Islam im Vereinigten Königreich: Von Tudor bis Windsor

  10 März 2017    Gelesen: 1850
Islam im Vereinigten Königreich: Von Tudor bis Windsor
(iz). Nach der Restauration der englischen Monarchie im Jahre 1660, der „Glorious Revolution“ von 1688 (die Einführung der konstitutionellen Monarchie) und der Gründung der Bank of England 1694 kam es zu einer Periode, in der die Handelsbeziehungen mit der muslimischen Welt gefestigt wurden. Dazu zählten nicht nur das osmanische Gemeinwesen und Nordafrika, sondern auch das Mogul-Sultanat, welches die britischen Händler über Bengalen erreichen konnten.
Die Niederlande gehörten zuvor zu den britischen Rivalen im Handel mit der muslimischen Welt, aber mit der persönlichen Verbindung beider Königreiche kam es zu einer Periode des Wachstums und der Festigung. Sie hatten gute Beziehungen zu den Häfen der Florentiner und Venezianer, die Güter aus der muslimischen Welt erhielten und sie über den Landweg in die kontinentalen Märkte weiterverkauften. Davor verließ sich Britannien hauptsächlich auf seine Seeverbindungen, aber mit dem Prinzen von Oranien (dem neuen König) kam die Möglichkeit des kontinentalen Handels nach London.

Danach folgte das „Zeitalter des Empires“ und der maritimen Dominanz von Großbritannien, welches den britischen Kontakt mit der muslimischen Welt auf ein neues Niveau anhob. Nichtsdestotrotz blieb die Faszination des britischen Königshofes mit dem Exotischen. Viele der Kolonialisten brachten ihre Diener mit zurück. Währenddessen führten Botschafter und Händler ihre Besuche weiter. Diplomatische Beziehungen spielten auch eine Rolle beim Import von großen Schätzen und Denkmälern nach London. Der Obelisk von Kleopatra wurde den Briten vom osmanischen Vizekönig Ägyptens gestiftet.

Das 19. Jahrhundert brachte auch bekannte Figuren hervor. Mr. Sake Dean Mahomet zum Beispiel, ein Händler aus Bengalen, ließ sich in Brighton mit seiner irischen Ehefrau, Jane Daley, nieder, und er führte das „Curry-Haus“ in London ein. Er war so bekannt für seine therapeutischen Mittel, dass er als der „Schampoo-Chirurg“ von König George IV. bekannt wurde. Eine andere Persönlichkeit war Königin Victorias „Munschi“, ein gewisser Abdul Karim, der so einflussreich bei Hofe war, dass immer wieder Anklagen gegen ihn erhoben wurden, um seinen Einfluss zu beschränken.

Königin Victoria und ihr Ehemann Albert waren beide vom Orient fasziniert und sie wurden von den Attraktionen der muslimischen Welt angezogen. Neben aller imperialen Politik trieb diese Faszination Prinz Albert an, die Große Weltausstellung von 1851 ins Leben zu rufen, wo wunderbare und wunderliche Dinge aus aller Welt ausgestellt wurden. Auf der einen Seite diente die Weltausstellung als Feier aller Dinge, die das Imperium zu bieten hatte, andererseits war es die erste Ausstellung, bei der die Londoner Gesellschaft andere Zivilisationen kennenlernen konnte. Im Wissen, dass sie mit ihrer Machtübernahme in Indien mehr Muslime regierte als das Osmanische Kalifat, war es Königin Victoria, die mit dem Kalifen ‘Abdulhamid II. absprach, dass die Position des „Schaikh Al-Islam der Britischen Inseln“ an den Muslim britischer Herkunft (von der Insel Manx), ‘Abdullah Quilliam Bey, einem Absolventen der Qarawiyyin-Universität in Fes vergeben wurde.

In Bryant Lillywhites Liste der Londoner Kaffeehäuser findet sich eine weitere Anomalie. Madame Tussaud’s ist eigentlich nicht das erste Londoner Wachsmuseum. 1854 schon ließ sich das „Oriental and Turkish Museum“ finden, welches in der George Gallery im Stadtteil Knightsbridge untergebracht war. Die Figuren wurden von James Boggi angefertigt und als „Modelle des östlichen Lebens, mit Kostümen, Waffen und Zusätzen ausgestattet“. Szenen türkischer Badehäuser, Kaffeehäuser und Basare, eine Hochzeit und eine Ratssitzung, ein Palast, Harem und Diwan sowie Straßenszenen wurden ausgestellt.

Im 19. Jahrhundert begann in der bildenden Kunst wie in der Literatur die orientalische Bewegung. Gestalten wie Lord Leighton, Sir John Everett Millais und Sir Lawrence Alma-Tadema drückten auf Leinwand und anderen Medien ihre Faszination der muslimischen wie der neoklassischen Welt aus. Obwohl diese Bilder wegen ihres Inhalts nicht immer islamisch waren, so waren sie es doch im Einfluss und im Stil. Diese Künstlerkreise, die sich oft in Kaffeehäusern trafen, brachten John Frederick Lewis und seine Bilder des osmanischen Lebens hervor.

Lewis Werke waren weit einfühlsamer und lebensnaher als die seiner französischen Zeitgenossen wie Delacroix und anderer, die ihre wilden, erotisierenden Fantasien ausdrückten (im Fall von Lewis war es seine Frau, die die Skizzen aus den Frauengemächern anfertigte, damit er diese nicht betreten musste). Lord Leighton gestaltete und dekorierte sein Haus im islamischen Stil.

Hilfe hatte er dabei von William Morris, Sir Edward Burne-Jones und William de Morgan. Sein enger Freund, Sir Richard Burton, ein bekannter Entdecker, bei dem Unsicherheit herrscht, ob er nicht selbst Muslim war, brachte aus Iznik und Damaskus originale Kacheln wieder, um sie in der arabischen Halle anzubringen. Sein Haus ist im Originalzustand erhalten geblieben und kann immer noch von Interessierten besichtigt werden. Ein Mitglied dieses Elitezirkels, ein Schauspieler am Theater an der Drury Lane namens Hedley Churchward, wagte den Sprung und trat zum Islam über. Er ließ sich mit seiner ägyptischen Frau in Kapstadt nieder, wo er bis heute in Erinnerung geblieben ist.

Churchward stand mit seiner Annahme des Islam nicht allein. Zu seinen Zeitgenossen gehörte Lord Stanley of Alderley, der zum ersten muslimischen Mitglied des Oberhauses werden sollte. Briten, die in dieser Zeit den Islam angenommen hatten, ließen sich später in fremden Gebieten nieder. In dieser späteren Periode jedoch traten immer mehr Briten zum Islam in Großbritannien über oder kehrten irgendwann in ihre Heimat zurück. Oft wurden sie als Exzentriker des Raj [die britische Herrschaft in Indien] angesehen. Es war allgemein anerkannt, dass dies eines der Dinge sei, welches die Oberklasse zu tun pflegte, um irgendetwas mit ihrer Zeit anzufangen. Tatsächlich hatten die neuen Muslime in der viktorianischen und edwardianischen Zeit einen besseren Ruf als in modernen Zeiten. Insbesondere im Militär galt es als hilfreich, Muslime zu haben, die in ihrem Dienst Brücken zu Muslimen bauen konnten.

Die Periode der Übertritte während der Jahrhundertwende fiel zusammen mit einer anderen Art des muslimischen Zustroms nach London. Als Besucher kamen viele junge Leute aus Britisch-Indien (dazu zählte auch das malaiische Archipel) hinzu. Viele Edle aus der muslimischen Welt sandten ihre Söhne an die britischen Privatschulen, in der Hoffnung, dass sie dort „zivilisiert“ und verfeinert würden. Ebenso kamen Studenten, um an den britischen Universitäten zu studieren. Zusammen mit den vielzähligen Diplomaten und Händlern kamen die Muslime entweder in der berühmten Shah Jahan Moschee in Woking oder aber mit der lange vergessenen Notting Hill Moschee, die von der Britischen Islamischen Gesellschaft betrieben wurde, zusammen.

Die Britische Islamische Gesellschaft wurde damals beinahe ausschließlich von hochprofilierten britischen Muslimen dieser Zeit geleitet. Dazu zählten unter anderem auch Muhammad Pickthall und Lady Khalida Buchanan-Hamilton. Andere Organisationen der edwardianischen Zeit waren die „Western Muslim Association“, deren Präsident Dr. Khalid Sheldrake war, das Islamische Informationsbüro und die Muslimische Literarische Gesellschaft.

Es ist wahrscheinlich, dass sie alle unter dem Dach der Campden Hill Road Moschee verortet waren, oder aber, dass es zu dieser Zeit eine Reihe an von Muslimen besessenen Häusern in Notting Hill gab. In diesem Islamischen Informationsbüro gaben neue Muslime wie Muhammad Pickthall das Wochenmagazin „Muslim Outlook“ heraus. Pickthall wurde 1919 Imam der Moschee von Notting Hill. Es ist ironisch, dass eine der heutigen Organisationen – die Union der Muslimischen Organisationen von Großbritannien und Irland – in der Nummer 109 untergebracht ist, neben der ehemaligen Moschee. Deren Gemeinschaft unterhielt enge Verbindungen mit der Muslimischen Mission Woking, die neben anderen die „Islamic Review“ und „Modern India“ herausgab. Sie empfing viele Besucher aus der muslimischen Welt. Der Nizam von Hyderabad und seine Söhne unterhielten eine emotionale Bindung mit der Moschee und viele britische Muslime waren dort zu finden. Peter Clark merkte 1924 an, dass „dreißig regelmäßig in der Woking Moschee beten, dass es tausend britische Muslime im ganzen Land und 10.000 Muslime aus Übersee gibt“.

Die Eröffnung des Suezkanals im 19. Jahrhundert führte dazu, dass sich vor allem jemenitische und somalische Seeleute im Gebiet der Docklands ansiedelten. Dokumente des Museums von London lassen den Schluss zu, dass Irakis in den 1930er Jahren, Ägypter zwischen den 1940er und 1950er Jahren und Marokkaner in den späten 1950er Jahren nach London kamen. Die dreißiger Jahre sahen auch die Formation der Muslimischen Gesellschaft Großbritanniens von Ismail de Yorke, aber es ist unklar, ob dies ein Nachfolger von der Britischen Islamischen Gesellschaft und der Westlich-Muslimischen Assoziation war, oder eine Organisation für eine neue Gruppe von Muslimen.

Der Beginn des Zweiten Weltkrieges und der berühmte „Blitz“ haben diesen Fortschritt unterbrochen. Die Periode nach der indischen Teilung sah das Verschwinden der indischen Gemeinschaft, da viele in den Subkontinent zurückkehrten, um politische oder diplomatische Posten anzunehmen. Es scheint, als sei die Britische Islamische Gesellschaft in der Campden Hill Road während dieser Entwicklung verschwunden. Die Woking Muslim Mission wurde in den 1970er Jahren „orientalisiert“, als die Welle der Nachkriegsimmigranten, die meistens aus einer geringeren sozialen Klasse als die existierende muslimische Gemeinschaft stammten, begann, das Bild des Islam in Großbritannien zu prägen.

Auch wenn die „Islamic Review“ bis in die später 1960er herausgegeben wurde (sie wurde 1968 eingestellt), so wurde die alte Gemeinschaft von den Einwanderungswellen hinweggefegt. Mit diesen neuen Londonern kam auch eine Neue Weltordnung für die muslimische Gemeinschaft Londons. Traurig ist, dass nur wenig bekannt ist, was aus den „tausend britischen Muslimen“ und ihren Familien eigentlich geworden ist.

Quelle:islamische-zeitung

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