Die grüne Merkel

  21 November 2016    Gelesen: 562
Die grüne Merkel
Bruchlinien in der Union: Je grüner die CDU unter Merkel wird, desto größer wird die Not der CSU. Welche Auswirkungen hat das auf den kommenden Wahlkampf? Ein Kommentar.
Nach bald zwölf Jahren Angela Merkel können sich viele Deutsche nur noch schwer einen anderen Bundeskanzler vorstellen. Zwar gibt es Leute, für die sie nicht alternativlos ist. Doch in Umfragen möchte die Mehrheit das Land weiter von ihr geführt sehen. Lange zögerte Merkel ihre Entscheidung hinaus. Nach dem Paukenschlag in Amerika war das nicht mehr möglich. Nun gilt die Parteivorsitzende der Christdemokraten sogar in New York als „letzte Verteidigerin des liberalen Westens“. Das sind jene Kreise, die voller Begeisterung für die (sozial)demokratische Führung Amerikas waren, denen Globalisierung und Migration nicht schnell genug gehen konnten, was die Umverteilung nach oben beschleunigte – und die sich jetzt über den Willen der amerikanischen Wähler empören.

Zwar kommt vom außenpolitischen Glanz Angela Merkels in den Niederungen deutscher Innenpolitik nur wenig an. Die schönen Bilder vom Abschiedsbesuch des amerikanischen Präsidenten kann sie nicht bis zur Wahl konservieren. Doch hilft ihre internationale Erfahrung in einer Zeit, in der die Welt aus den Fugen gerät und in der sich die Menschen nach Sicherheit sehnen. Allerdings hat Merkels Flüchtlingspolitik durch den zeitweisen Kontrollverlust an den Grenzen den Markenkern der CDU als (ehemaligen) Garanten für innere und äußere Sicherheit erschüttert. Bis heute trägt der fehlende Wille oder die Unfähigkeit, abgelehnte Asylbewerber wieder nach Hause zu schicken, zum Eindruck allgemeiner Verunsicherung bei, so wie auch die Ohnmacht des Staates gegenüber osteuropäischen Diebesbanden.

Merkels Niederlage im Ringen mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel beim ausschließlich parteitaktisch motivierten Auskungeln des nächsten Bundespräsidenten wird noch länger nachwirken, nicht nur wegen der Frage, mit welchem Kanzlerkandidaten die Sozialdemokraten ihrerseits in den Wahlkampf ziehen wollen. Viel wichtiger für die Zukunft der Union ist, ob sich die Bruchlinien zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU noch kitten lassen. Merkel wollte gegen den ausdrücklichen Willen der CSU ein grünes Staatsoberhaupt durchsetzen. Nur die peinliche Absage ihrer Kandidatin verhinderte das. Wenn man so mit der „Schwester“ umgeht, deren Vormachtstellung in Bayern durch das Aufkommen der AfD auf Dauer bedroht ist, wird die CSU überlegen müssen, ob sie künftig andere Wege geht.

Merkel rückt Richtung grün - und bringt sich in Erklärungsnot

Eine Woche nachdem die Grünen beschlossen haben, eine „Vermögensteuer für Superreiche“ einzuführen und alle Sanktionen für Empfänger von Hartz-IV-Leistungen abschaffen zu wollen, offenbarte Angela Merkel, dass sie in der angestrebten vierten Amtszeit als Kanzlerin am liebsten eine schwarz-grüne Regierung führen möchte. Es dürfte ihr in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten schwerfallen, den Leuten zu erklären, warum jemand, der arbeitslos wird und sein Leben lang in die deutschen Sozialkassen eingezahlt hat, nach einem Jahr nicht mehr bekommt als ein Migrant, dem es gelungen ist, die deutsche Grenze zu überschreiten.

Wirtschaftspolitisch hat Merkel bislang nur geerntet, was ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) mit der Agenda 2010 gesät hatte. Obwohl Merkel etwa mit der Frührente einige dieser Reformen zurückdrehte, geht es Deutschland wirtschaftlich besser als den meisten Nachbarn. Dazu trugen die maßvollen Tarifabschlüsse in den Finanzkrisenjahren durch die Gewerkschaften mehr bei als die Politik, die sich auf zusätzliche Regulierungen und das Ausgeben von Steuermehreinnahmen konzentrierte. Den größten Schub bekam die deutsche Exportwirtschaft aber durch den Euroabwertungswettlauf der Europäischen Zentralbank. Indem Angela Merkel den EZB-Präsidenten Mario Draghi gewähren ließ („whatever it takes“), wurde nicht nur Griechenlands Schuldenkrise mit Geld zugeschüttet, sondern auch der deutsche Schuldendienst durch den Nullzins extrem entlastet.

Wer weiß, vielleicht muss Merkel sich in ihrer vierten Amtszeit wieder mit der Euro-Krise auseinandersetzen? Denn unter dem scheinbar ruhigen See aus Notenbankbillionen schwelt diese Krise weiter. In Italien könnte sie wieder aufbrechen, in Griechenland sowieso, aber auch in Frankreich oder den Niederlanden wird gewählt. Wenn der neue amerikanische Präsident macht, was er angekündigt hat, werden die Europäer viel mehr Geld für ihre Sicherheit ausgeben müssen, vor allem aber dürften durch ein großes Infrastrukturprogramm nicht nur in Amerika die Zinsen steigen, was das Kartenhaus der „Euro-Rettung“ zum Einsturz bringen könnte.

Im nächsten Bundestag dürften mehr Parteien vertreten sein als jemals zuvor. Ob es da für eine schwarz-grüne Mehrheit reicht? Doch bis dahin dürfte Merkel die CDU noch grüner machen. In der Flüchtlings- und in der Energiepolitik ist man sich schon ganz nah. Manche in der SPD sehen in der eigenen Vergrünung den Grund für die Schrumpfung der ehemals großen Arbeiterpartei. Eine Kopie dieser Strategie könnte Merkel zwar den Machterhalt sichern, aber was folgt auf eine Vergrünung der CDU? Droht dann ebenfalls die Verzwergung, weil sich dort dann immer mehr Bürgerliche immer weniger zu Hause fühlen?


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