperation: "Es ist ein Mittelmeer, und im Mittelmeer haben wir ein großes Thema - nämlich Waffenschmuggel und organisierte Kriminalität, Schleuser und Schlepper, die Migranten auf die lebensgefährliche Route schicken", sagte sie.

Die Nato betreibt im Mittelmeer seit kurzem einen eigenen Einsatz zur Seeraumüberwachung namens "Sea Guardian", für den im November erstmals Schiffe und Seefernaufklärungs-Flugzeuge in der Region unterwegs sein sollen. Später will die Nato entscheiden, ob sie die EU auch bei der Durchsetzung des UN-Waffenembargos gegen Libyen unterstützen und verdächtige Schiffe zur weiteren Durchsuchung in Häfen eskortieren wird. Als Teil der EU-Einsatzes "Sophia" lief unterdessen die Ausbildung von Soldaten der libyschen Küstenwache auf hoher See an, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist.

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