Abschieberegeln könnten Verbrechern helfen

  24 Februar 2017    Gelesen: 504
Abschieberegeln könnten Verbrechern helfen
Die neuen Abschieberegeln in den USA sollen für mehr Sicherheit sorgen und Straftäter schnell aus dem Land befördern. Doch die US-Polizei meldet Zweifel an. Die neuen Regeln könnten dem Kampf gegen das Verbrechen sogar schaden.
Unter den illegal eingewanderten Latinos in den USA geht die Angst um. Wie die großen Zeitungen des Landes berichten, trauen sich viele von ihnen kaum noch aus dem Haus, manche gehen nicht mehr zum Arzt, zur Arbeit oder zum Einkaufen. Sie fürchten "La Migra", die Einwanderungsbehörde, und die Abschiebung in die alten Heimatländer. "Mit seiner Unterschrift sind wir nun alle verwundbar", sagte der Immigrant Ricardo Cortez der "Los Angeles Times". "Die Schlechten wie die Guten, die nur versuchen, hier zu arbeiten."

Auch viele Wähler Donald Trumps fürchten sich – vor den Migranten. Sie fürchten nicht nur die Überfremdung, sondern auch die Kriminellen unter den Einwanderern, die "bad hombres", schlechte Männer. Trump versprach im Wahlkampf, die elf Millionen illegal in den USA lebenden Menschen einfach wieder abzuschieben. In dieser Woche erließ er strenge Regeln, die dies ermöglichen sollen.

Auf den ersten Blick wäre das eine einfache Lösung für die US-Regierung. Doch es ist offen, ob das die Probleme mit der Kriminalität daheim wirklich löst. Wie die "New York Times" berichtet, könnte die geplante Abschiebepraxis sogar dem organisierten Verbrechen helfen. So könnte es die Polizei schwerer haben, Banden zu bekämpfen. "Um Verbrechen aufzuklären, sind wir darauf angewiesen, dass Leute zu uns kommen", sagte Timothy Sini der Zeitung. Er ist der Polizeichef des Bezirks Suffolk im Bundesstaat New York. Wegen der um sich greifenden Angst vor der Abschiebung schreckten die Einwanderer nun davor zurück, Kontakt mit den Beamten aufzunehmen. "Wenn die Leute glauben, sie werden abgeschoben, sobald sie mit einem Polizisten sprechen, ist das nicht hilfreich", wird Sini weiter zitiert.

Ein großes Problem im Bundesstaat New York sind Banden jugendlicher Straftäter, die aus Mittelamerika eingewandert sind. Sie nennen sich "Maras" und sollen für zahlreiche Morde verantwortlich sein. Sollten die Einwanderer nun aus Furcht vor Abschiebung nicht mehr zur Polizei gehen, würden diese organisierten Verbrechergangs davon profitieren. Das wäre fatal, zumal diese Banden für viele Mittelamerikaner der Grund waren, die Heimat zu verlassen. In Ländern wie El Salvador beherrschen die Maras ganze Landstriche und machen vielen einfachen Leuten ein normales Leben unmöglich.

Polizei gar nicht zuständig

Dabei müssten die illegalen Einwanderer in den USA die Polizei gar nicht fürchten. Denn die ist für die Abschiebungen nicht zuständig. Die obliegt vielmehr der Behörde Immigration and Customs Enforcement (ICE), die dem deutschen Zoll ähnelt. Trump wünscht sich allerdings, dass normale Polizisten deren Agenten zur Hand gehen. Das allerdings stößt auf Widerspruch. Bereits im Januar erklärte die Internationale Vereinigung der Polizeichefs (IACP), sie sei strikt dagegen, Polizisten dazu einzusetzen, das Einwanderungsrecht durchzusetzen. Doch Trump hat ein Druckmittel. Wer nicht mitzieht, dem könnten Bundeszuschüsse gekürzt werden.

Ein für manche abschreckendes Beispiel ereignete sich vor zwei Wochen in Texas. Wie die "Texas Tribune" berichtet, floh eine Frau in der Stadt El Paso vor häuslicher Gewalt in ein Gerichtsgebäude. Dort wurde dann bei einer Überprüfung der Personalien festgestellt, dass sie sich illegal im Land aufhielt. Der Staatsanwalt von El Paso, Jaime Esparza, sieht darin nun einen gefährlichen Präzendenzfall. Da dieser USA-weite Aufmerksamkeit bekommen habe, könnte er andere Immigranten abschrecken, bei Behörden Schutz zu suchen. Ihm zufolge sollte der Aufenthaltsstatus keine Rolle spielen, wenn jemand eine Straftat anzeigen will oder zu einer Zeugenaussage bereit ist. Er sprach sich daher dafür aus, Agenten der Einwanderungsbehörde keinen Zutritt zu Gerichtsgebäuden zu gewähren. Doch der Fall ist komplizierter. Denn bei der Überprüfung kam ebenfalls heraus, dass die Person bereits sechsmal abgeschoben worden war und ein langes Vorstrafenregister hatte.

Im Bundesstaat Maryland gibt es sogar eine Initiative, ein Gesetz gegen die Weitergabe persönlicher Daten an die Einwanderungsbehörde zu erlassen. Wie die "Washington Post" berichtet, soll verboten werden, dass der Bundesstaat Informationen über den Aufenthaltsstatus an die ICE weitergibt. Victor Ramirez sitzt im Senat des Bundesstaates und erklärt die Initiative damit, dass Maryland einer der wenigen Staaten sei, der illegalen Immigranten erlaube, den Führerschein zu machen. "Wir müssen diesen Einwohnern zusichern, dass ihre Daten sicher sind und nicht für Einwanderungsangelegenheiten verwendet werden", schrieb der Demokrat in einer Erklärung, aus der die Zeitung zitiert. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist noch offen – die Initiative zeigt aber, wie groß der Widerstand gegen die neuen Abschieberegeln ist.

Nicht nur bei der Kriminalitätsbekämpfung zeigt sich eine Verunsicherung im Land, sondern auch im Bildungswesen. Die "Chicago Tribune" berichtet, dass Agenten der Einwanderungsbehörde künftig nur noch öffentliche Schulen in Chicago betreten dürfen, wenn sie einen Durchsuchungsbeschluss haben. Das gehe aus einem Schreiben des Dachverbandes der öffentlichen Schulen, Chicago Public Schools (CPS) hervor. "Um es ganz klar zu sagen, die CPS liefert der Einwanderungs- und Zollbehörde keine Hilfestellung bei der Durchsetzung eines Bundesgesetzes zur Einwanderung", heißt es demnach in einem Schreiben an die Rektoren in der drittgrößten Stadt der Vereinigten Staaten. Bislang sei es zwar noch kein Fall bekannt, in dem die Einwanderungsbehörde Zutritt zu Schulen verlangt habe, sagte ein Sprecher der Zeitung. Schulrektoren hätten aber um Anweisungen für diesen Fall gegeben.

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