Angela Merkel unterwegs in China

  31 Oktober 2015    Gelesen: 833
Angela Merkel unterwegs in China
Zweieinhalb Tage China. Zweieinhalb Tage Ruhe und schöne Bilder. Könnte man meinen. Doch die Bundeskanzlerin wird selbst 8.000 Kilometer von dem trüben Berliner Koalitionsalltag entfernt von der Krise verfolgt. Ein Bericht über einen hartnäckigen Reisebegleiter.
Zwei Fragen waren vereinbart. Nach der ersten dreht sich die Bundeskanzlerin um und wünscht allen einen guten Tag. Auf den leisen Protest der versammelten Journalistenrunde hin sagt sie: "Sie haben zu lange gezögert." Vor allem hatte es ein Kollege zuvor gewagt, mitten in diesem mustergültigen chinesischen Vorzeigedorf nach dem Koalitionskrach wegen der Flüchtlingskrise zu fragen. Offenbar, aus Kanzlerinnensicht, ein Affront.

China hat 1,4 Milliarden Einwohner. Da sind eine Million Flüchtlinge natürlich eine zu vernachlässigende Größe. Vor allem, wenn man durch Hefei fährt, einer 7,4-Millionen-Metropole in der Provinz Anhui. Vor zehn Jahren stand in der ehemals als rückständig geltenden Gegend noch kein einziges Hochhaus. Jetzt reihen sich 35stöckige Wohnburgen zu Dutzenden an der teerfrischen Autobahn aneinander. Die meisten dieser Monstersilos sind noch nicht einmal bezogen, und schon befinden sich die nächsten im Bau. Und da soll die Flüchtlingsfrage an Unterkünften scheitern?

Die Reise Merkels scheitert nicht. Alles ist prächtig arrangiert. Selbst das Wetter spielt mit. "Merkel-Blue" heißt das, bei fast jeder China-Tour der Kanzlerin wird zuverlässig der dicke Smog durchbrochen. In Peking darf die deutsche Wirtschaft milliardenschwere Verträge einsacken. An der Universität zu Hefei wird die Kanzlerin wie ein Popstar begrüßt. Und im Musterdorf Shen Fu steht die komplette Dorfbevölkerung Spalier.

Merkel macht Witze

Dumm nur, dass die Flüchtlingskrise im fernen Europa andauernd mitgedacht wird. Wie bei den Fotos. Jeder Chinese besitzt offenbar ein Smartphone und zielt munter auf die Kanzlerin. Und die macht gerne mit. "Hoffentlich haben die Selfies keine Nebenwirkungen", kalauern Beobachter. "Wenn die auch noch alle kommen."

In dem 2000-Seelen-Ort ist es jedenfalls umgekehrt. Die Deutschen fallen ein. Ausnahmezustand. Beim Rundgang in der Grundschule erlaubt sich auch die Kanzlerin einen Witz. "3 + 1 = 5", schreibt sie an die Tafel. Die Erstklässler lächeln leicht verlegen. Von den besonderen Humorqualitäten der deutschen Bundeskanzlerin haben sie noch nichts gehört. Man ahnt, Merkel hätte Talent zur Grundschullehrerin.

Noch ist sie allerdings als Bundeskanzlerin voll ausgelastet. Und voll engagiert. In der Flüchtlingsfrage zeigt sie sich als konsequente Überzeugungstäterin: Am offenen Kurs wird grundsätzlich festgehalten. Stattdessen sind viele kleine Schritte geplant, die im Ergebnis die große Lösung bringen sollen. Merkel pur. Passend, dass die chinesische Regierung ihre Unterstützung signalisiert. Merkel ist im Land der Mitte nicht nur beliebt, sondern gilt als mächtigste Politikerin Europas. Und das soll aus chinesischer Sicht bitte auch so bleiben.

Das kleine Scharmützel mit der Presse ist deshalb kaum der Rede wert. Die Antwort ohnehin ausweichend, in dieser Politikdisziplin ist Merkel nicht zu toppen. Aber sie zeigt Nerven. An diesem schönen Tag in China.

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