Koalition und Länderchefs beraten über Flüchtlingspolitik

  05 November 2015    Gelesen: 493
Koalition und Länderchefs beraten über Flüchtlingspolitik
Nach wochenlangem Streit will die Berliner Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD heute eine Einigung über die nächsten Schritte in der Flüchtlingspolitik erzielen. Zunächst treffen sich die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) zu Beratungen im kleinen Kreis im Kanzleramt. Am späteren Nachmittag werden dann die Ministerpräsidenten der Länder bei der Kanzlerin erwartet, auch hier geht es um das weitere Management der Flüchtlingskrise. Die Zahl der Gewalttaten gegenüber Flüchtlingen stieg zuletzt stark an.
Union und SPD hatten zuletzt signalisiert, dass sie heute eine Lösung im Streit um die Einrichtung von Transitzonen für Flüchtlinge erwarten. Die Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht (SPD) sagte im ARD-"Morgenmagazin", sie sei "optimistisch, dass wir eine Lösung finden". Letztlich gehe es lediglich darum, "dass das, was längst beschlossen ist, viel zügiger umgesetzt wird" - "die Erfassung, die Registrierung, die Entscheidung und auch die Abschiebung".

In diesem Jahr seien bereits 104 Gewalttaten gegen Asylheime registriert worden, darunter 53 Brandstiftungen, berichtet unterdessen die "Welt" unter Berufung auf das Bundeskriminalamt (BKA). Im gesamten Jahr 2014 seien 28 Gewalttaten verzeichnet worden. Die Zahl der Straftaten gegen Asylunterkünfte, wozu auch Propagandadelikte und Fälle von Volksverhetzung zählen, wurde demnach mit 637 angegeben - mehr als dreimal so viel wie im vergangenen Jahr. Allein im dritten Quartal 2015 seien es 303 Straftaten gewesen.

Betreiber von Flüchtlingsunterkünften äußerten sich dem Bericht zufolge alarmiert. "Wir erleben gerade die schlimmste Welle von rassistischer und rechtsextremer Gewalt seit zwanzig Jahren", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie der "Welt". Inzwischen richteten sich die Anschläge auch gegen bewohnte Unterkünfte. "Hier sind vergleichbar den Bannmeilen Schutzzonen um gefährdete Unterkünfte sinnvoll und notwendig", sagte Lilie.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte von der Bundesregierung mehr Anstrengungen zur Integration von Flüchtlingen. "Wir brauchen ein Programm, wie wir es in Ostdeutschland vor 20 bis 25 Jahren hatten", sagte Woidke am Donnerstag im rbb-inforadio. Nötig sei "ein Qualifizierungsprogramm für die Menschen, die zu uns kommen" - ein Beschäftigungsprogramm.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mahnte vor dem Treffen eine Einigung in der Flüchtlingspolitik an. Die Bevölkerung schaue sehr aufmerksam hin, ob die Politik ergebnisorientiert arbeite, oder ob sie sich überwiegend mit sich selbst auseinandersetze. "Deswegen hoffe ich sehr, dass es auch insbesondere auf Seiten der Union die notwendige Kompromissbereitschaft gibt", sagte er im Bayerischen Rundfunk. Die Schnittmenge liege in der gemeinsamen Absicht, erst einmal wieder Ordnung in das Asylverfahren hineinzubringen.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt schlug ein "Stufenverfahren" zur Einführung der umstrittenen Transitzonen für Flüchtlinge vor. Es sei möglich, "zunächst mit einer Gruppe - wie den Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten - zu beginnen", sagte Hasselfeldt der Zeitung "Die Welt". Sie hielt außerdem an der Forderung nach einer Aufenthaltspflicht fest. Für die Dauer ihres Asylverfahrens müssten die Flüchtlinge in den Transitzonen "präsent" sein, sonst machten diese "keinen Sinn", sagte sie der "Welt".

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte Union und SPD vor dem Flüchtlingsgipfel vor "faulen Kompromissen" auf Kosten der betroffenen Menschen. "Schutzsuchende müssen den Zugang zu einem regulären Asylverfahren haben", verlangte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt in Frankfurt. Scharfe Kritik übte er in diesem Zusammenhang an den Plänen für Transitzonen an den Grenzen.

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