Digitaler Schneider kreiert Mode

  09 Februar 2017    Gelesen: 704
Digitaler Schneider kreiert Mode
Ratlose Blicke in den Kleiderschrank und aufs Thermometer? Schon bald könnten diese Geschichte sein. H&M tüftelt an einer App für "Coded Couture" - einem individuellen Stilberater für alle Lebenslagen. Die wesentlichen Daten hierfür stammen von Google.
"Ich heiße Kenza. Und dieses Kleid wurde von meinem Telefon designed. Magisch, die Verschmelzung von Kunst und Code", wirbt das digitale Fashion-Label von H&M, Ivyrevel, für seine neue App, die demnächst als virtueller Modeberater und Einkaufshelfer fungieren soll. Entwickelt wird sie in Kooperation mit jemandem, der sowieso schon meint, so gut wie alles über potenzielle Kunden zu wissen: Google.

Hightech als individueller Mode-Berater? Kann das funktionieren? Der Internetgigant sagt Ja. Über die in Googles Smartphone-Betriebssystem Android einsetzbare Schnittstelle Awareness API können Entwickler ihre Apps Nutzer beobachten und kontextbezogene Daten sammeln lassen: Angefangen von den Wetterbedingungen am jeweiligen Standort über das Verhalten und den Geschmack der Nutzer bis hin zu Sinn und Zweck ihres Aufenthalts an einem bestimmten Ort - leicht abzuleiten aus der Verknüpfung mit dem Terminkalender. Sogar der Einsatz von Kopfhörern wird registriert. App-Entwicklern eröffnet die Schnittstelle viele Möglichkeiten.

Was läge also näher, als mithilfe dieser "Beobachtungs-Schnittstelle" und einem Bekleidungshersteller wie H&M eine App zu entwickeln, die Menschen jeden Morgen mit automatisch generierten, perfekten Outfits auf die Sprünge hilft? Gemeinsam mit der H&M-Tochter Ivyrevel will Google eine Dienstleistung entwickeln, die den Nutzern nicht nur rudimentär die Entscheidung abnimmt, was sie am besten anziehen. Die Unternehmen versprechen mit ihrem Projekt "Coded Couture" vielmehr ein ganz persönliches "Data_Dress". Keinen Nullachtfuffzehn-Look also, sondern einen Vorschlag, der den ureigenen Lebensstil wiederspiegelt.

Völlig uneigennützig ist das Angebot erwartungsgemäß nicht: Denn die Grundlage des virtuellen Stilberaters ist nicht der hauseigene Kleiderschrank, sondern der H&M-Katalog. Der Bekleidungshersteller hofft, die Nutzer der App werden die Vorschläge nach der Empfehlung auch kaufen. Laut Unternehmensangaben wird jedes Outfit rund 100 Dollar kosten. Je ratloser die Nutzer, desto lauter dürfte also die Kasse klingeln.

Noch befindet sich die App von Google und H&M in der Beta-Testphase. Deshalb kommen nur ausgewählte Modeblogger in den Genuss der personalisierten Kleider. Doch schon bald soll eine öffentliche Testphase starten, für die sich alle Interessierten anmelden können. Ein ähnliches Projekt eines virtuellen Modeberaters von Google steht ebenfalls in den Startlöchern. Die App Project Muze - ein Projekt mit Zalando - ist in der geschlossenen Alpha-Testphase. Es soll ab Herbst für Nutzer zur Verfügung stehen.

Der verzweifelte Blick in den Kleiderschrank könnte demnach bald Geschichte sein - vorausgesetzt, man möchte sein äußeres Erscheinungsbild einem Algorithmus anvertrauen. Und hat genügend Geld zur Verfügung, das virtuelle zum realen Outfit zu machen.

Quelle: n-tv.de

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