Alle Spuren führen nach Pjöngjang

  24 Februar 2017    Gelesen: 408
Alle Spuren führen nach Pjöngjang
Kim Jong Uns Halbbruder wird in aller Öffentlichkeit in Kuala Lumpur umgebracht - doch die Ermittler stehen auch Tage später ohne handfeste Beweise da. Steckt tatsächlich Pjöngjang hinter dem Mordkomplott?
Die Geschichte wird immer verrückter. Ein Video, das vietnamesische Medien ausgegraben haben, zeigt Doan Thi Huong vor einigen Monaten vor einer TV-Jury. Die Frau, die mutmaßlich für den Tod des Halbbruders von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un mitverantwortlich ist, träumte offenbar vom Ruhm eines Casting-Stars. Berühmt ist sie jetzt als Hauptverdächtige in einem der wohl spektakulärsten politischen Morde der vergangenen Jahre.

Vor knapp zwei Wochen starb Kim Jong Nam unter noch immer nicht zweifelsfrei geklärten Umständen auf dem Weg vom Flughafen Kuala Lumpurs in ein Krankenhaus. Die Ermittler sind sich sicher, dass Nordkorea hinter dem mutmaßlichen Mordanschlag steckt. Kim Jong Nam war als ältester Sohn Kim Jong Ils eine stete Bedrohung für Kim Jong Uns Macht. Überläufer aus Nordkorea versuchten angeblich schon seit längerer Zeit, ihn zum Kopf einer Exilregierung zu machen. Seit Jahren trachtete Kim schon nach dem Leben seines Halbbruders.

Doch Pjöngjang leugnet beharrlich, in den Todesfall verwickelt zu sein. Und nicht nur das: Das Regime bestreitet, dass es sich überhaupt um ein Tötungsdelikt handelt. Eine "Schockstarre" mit anschließendem Herzinfarkt sei die Todesursache des Nordkoreaners in Kuala Lumpur, heißt es offiziell. Den Namen des Kim-Verwandten nimmt die staatliche Propaganda nicht in den Mund. Wo es möglich ist, behindert Nordkorea die Ermittlungen. So versuchte Botschafter Kang Chol gar, die Obduktion Kim Jong Nams zu verhindern.

Verdächtige streiten Absichten ab

Gelungen ist ihm das nicht. Die Untersuchung des Leichnams widerlegt die These vom Herzinfarkt Kim Jong Nams. Das Mordopfer selbst beklagte noch vor seinem Tod, vergiftet worden zu sein. Doch die angeblichen tödlichen Substanzen wurden bisher nicht nachgewiesen. Die Ermittler haben bisher wenig in der Hand, jedoch schon mehrere Verdächtige gefasst. Sie sind auf Überwachungsvideos zu sehen, wie sie Kim am Flughafen von Kuala Lumpur überfallen.

Eine von ihnen ist die Indonesierin Siti Aisyah. Sie soll Kim die bisher noch nicht bekannte giftige Substanz ins Gesicht gerieben haben, die zu dessen Tod geführt haben soll. Siti gab jedoch an, nichts von einem Mord gewusst zu haben. Sie sei für eine Comedy-Sendung angeworben worden, in der sie nichts ahnende Passanten erschrecken sollte, sagte sie. Die Polizei hält das für wenig glaubhaft, zumal sie die Tat gemeinsam mit ihrer mutmaßlichen Komplizin Doan Thi Huong in Einkaufszentren in Kuala Lumpur geprobt haben soll. Huong ist auf Überwachungsvideos als die Frau mit einem "LOL"-Pullover zu erkennen, die Kim festhielt und ihm mit einem Tuch übers Gesicht fuhr. Sie hatte in einem flughafennahen Hotel eingecheckt und viel Bargeld bei sich.

Die Ermittler glauben, Huong und Siti seien vom nordkoreanischen Geheimdienst angeheuert worden. Siti, eine Masseurin in einem Spa, und Doan, eine einfache Verkäuferin (mit offensichtlichen Ambitionen im Musikgeschäft), könnten mit Geld gelockt worden sein. Nordkoreas Botschafter in Malaysia dagegen erklärte, er halte die beiden Frauen für unschuldig. Wenn die beiden wirklich mit giftigen Substanzen hantiert hätten, "wie kann es dann sein, dass diese weiblichen Verdächtigen noch am Leben sind?"

Fakt ist: Die beiden reinigten sich nach der Tat rasch die Hände. Die Ermittler vermuten, dass Huong und Siti mit unterschiedlichen Chemikalien hantiert haben, die für sich nicht tödlich seien. Doch die Analysen haben noch nicht ergeben, um welche Substanzen es sich genau handelt. Das klingt alles reichlich nach "James Bond" und spricht dafür, dass die beiden Frauen Unterstützung eines Geheimdiensts hatten. Aber auch hier wieder: Ein Beweis ist das nicht.

Was wusste Nordkoreas Botschafter?

An dieser Stelle kommt der Nordkoreaner Ri Jong Chol ins Spiel. Er wurde kurze Zeit nach den Frauen festgenommen. Ri lebte seit vergangenem August in Malaysia und arbeitete dort für eine Computerfirma. Es gilt als sicher, dass er aber eigentlich ein nordkoreanischer Agent war. Ri soll ein Chemieexperte sein – könnte also die tödlichen Substanzen beschafft oder hergestellt haben. Dass er, sofern tatsächlich schuldig, auspacken wird, ist aber zweifelhaft. Nordkoreanische Verräter müssen um ihr Leben fürchten.

Vier weitere Verdächtige sind bisher entkommen, sie gelten als Drahtzieher des Anschlags. Ri Ji Hyon, Hong Song Hac, O Jong Gil und Ri Jae Nam sind einzeln zwischen dem 31. Januar und dem 7. Februar eingereist – Malaysia ist eines der wenigen südostasiatischen Länder, für das keine Visabeschränkungen für nordkoreanische Bürger gelten. In dieser Zeit kam auch das Mordopfer ins Land. Die Ermittler vermuten, dass die vier die Tat vorbereiteten und die beiden Frauen rekrutierten.

Auffällig ist zumindest die Rolle der vier Männer am Tatort. Jeder von ihnen wurden in der Abflughalle von Überwachungskameras erfasst. Sie wurden Zeugen der letzten Minuten Kim Jong Nams. Sollten sie sicherstellen, dass auch nichts schief geht? Im Durcheinander nach der Tat stiegen sie alle sofort in Flugzeuge. Sie sind vermutlich wieder in Nordkorea oder auf dem Weg dorthin. Ihre Spur verliert sich.

Noch verfolgt die malaysische Polizei mehrere Ermittlungsansätze, etwa die Vernehmung einer Mitarbeiterin der staatlichen nordkoreanischen Fluglinie. Auch haben die Ermittler die Suche nach weiteren Agenten Pjöngjangs nicht aufgegeben, Interpol soll helfen, die vier mysteriösen Männer aufzuspüren. Zudem fordern sie, Informationen von einem hochrangigen Botschaftsangestellten zu bekommen. Die Behörden glauben, dass in der Vertretung des Landes in Malaysia die Fäden zusammenlaufen. Viel Kooperation sollten sie sich nicht erhoffen.


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