Vollpension für Jung und Alt

  12 November 2016    Gelesen: 586
Vollpension für Jung und Alt
Ein Reizhusten nach einem trockenen Kuchenstück war der Beginn einer wunderbaren Wiener Geschichte. In der "Vollpension" werden die besten Kuchen serviert, gratis gewürzt mit Anekdoten, unter anderem über einen nackerten Rolling Stone.
Eine Oma zu haben, ist was fürs Gemüt: Da ist Wärme und Geborgenheit und immer jemand, der Zeit zum Zuhören und Trösten hat, dessen Streicheleinheiten mit aromatischen Küchengerüchen daherkommen und in süßer Wonne gipfeln: Kuchen! Eine Oma zu sein, ist was für Herz: Man gibt alles, was man hat an Liebe und Zeit, weiß all die Fehler zu vermeiden, die man als junge Mutter womöglich noch machte, erzählt Geschichten über die ersten Schmetterlinge im Bauch und den Trennungsschmerz und kennt das beste Trostpflaster für kleine und große Schrammen: Kuchen! All die Familien, die eine Oma als feste Größe in ihrem Bestand haben, sind zu beneiden. Was aber macht eine Oma mit all ihrer in Kuchen gebackenen Zuwendung, wenn Kinder und Kindeskinder längst ihrer Wege gehen? Wohin mit der Liebe und der Zeit?

In Wien hatten 2012 zwei hippe Startupper die Idee des Jahrhunderts gehabt. Michael "Mike" Lanner und Moriz Piffl waren zu jener Zeit bereits szenebekannt wie bunte Hunde, und zwar als die "Gebrüder Stitch" mit ihren maßgeschneiderten Öko-Jeans. Dem Vernehmen nach war es irgendein staubtrockener Kuchen, der die beiden jungen Männer zu Husten und diversen Überlegungen reizte. Gedanklich starteten sie ein Kaffeehaus für Oma-Vermissende mitten in Wien und sozusagen über Nacht entstand der Name: "Vollpension". Was ursprünglich nur als einwöchiges Pop-up während der Vienna Design Week im Herbst 2012 geplant war, entwickelte ein Eigenleben. Omas und Opas meldeten sich auf Jobanzeigen hin und 2014 stieg die Vollpension in einen alten VW-Bus samt Anhänger, um mit diesem mobilen Kaffeehaus quer durch Österreich zu touren. Inzwischen wurde eine GmbH gegründet und eine permanente Heimat gefunden: 2015 kriegte die Oma einen Wohnsitz in der Schleifmühlgasse 16, nicht weit vom Naschmarkt.

Über die Geschichte dieser ungewöhnlichen Vollpension, in der Jung und Alt Hand in Hand zusammenarbeiten und wo es neben leckerem Kuchen ein paar Lebensweisheiten von der Oma gratis dazugibt, erzählen Martin Mühl und Julia Preinerstorfer in dem Buch "Vollpension/Kuchen von der Oma", das jetzt im Pichler Verlag erschienen ist. "Omaflair mit WELAN", wird Dolores Schmidinger, Schauspielerin und Vollpension-Wegbegleiterin, zitiert: "Die originelle Mischung mit dem Hintergedanken, die weltanschauliche Lücke zwischen Hipstern und Grauen Panthern zu schließen. Man kann es retro nennen oder eines der innovativsten Projekte." Und noch etwas macht die Vollpension einzigartig – und vor allem in ihrer Idee nachahmenswert: Sie zeigt, wie ein erfolgreiches Geschäftskonzept mit einer sozialen Mission Hand in Hand gehen kann. Die Vollpension schafft Arbeitsplätze und ein soziales Umfeld für Ältere und leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass diese Thematik sichtbar gemacht und darüber gesprochen wird. Ältere Menschen mit Mindestpension zählen in Österreich genauso wie Mindestrentner in Deutschland zu einer der höchsten Risikogruppen für Armut. "Über ein Viertel aller alleinstehenden PensionistInnen waren im Jahr 2015 in Österreich arm oder armutsgefährdet", heißt es in dem Buch von Mühl und Preinerstorfer. "Ich bin davon überzeugt, dass wir eine andere, neue Form des Wirtschaftens brauchen, mit mehr Menschlichkeit und sozialem Gewissen", sagt Vollpension-Geschäftsführerin Hannah Lux.

Süße Kuchen mit süßen Anekdoten

Österreichweit sorgt die Vollpension für Begeisterung. Das weiß ja schließlich jedes Kind: Die besten Mehlspeisen kommen aus der Alpenrepublik und die allerbesten von österreichischen Großmüttern! Nun lassen sich die traumhaften Kuchen, die die Bäckerinnen in dem Vollpension-Kaffeehaus kredenzen, auch zu Hause nachbacken. Die Fotos steuerte Mark Glassner bei und für die Illustrationen sorgte Harald Lustinger, dessen Oma-Kopf das Logo der Vollpension ist. Natürlich wären die niedergeschriebenen Lebensgeschichten der Vollpensionistinnen unvollkommen ohne Rezepte, die von Ameisengugelhupf bis Zucchinikuchen reichen. Und die Rezepte ihrerseits wären nur Backanweisungen, würden die Bekenntnisse von Beata, Charlotte, Christine, Elisabeth, Judith, Krystyna, Lena, Linde, Maria und Zora fehlen. "Jedes Porträt, jede Oma ist anders", heißt es im Vorwort. "Aber ihnen allen ist gemein, dass die Vollpension ihr Leben bereichert. Und sie die Vollpension bereichern."

Es sind höchst unterschiedliche Leben, wie wir sie alle kennen: Geburten und Tod, Heiraten und Scheidungen, Liebe und Hass, Lebensfreude und Enttäuschungen, Bewahrenswertes und so einiges, was man lieber vergisst. Eierlikörkuchen und Sachertorte, Honigcreme- und Mandelschnitten werden mit teils lustigen, teils nachdenklich stimmenden Anekdoten garniert: Charlotte, die in ihrer Zeit als Zimmermädchen im Hotel "Sacher" Orson Welles das Mascherl (Fliege) band, Curd Jürgens beim Anziehen half und Hillary Clinton die Hand schüttelte, berichtet über ihre "Begegnung" mit einem Rolling Stone im Hotelzimmer. Der lag nackig im Bett, wie tot, und Charlotte hat nur überprüft, ob er noch atmete – ehrlich! Oma Judith lebte auf vier Kontinenten, sagt von sich: "Männer sind ein wichtiger Teil meines Lebens" und hat vor drei Jahren begonnen, ihre Geschichten aufzuschreiben. Beata fasste mit Mitte 50 innerhalb weniger Minuten den Entschluss, eine Weltreise anzutreten. Die dauerte dann ein Jahr. Christine war mal Hippie und studierte Schauspiel und Gesang. Über die Vollpension, die heute ihre Bühne ist, sagt sie: "Sie erdet mich." Dort stehen ihre Lesungen wie ihre veganen Kuchen hoch im Kurs. Oder die in Schweden geborene Lena mit ihrer Kindheit wie in Bullerbü, die einen Moslem aus dem Iran heiratete. Linde, die in einer "Kommune" lebte und Fernsehen verabscheut. Maria, die 19 Marathons in ganz Europa lief. Zora, die aus einer Grafenfamilie stammt und sich in der Slowakei kleine Siege erkämpfen musste, bis sie mit ihrem Mann nach Österreich zog. Das lesenswerte Zusammenspiel zwischen Lebensgeschichten und angesagten Kuchen macht den Kultcharakter der "Vollpension" aus. Die Hardcover-Ausgabe ist im Oktober 2016 im Pichler Verlag erschienen, hat 160 Seiten und kostet 24,90 Euro.

Es fiel mir schwer, aus der Rezeptvielfalt eines für Sie auszusuchen. Bis ich jene Torte entdeckte, die mich seit der österreichischen Antwort auf "Desperate Housewives" brennend interessiert. "Wo Kuchen ist, da ist auch Hoffnung", sagt in der TV-Serie "Vorstadtweiber" die Malakoff-Expertin Maria. Mit der biederen und auf ihren Vorteil bedachten Maria aus dem Wiener Nobelbezirk hat die bodenständige und sportliche Maria aus der Vollpension zum Glück nix am Hut, nur eben die Malakofftorte. Dieser süße Angriff auf unsere Hüften verdankt seinen Namen dem französischen General Aimable-Jean-Jacques Pélissier, der nach der Eroberung der russischen Festungsanlagen Malakow im Krimkrieg 1855 von Kaiser Napoleon III. zum Duc de Malakoff (Herzog von Malakow) ernannt wurde. Speziell für ihn wurde die Malakofftorte kreiert, die im Grunde eine Charlotte ist.

Oma Marias Malakofftorte (aus der Wiener "Vollpension")

Zubereitung:

Die Eidotter mit der zimmerwarmen Butter und dem Zucker schaumig rühren. Die geriebenen Mandeln und das flüssige Schlagobers dazumischen und so lange rühren, bis eine cremige Masse entsteht.

Eine Tortenspringform mit Backpapier auslegen.

Die Biskotten im Kaffee kurz wenden und dann den Boden der Form kreisförmig damit auslegen. Die eingeweichten Biskotten gut mit einer Schicht Creme bedecken. So lange wiederholen, bis die Creme aufgebraucht ist und die Biskotten die oberste Schicht der Torte bilden.

Die Torte vorsichtig mit einer Folie bedecken und gekühlt mindestens 6 Stunden ziehen lassen. Danach vorsichtig aus der Form lösen und mit dem geschlagenen Schlagobers bestreichen.

Die Schokolade im Wasserbad schmelzen und die Biskotten zur Hälfte in die geschmolzene Schokolade tunken. Die Schokolade kurz antrocknen lassen und dann mit den Schokobiskotten die oberste Schichte der Torte verzieren.

Omas Backtipp: Wer den Kaffeegeschmack nicht mag, kann zum Aufweichen der Biskotten auch Milch verwenden.

Viel Vergnügen beim Lesen und Genießen wünscht Ihnen Heidi Driesner.

Quelle: n-tv.de

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