Wendehals Deutschland - Die Türkei hat keinen Partner

  31 März 2017    Gelesen: 390
Wendehals Deutschland - Die Türkei hat keinen Partner
Wenn sich eine "geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland" richtet, ist es eine Straftat die verfolgt werden muss. Dieses Gesetz gibt es auch in der Türkei und erfasst auch Tätigkeiten, die im Exil fortgeführt werden. Weshalb die türkische Regierung sich nicht wehren darf, wenn eben solche Tätigkeiten sich gegen die Türkei richten, vor allem dann, wenn gesuchte Personen oder Kreise sich in der Bundesrepublik aufhalten, diese Antwort bleibt die Bundesregierung schuldig.
Kommentar / TP - In Paragraf 99 des deutschen Strafgesetzbuchs steht, dass die "geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland", wenn sie sich gegen die Interessen der Bundesrepublik richten, als Straftat zu betrachten ist. In der Türkei gibt es einen ähnlichen Paragrafen, der vor allem nach dem gescheiterten Putschversuch immer wieder in Ermittlungsverfahren angewendet wurde. Für die Türkei ist die Gülen-Bewegung eine Terrororganisation, seit dem der gescheiterte Putschversuch ihnen zur Last gelegt wird.
Seither haben sich etliche mutmaßliche Gülen-Aktivisten, darunter die ehemaligen Generalstaatsanwälte Zekeriya Öz, Celal Kara sowie Mehmet Yüzgec oder der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet, Can Dündar, ins Ausland abgesetzt. Spektakulär war u.a. die Flucht von Dündar, der nur wenige Wochen vor dem Putschversuch und kurz nach einem Urteil des Verfassungsgerichts - Dündar´s Beschwerde gegen die U-Haft war erfolgreich - das Land verließ und seitdem in Deutschland untergetaucht ist - ganz zu schweigen von den etlichen türkischen Diplomaten, Militärangehörigen und Beamten, die sich nach dem Putschversuch ebenso in Europa niedergelassen haben.
In anbetracht der Tatsache, dass die Türkei dieser Personen oder Kreise nicht habhaft werden kann, auch wenn sogar Haftbefehle beim Interpol vorliegen - deren Generalsekretär Jürgen Stock ist, ein ehemaliger Vizepräsident des BKA -, nicht verwunderlich, dass die Türkei vielleicht dazu übergeht, diese Personen selbst zu beobachten, ihre Schritte mitverfolgt, Personen ebenfalls ins Visier nimmt, die mit diesen gesuchten Personenkreisen verkehren oder zusammenkommen, um an weitere Informationen zu kommen. Schließlich geht es der türkischen Regierung wie der Bundesregierung um den gleichen besagten Paragrafen: gegen die Interessen des Staates.
Jetzt werden zwar in Deutschland gegen "Unbekannt" Ermittlungen angestrengt, laut Innenminister de Maizière gebe es aber keine Beweise für türkische Spionage gegen rund 300 Menschen und Einrichtungen in Deutschland, sondern nur "lange Hinweise", also Indizien. De Maizière sagte auch sehr deutlich: "Auslandsaufklärung durch Dienste ist ok. Es ist auch so, dass jeder Staat uns gegenüber mitteilen muss, so und so viele Mitarbeiter in der Botschafter arbeiten für den Dienst. Dann gibt es eine offizielle Kooperation. Aber hinter unserem Rücken mit Mitarbeitern, die nicht registriert sind, hier Spionage zu machen, das geht nicht." - doch weshalb nun eine Liste die offiziell vom türkischen Nachrichtendienst MIT an den BND gerichtet, plötzlich publik gemacht wird, ja sogar dazu führt, dass diese dazu dient, diese Personen in der Liste zu warnen, kann mit keinem gesunden Menschenverstand erklärt werden.
Merkwürdig auch, dass die Bundesregierung alle Hände voll zu tun hat, die türkischen Interessen geflissentlich in Abrede stellen zu wollen, in dem jetzt diese berechtigten Spionageergebnisse, die letztendlich durch die europäische Gesamtpolitik gegenüber der Türkei losgetreten wurde, als Akt gegen die Bundesrepublik betrachtet wird. Und das alles wegen einer Gülen-Bewegung? Bislang hat es die Bundesrepublik nicht gestört, wenn der türkische Geheimdient MIT in Deutschland Informationen über PKK-Sympathisanten und Aktivisten sammelte oder über die türkische linksextremistische Szene in Deutschland sehr gut informiert war. Schließlich kooperierte man hier auch seit Jahrzehnten ohne Widerspruch, u.a. daran zu erkennen, dass im Münchner 129b-Prozessverfahren auch Spionage-Ergebnisse der türkischen Behörden hinzugezogen wurden.
Dabei war allen Akteuren in Deutschland, angefangen von der Bundesregierung, bis hin zu den Nachrichtendiensten seit langem bekannt, dass die Gülen-Bewegung in Teilen der türkischen Politik und Gesellschaft lange Zeit einen guten Ruf genoß, was wohl auch die Etablierung der Bewegung in Deutschland erklärt. Sehr wahrscheinlich wird die Gülen-Bewegung gar seine vormals guten Kontakte zur türkischen Staatsführung gegenüber den Deutschen als Referenz verwendet haben. Es wäre nicht verwunderlich, wenn man im Werdegang der Etablierung der Gülen-Institutionen in Deutschland auch auf Zeugnisse politischer oder diplomatischer Unterstützung aus der Türkei stößt. Das erklärt auch, weshalb am Anfang sehr viele namhafte deutsche PolitikerInnen sich als Leumund zur Verfügung stellten und mittlerweile einen großen Bogen drum machen.
Höchst interessant erscheint dabei die in der Vergangenheit gezeigte kritische Haltung zur Gülen-Bewegung durch deutsche Medien und die gegenwärtige Haltung. Es ist augenfällig, dass man in Deutschland neuerdings bestrebt ist, diese Organisation zu verharmlosen. Dabei belegen frühere Zeugnisse - medialer und politisch-administrativer Natur - dass man die Gülen-Bewegung sehr wohl als potenzielle Gefahr einzustufen pflegte. Was die Bundesregierung mit dieser Verharmlosungsstrategie jetzt bezweckt, in dem sie die Gülen-Bewegung oder Personenkreise ganz offen schützt, Rechtfertigungsszenarien aufbereitet, lässt Fragen offen. Wieso die gesuchten Personen, vor allem die ehemaligen türkischen Generalstaatsanwälte, die für die unzähligen Verhaftungen während der Ergenekon- und Balyoz-Verfahren verantwortlich sind, in Deutschland noch immer die Freiheit genießen, ist ebenso zu hinterfragen, wie die jetzige Empörungswelle, die über die Bundesrepublik eins ums andere mal jetzt überschwappt.

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