Merkel ist vorbereitet – Trump nicht

  14 März 2017    Gelesen: 750
Merkel ist vorbereitet – Trump nicht
Im Wahlkampf hat US-Präsident Trump die Bundeskanzlerin ausführlich beschimpft, und auch Merkel hat ihn spüren lassen, was sie von ihm hält. An diesem Dienstag treffen sich beide zum ersten Mal.
Telefoniert haben Angela Merkel und Donald Trump schon mehrfach, aber gesehen haben sie sich noch nie. Eine gemeinsame Geschichte haben sie trotzdem. Wenn die Bundeskanzlerin an diesem Dienstag in Washington zum ersten Mal auf den neuen US-Präsidenten trifft, dann dürfte beiden sehr bewusst sein, wie heikel ihre Zusammenkunft ist.

Trump hat Merkel im Präsidentschaftswahlkampf auf eine Weise beschimpft, die weit über jedes Normalmaß hinausging. Er nannte sie die "Person, die Deutschland ruiniert", er warf ihr vor, einen "katastrophalen Fehler" gemacht zu haben, als sie die Flüchtlinge ins Land ließ. Noch im Januar prophezeite er ein Auseinanderfallen der Europäischen Union. Mag sein, dass er das nur so dahergesagt hat. Möglicherweise war ihm nicht klar, wie zentral die EU aus Sicht aller bisherigen Bundesregierungen ist.

Merkel ihrerseits hat, auf ihre Art, ebenfalls sehr deutlich gemacht, was sie von Trump hält. Am Morgen nach der Präsidentschaftswahl im vergangenen November stellte sie sich im Kanzleramt vor die Presse und erklärte, im Wahlkampf in den USA habe es eine "zum Teil schwer erträgliche Konfrontation" gegeben. Sie zählte auf, durch welche Werte Deutschland und die USA verbunden seien: "Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung." Und dann folgte ein Satz, den noch kein Bundeskanzler an die Adresse eines US-Präsidenten gesagt hat: "Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an."

Trotz dieser eher durchwachsenen Vorgeschichte dürfte kein Gefühl für Peinlichkeiten aufkommen, wenn Trump Merkel an diesem Dienstag im Weißen Haus begrüßt. Das würde, so unterschiedlich die beiden sind, weder zum großspurigen Politik-Neuling Trump noch zur stillen Technokratin Merkel passen. Es sei in der Politik nicht sinnvoll, alte Äußerungen auf die Goldwaage zu legen, hieß es am Montag aus Kreisen der Bundesregierung auf die Frage, ob Trumps Beschimpfungen aus dem Wahlkampf bei den Gesprächen eine Rolle spielen werden. "Es geht darum, sich kennenzulernen, eine gemeinsame Basis zu entwickeln, damit künftige Probleme sich leichter lösen lassen, damit Vertrauen entsteht."

Viele Themen, wenig Zeit

Auf eine ähnliche Frage hatten Vertreter der US-Regierung am Freitag bei einem Pressebriefing im Weißen Haus geantwortet, dass sie nicht darüber sprechen wollen, was im Wahlkampf vorgefallen sei. Ob dies denn keine Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland habe, wollte ein Journalist wissen. "Nicht auf die diplomatischen Beziehungen", so lautete die kurze Antwort.

Genauso scheint Merkel die Sache auch zu sehen. "Miteinander reden statt übereinander reden – das wird mein Motto sein bei diesem Besuch, auf den ich mich ausdrücklich freue", sagte sie nach einem Gespräch mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft in München.

Nur knapp vier Stunden sind für diverse Gespräche, Mittagessen und eine gemeinsame Pressekonferenz eingeplant. Gesprochen werden soll nach Vorstellung der deutschen Seite über den Krieg in der Ukraine, über die Lage im Nahen Osten und im nördlichen Afrika, über die Beziehungen der EU zu den USA und über die Klimapolitik. Wichtig ist der Bundesregierung zudem, dass am Ende beide, Merkel und Trump, die Bedeutung der Nato unterstreichen.

Darüber hinaus hat die Kanzlerin offenbar keine konkreten Ziele – dafür ist es wohl auch noch zu früh. Die neue US-Administration müsse sich erst "zusammenrütteln", sagt ein hochrangiger Regierungsbeamter in Berlin gleich mehrfach. Gemeint ist damit, dass im amerikanischen Außenministerium noch nicht jede Stelle besetzt ist, dass noch immer nicht jeder Ansprechpartner bekannt ist. Das sei aber alles ganz normal, so heißt es in Berlin. Die Botschaft ist: Wir warten ab.

In Berlin: Nur keine Panik

Das gilt auch für die Strafzölle, mit denen Trump im Wahlkampf auch Deutschland gedroht hat. Vermutlich wird Trump im Gespräch mit Merkel auch das Handelsdefizit ansprechen, dass es zwischen den USA und Deutschland gibt. Merkel ist darauf vorbereitet. Nach einem Treffen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft in München referierte sie Zahlen, die illustrieren, dass auch die USA von den Handelsbeziehungen profitieren: Die Summe der seit dem Zweiten Weltkrieg getätigten deutschen Investitionen in den USA liege bei 271 Milliarden Euro; es gebe in den USA etwa 750.000 gesicherte Arbeitsplätze durch deutsche Unternehmen; indirekt würden "deutlich über ein bis zwei Millionen Arbeitsplätze" in den USA von deutschen Unternehmen abhängen.

Doch auch im Kanzleramt weiß man, dass Trump mit Zahlen und Fakten allein nicht zu beeindrucken ist. Ein bisschen Show ist durchaus geplant. Eigens für ein "Roundtable"-Gespräch zum Thema Berufsausbildung nimmt Merkel die Chefs von drei großen deutschen Unternehmen mit: Joe Kaeser von Siemens, Harald Krüger von BMW und Klaus Rosenfeld von Schaeffler. Offensichtlich will die Kanzlerin mit dem deutschen System der dualen Ausbildung prahlen – und Trump vermitteln, dass die USA davon ebenfalls profitieren. Auch Azubis aus den jeweiligen Unternehmen sollen im Weißen Haus zu Wort kommen.

Ob sich die Bundesregierung auch auf das Szenario eines Handelskrieges vorbereitet, will ein ranghoher Regierungsvertreter in Berlin nicht verraten. Auch hier lautet die Antwort: "Wir werden uns das anschauen, wenn es soweit ist." Nur keine Panik.

In Washington: Maximale Ratlosigkeit

Etwas anderes bleibt Merkel und ihren Beratern auch gar nicht übrig. Während die Standardantwort auf deutscher Seite selbstbewusste Gelassenheit ist, klang beim Pressebriefing des Weißen Hauses am Freitag eher maximale Ratlosigkeit durch. Was ist die Position der US-Regierung zum Pariser Klimaabkommen? "Das ist ein Thema, bei dem es noch Festlegungen geben wird." Wie will Trump die Ukraine-Krise lösen? "Ich kann nicht sagen, was der Präsident dazu denkt." Glaubt Trump, dass es gut wäre, wenn weitere Staaten die EU verlassen? "Ich kenne seine Gedanken dazu nicht."

Selbst über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP konnten die Vertreter der US-Regierung bei dem Briefing keine Position vorlegen. TTIP könne durchaus ein Thema bei den Gesprächen sein, sagten sie. Dabei geht man in Berlin davon aus, dass der Vertrag auf Eis liegt. Es wäre möglich, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, heißt es aus der Bundesregierung. "Ob das von Interesse ist, weiß ich nicht."

Kurzum: Merkel und die anderen Vertreter der Bundesregierung gehen gut vorbereitet in das Treffen mit Trump, sie haben alle Zahlen dabei und können zur Not auch ein Spontan-Referat über die russische Außenpolitik halten. Was bei dem Treffen rauskommt, ist völlig unklar. Ein bisschen ist es so, als führe Merkel nicht ins Weiße Haus, sondern in ein Schwarzes Loch.

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