Europas Supervulkan rumort

  27 Dezember 2016    Gelesen: 1231
Europas Supervulkan rumort
Der Boden hebt sich und zittert, Gase strömen heraus - der Supervulkan Phlegräische Felder in Italien wird unruhig. Steht ein Ausbruch bevor?
Den italienischen Vulkan Vesuv südöstlich von Neapel kennt jeder - weniger bekannt ist, dass in der Nähe ein noch gefährlicherer Gigant die Metropolregion bedroht: der Supervulkan Phlegräische ("Brennende") Felder.

Kein Vulkankegel verrät, dass westlich von Neapel riesige Mengen Magma im Untergrund brodeln. Beim letzten großen Ausbruch vor 39.000 Jahren stürzte die Erdkruste ein, nachdem sich die riesige Magmakammer entleert hatte. Zurück blieb ein zwölf Kilometer breiter Krater, die sogenannte Caldera.

Angesichts von 1,5 Millionen Menschen in der näheren Umgebung handele es sich um "das gefährlichste Vulkangebiet der Welt", erklären italienische Geologen. Eine große Eruption könne "weite Teile Europas" unter einer dicken Ascheschicht begraben, sagt Agust Gudmundsson von der University of London.

Tsunamis im Mittelmeer

Ein erneuter Ausbruch wie vor 39.000 Jahren hätte unvorstellbare Folgen: Neapel wäre verwüstet, Tsunamis würden übers Mittelmeer rasen, Europa würde von Asche überzogen; ein grauer Schleier am Himmel würde die Sonne verdunkeln und das Weltklima auf Jahre hinaus kühlen.

Solch ein Inferno ist selten, häufiger sind kleine Ausbrüche der Phlegräischen Felder, die Anwohnern aber ebenfalls gefährlich werden können. Zuletzt spuckte der Vulkan 1538 Lava und Asche; 24 Menschen sollen damals gestorben sein.

Wann ist es wieder soweit? Bereits vor vier Jahren hat der italienische Zivilschutz die Warnstufe erhöht - auf "Wachsamkeit". Neue Daten geben Anlass zur Sorge.

Alarmzeichen

Die Phlegräischen Felder sind eine gespenstische Landschaft. Aus gelbbraunen Hügeln wehen schweflige Dämpfe, die nach faulen Eiern riechen. Mancherorts schießen Fontänen heißen Wassers aus der Erde.

In letzter Zeit hat sich jedoch immer mehr Kohlenmonoxid in die heißen Quellen gemischt, sein Anteil hat sich vervierfacht - ein Alarmzeichen: Das Gas könnte ein Hinweis darauf sein, dass Magma aufsteige, berichten Forscher um Giovanni Chiodini vom Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia INGV in Italien im Magazin "Nature Communications".

Außerdem seien die Wasserdampffontänen heißer geworden, ihre Temperatur ist von 230 Grad in den Neunzigerjahren auf mehr als 300 Grad gestiegen - was ebenfalls einen Lavaausbruch ankündigen könnte, meinen die Forscher. Dafür spreche auch zunehmende Unruhe im Untergrund: Der Boden hebt sich, und er zittert vermehrt.

Mittlerweile sei genügend Magma in den Untergrund gedrungen, sodass kleinere Eruptionen drohten, berichteten Forscher bereits 2012 im Fachmagazin "Geology". Ob wirklich ein Ausbruch bevorsteht, lässt sich dennoch nicht eindeutig feststellen.

Ein Auf und Ab ist normal in der Gegend. Die Stadt Pozzuoli liegt im Brennpunkt der Bodenbewegungen.

Auf ihrem Marktplatz zeugen Muschelspuren an alten römischen Säulen davon, dass sich die Stadt einst soweit gesenkt hatte, dass das Meer vorgedrungen war. Später hob sich der Boden wieder - so, als ob ein Riese im Untergrund atmen würde.

Anfang der Siebziger- und Mitte der Achtzigerjahre hob sich der Boden gar um mehr als drei Meter, das Zittern der Erde veranlasste die Regierung, Bewohner für Monate umzusiedeln. Indes: Ein Ausbruch blieb aus.

Neue Ausbruchsphase

Anhand der Eruptionsgeschichte der Phlegräischen Felder haben Forscher nun kalkuliert, wann es passieren könnte. Eine Gruppe um Andrea Bevilacqua vom nationalen Vulkanforschungsinstitut hat sozusagen den Lebensrhythmus des Supervulkans untersucht und dabei drei Phasen erhöhter Aktivität in den vergangenen 15.000 Jahren festgestellt.

In allen drei Phasen häuften sich Ausbrüche zu bestimmten Zeiten, die Forscher sprechen von Clustern. Vor allem im Osten der Caldera nahe Neapel gab es Eruptionen.

Unter der Voraussetzung, dass 1538 eine neue Ausbruchsphase begonnen habe, sei eine nächste Eruption am ehesten in den kommenden hundert Jahren zu erwarten, schreiben die Gelehrten im Fachblatt "Journal of Geophysical Research". Frühestens könnte der Vulkan in vier Jahren ausbrechen, aber auch erst in 500 Jahren; genauere Prognosen erlaube auch ihr Modell nicht.

Zwei Dutzend Supervulkane weltweit

Die Anwohner müssen also weiterhin auf örtliche Signale achten. Erst wenn sich Erdbeben, Gasausstoß und Bodenhebung deutlich verstärken, könnte es losgehen.

Auch andernorts wären Megaeruptionen möglich. Etwa zwei Dutzend Supervulkane schlummern unter den Kontinenten, die meisten in Asien und Ozeanien. Dort brachte ein Ausbruch des Toba die Menschheit einst womöglich an den Rand des Aussterbens:

Als Supervulkane werden Vulkane bezeichnet, die mit einer einzigen Eruption mehr als tausendmal so viel Material ausspucken können wie der Mount St. Helens in den USA 1980 bei der drittgrößten Vulkaneruption des 20. Jahrhunderts. Der bekannteste Supervulkan ist der Yellowstone in den USA:

Quelle : spiegel.de

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