Er duldet keinen neben sich

  18 März 2017    Gelesen: 993
Er duldet keinen neben sich
Wir würzen unsere Speisen gern, aber bei der Wahl der Mittel scheiden sich die Geister: Was dem einen gefällt, bei dem schüttelt sich der andere. Es gibt wohl kein anderes Gewürz, das so polarisiert wie der Kümmel.
Kümmel ist eine uralte Heil- und Kulturpflanze und ein traditionsreiches Gewürz, aus der Apotheke wie aus der Küche nicht wegzudenken. Kümmel war immer da, im Gegensatz zu vielen anderen Gewürzen und Kräutern, die bei den Ahnen hoch im Kurs standen, dann zum Teil jahrhundertelang vergessen wurden und nun wieder dermaßen "in" sind, dass Gourmets in Verzückung geraten. Anders der Kümmel, er war und ist eigentlich nie "top", aber immer als Gewürz, Tee, Öl oder Schnaps vorhanden. Gleichzeitig polarisiert er sehr stark: Es gibt ausgesprochene Kümmelliebhaber und –hasser. Auch wenn sich unser Geschmack im Laufe des Lebens immer mal ändert, es gibt Lebensmittel, mit denen man manche Menschen jagen kann: Koriander und Kümmel, Marzipan und Lakritz, Rosinen und Honig, Pilze und Kapern, Hammel und Fisch, Knoblauch und Zwiebeln. Sie kennen sicher noch mehr!

Ich gestehe, ich gehöre zu den Kümmelhassern. Nicht weil ich den Geschmack nicht mag, sondern weil ich es als geradezu abstoßend empfinde, auf ein Kümmelkörnchen zu beißen. Nicht einmal langes Kochen entzieht diesen Samen vollends das Aroma, es steckt immer noch genügend davon drin, um sich zu schütteln. Damit bin ich nicht allein auf weiter Flur und ich mache es so wie andere Leidensgefährten: Lässt sich Kümmel im Essen partout nicht vermeiden, einfach weil er den Geschmack des Gerichts unterstreicht oder es verdaulicher macht, dann verwende ich gemahlenen Kümmel oder Kümmelsud. Aber immer mit großer Vorsicht, denn gemahlener Kümmel zum Beispiel hat eine wesentlich stärkere Würzkraft als die ganzen Samen.

Bestimmte Speisen sind ohne Kümmel unvorstellbar, denken Sie nur an den hessischen Handkäs' oder den Harzer Roller, bayerischen Obatzter oder Schweinebraten. Vielerorts werden Gulasch und Bratkartoffeln, Sauerkraut und sämtliche Kohlgerichte, Lamm- und sogar Gänsebraten mit Kümmel "verfeinert" (man verzeihe mir die Gänsefüßchen). Vor allem im Süden Deutschlands gehört Kümmel zum Leben, steckt im Brot und fast überall. Als "Köm" hat er es selbst bis nach Friesland geschafft. Übrigens: Wer Kümmelschnaps trinkt, muss nicht zwingend ein Kümmelfan sein.

Des Kümmels Erstes Gebot

Wer sich dafür entscheidet, sein Essen mit Kümmel zu würzen, sollte es dabei belassen, denn Kümmel verträgt keine anderen Götter neben sich. Jedenfalls keine starken. Er ist ein sehr dominanter Einzelgänger und lässt nur wenige Würzvarianten zu. Kombinationen sind mit Pfeffer und Knoblauch möglich, auch mit Anis und Fenchel. Anis-Fenchel-Kümmel ist als Brotgewürzmischung bekannt oder auch als Tee: Da sind auf ideale Weise drei Heilkräuter vereint, die sich in ihrer Wirkung bei Magen-Darm-Problemen gegenseitig verstärken.

Oft wird unser mitteleuropäischer Wiesenkümmel (Carum carvi) mit dem asiatischen Kreuzkümmel (Cuminum cyminum) oder gar dem Schwarzkümmel (Nigella sativa) verwechselt. An den botanischen Namen ist bereits zu erkennen, dass der Echte Kümmel und der Kreuzkümmel miteinander verwandt sind (Familie: Doldenblütler), der Echte Schwarzkümmel jedoch ganz und gar nicht (Familie: Hahnenfußgewächse). Schwarzkümmel schmeckt ganz leicht scharf, feinherb und erinnert beim intensiven Kauen vielleicht an Oregano oder Thymian. Am ehesten lässt er sich wegen seiner nussigen Note jedoch mit Sesam vergleichen und wird gleich diesem über Fladenbrote gestreut. Das Aroma entfaltet sich erst richtig, wenn die Körnchen angeröstet werden. Die winzigen schwarzen, dreieckigen Samen erinnern optisch an Zwiebelsamen; deswegen wird Schwarzkümmel mitunter auch schwarzer Zwiebelsamen genannt. Er hat aber mit Zwiebeln ebenfalls nichts zu tun. Echte Zwiebelsamen schmecken nämlich nach nichts und werden auch nicht als Gewürz verwendet.

Der Kreuzkümmel verdankt seinen Namen der Ähnlichkeit seines Samens mit dem des Echten Kümmels, die Unterschiede sind kaum sichtbar. Gemeinsam haben beide Gewürze auch, dass sie krampflösend wirken und gegen Blähungen helfen. Der Unterschied zwischen beiden zeigt sich vorwiegend im Geschmack und deshalb in der Verwendung als Gewürz. Kreuzkümmel kommt im Unterschied zum Kümmel nicht so diktatorisch daher. Zwar schmeckt auch er intensiv-aromatisch und sollte deshalb sparsam verwendet werden, seine Schärfe ist aber nicht pfeffrig. Kreuzkümmel hat eher einen sowohl frischen als auch erdigen Geschmack, der aber weniger dominant ist als das herbe Aroma von Kümmel. Deshalb verträgt sich Kreuzkümmel weitaus besser mit anderen Aromen und wird gerne mit Koriander, Kardamom, Zimt, schwarzem Pfeffer und Piment gemischt – perfekt für asiatische Speisen. Die berühmtesten Gewürzmischungen mit Cumin sind Curry, Garam Masala und Cajun.

Star unter den Heilkräutern

Der Echte Kümmel ist recht herb, sehr würzig, mit einer leichten Anis-Note. Auch die frischen Blätter werden verwendet, sie sind milder und schmecken wie eine Mischung aus Petersilie und Dill. Es ist ratsam, Kümmel ungemahlen zu kaufen und erst bei Bedarf zu mahlen oder zu mörsern: Die ganzen Samen verstärken ihr Aroma sogar mit zunehmender Lagerzeit, wenn sie dunkel und dicht verschlossen aufbewahrt werden. Die Würzkraft gemahlenen Kümmels lässt schnell nach wie bei allen gemahlenen Gewürzen.

Im vergangenen Jahr war Kümmel der Star unter den Arzneipflanzen: Der echte Kümmel, auch Wiesenkümmel genannt, wurde Arzneipflanze des Jahres. Carum carvi wächst tatsächlich auch wild auf Wiesen und Weiden, an Bahndämmen und Wegrändern. Wer ihn sammeln will, sollte sattelfest in seinen botanischen Kenntnissen sein, eine Verwechslung mit der giftigen Hundspetersilie oder dem Schierling kann tödlich enden! Der Begriff "Schierlingsbecher" dürfte bekannt sein, damit wurde im antiken Griechenland zum Beispiel der Philosoph Sokrates hingerichtet. Den Schierling, eigentlich Gefleckter Schierling, kann man an den roten Flecken im unteren Stängelbereich erkennen; sie sind typisch und geben der Pflanze ihren Namen. Außerdem soll er nach "Mäuse-Urin" riechen. Wissen Sie, wie Mäuse-Urin riecht? Ich nicht. Einigen wir uns auf einen unangenehmen und stechenden Geruch. Also: Wenn’s stinkt – Finger weg! Aber das machen die meisten Menschen in solchen Fälle ja ohnehin. Anders die Ochsen; bei Weide-Nutzvieh kann es zu Vergiftungen kommen.

Kümmel ist wegen seines hohen Gehalts an ätherischen Ölen mit Abstand das beste pflanzliche Mittel gegen Blähungen und Magen-Darm-Krämpfe. Er wirkt antibakteriell, entkrampfend, beruhigend und unterstützt die Funktion von Leber und Galle. Wenn es Ihnen nach ausgiebiger Schlemmerei mal eng ums Herz wird, hat das beklemmende Gefühl vermutlich weniger mit Herzschmerz, sondern mehr mit Luft im Bauch zu tun. Auch Hildegard von Bingen empfahl Kümmel gegen dieses "Herzweh", das durch ungenügende Verdauung entsteht. Hierbei drückt zu viel Gas in Magen und Darm das Zwerchfell nach oben und nimmt dem Herzen den Platz weg, das signalisiert das Herz durch Schmerzen. Dagegen hilft der Klassiker Kümmeltee oder eine sanfte Bauchmassage mit Kümmelöl. Mütter kennen das Problem, wenn es in Babys Bauch grummelt... Kümmelöl darf aber nie unverdünnt angewendet werden, bei Kleinkindern genügt 1Tropfen in 20 ml Olivenöl für die Bauchmassage, bei Erwachsenen dürfen es 5 Tropfen sein.

Deutschland und Österreich, in deren Küchen sich zahlreiche schwere und fette Gerichte tummeln, gehören zu den größten Kümmelverbrauchern der Welt – ein Zeichen dafür, dass Kümmel gerne vorbeugend ins Essen gemischt wird. Damit wird dem Magen sofort Verdauungshilfe gegeben, so dass es nicht erst zu einem unangenehmen Völlegefühl kommt. Die Kümmelsamen verbessern zum Beispiel die Verträglichkeit von Kohl und Brot. Schon in mittelalterlichen Kräuterbüchern wird Wiesenkümmel als "ein seer wollbekannter gebreuchlicher samen" bezeichnet, "armen und reichen nutzlicher als kein gewürtz ausz Arabia oder Indien". Und so wurde zum Abschluss großer Festessen Kümmel in Zucker gereicht, damit die Blähungen nicht zu heftig wurden.

Vogtländisches Kümmel-Kotelett

Zubereitung:


Die Koteletts säubern und an den Rändern etwas einschneiden, damit sie sich beim Braten nicht wölben. Mit Salz und Pfeffer würzen und in Mehl wenden. Den Kümmel klein hacken oder mörsern (fein gemahlener eignet sich hier nicht). Die Zwiebeln pellen und in dünne Scheiben schneiden. Die Knoblauchzehen pellen und kleinhacken. Den Ofen auf 180 Grad vorheizen.

Das Öl in einer Pfanne erhitzen und die Koteletts von beiden Seiten kurz bräunen. Herausnehmen und warm halten. In dem Bratfett den gehackten Kümmel anrösten, die Zwiebelscheiben und die Knoblauchstückchen dazugeben. Alles vermischen, in eine genügend große Auflaufform geben, die angebratenen Koteletts nebeneinander darauflegen, mit Brühe auffüllen und mit Alu-Folie verschließen. Im Herd bei Mittelhitze etwa 30 Minuten schmoren lassen; dabei ab und zu ein wenig Brühe nachfüllen.

Die fertigen Koteletts aus der Form nehmen und auf vorgewärmten Tellern platzieren. Den Schmand mit ca. 1 EL Mehl und dem Senf verrühren und damit den Bratenfond binden. Zu den Koteletts reichen. Am besten schmecken dazu natürlich Kartoffelklöße, außerdem noch Rote Bete oder grüne Bohnen.

Guten Appetit wünscht Heidi Driesner – und ich hoffe, Sie sind Kümmelfan.

Quelle: n-tv.de

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