Die Parlamentswahl in den Niederlanden habe den gemäßigten Europäern ermöglicht, Atem zu holen: „Die holländischen Wahrergebnisse bestätigten den Standpunkt jener Kommentatoren, die sagten, dass es eine übermäßige Simplifizierung wäre, die angelsächsische ‚Welle‘ auf Kontinentaleuropa zu projizieren. Dass es Frondeur-Stimmungen in der Gesellschaft gibt, bedeutet noch nicht automatisch eine Unterstützung für die sogenannten Populisten. Zumal politische Kräfte des Mainstreams doch aus ihren Fehlern lernen und sich Mühe geben, die Trümpfe ihrer Rivalen zu übernehmen.“
Allerdings habe Recep Tayyip Erdogan den Niederlanden unwillkürlich geholfen: „Die groß angelegte Werbekampagne im Vorfeld des Referendums über einen Ausbau der türkischen Präsidenten-Befugnisse, die die Regierung in Ankara in Holland starten wollte, ermöglichte dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, sich als resoluter Beschützer der nationalen Souveränität und Würde zu präsentieren. Geert Wilders, der dieselbe Ware anbot, landete in einer weniger vorteilhaften Lage.“
Der Wahlkampf in Frankreich sei durch Nervosität, Unvorhersagbarkeit und ständige Skandale gekennzeichnet, die Kandidaten seien mit Vorwürfen überschüttet. Frankreich stehe vor einer schwierigen Wahl, die auch die Zukunft der EU beeinflussen werde, hieß es.
„Der von allen erwartete Besuch der deutschen Kanzlerin in den USA verlief erstaunlich glatt und wohlwollend, mit gegenseitigen Achtungserweisen. Alles wäre gut gewesen, hätte es nicht jenen wuchtigen Tweet im Nachhinein gegeben, dass Deutschland den USA und der Nato ‚riesige Summen‘ für die Sicherheit schulde. Es entsteht der Eindruck, dass Donald Trump in der Öffentlichkeit aus Leibeskräften versucht, sich ‚anständig‘ zu benehmen, um dann beim Selbstausdruck im Cyberraum kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ob dieser Selbstausdruck ernstgenommen werden soll, ist auch nicht ganz verständlich. Wie dem auch sei, Merkels Besuch hat nicht den Eindruck beseitigt, dass im transatlantischen Verhältnis alles unklar ist“, so Lukjanow.
Ein äußerst wichtiger Faktor für die EU sei der Auftakt einer realen Abgrenzung von Großbritannien. Es sei mittlerweile klar, dass die Entscheidung endgültig gefallen sei: „Dies bedeutet mehr als den bloßen Start des Austritts-Verfahrens. London und Brüssel werden zu harten Konkurrenten im Streit um Scheidungsbedingungen.“
„Die EU muss alle anderen Länder überzeugen, dass eine Beteiligung an der Integration günstiger ist als eine Nichtbeteiligung. Großbritannien braucht das Gegenteil zu belegen. Das ist kein bilaterales Thema, sondern eine Frage nach der Zukunft des ganzen Einheits-Modells für Europa. Es geht darum, ob dieses Modell im bisherigen Rahmen trotz einer Transformation weiter bestehen wird oder eine komplette Revision beginnt“, postuliert Lukjanow.
Zwar habe die europäische Integration tatsächlich die Welt geändert, doch diese geänderte Welt sei nicht erstarrt, sondern entwickle sich weiter: „Wenn alles so weitergeht, wie es sich jetzt abzeichnet, laufen die wirklich hervorragenden Errungenschaften der Integration das Risiko, zu einem Gegenstand der Geschichte zu werden, anstatt ein Gegenstand der aktuellen Politik zu bleiben.“
Quelle : sputnik.de
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