Die Deutsche Telekom bricht das Mobilfunk-Tabu

  04 April 2017    Gelesen: 381
Die Deutsche Telekom bricht das Mobilfunk-Tabu
Der Kampf um die Mobilfunknutzer wird schärfer. Jetzt greift die Deutsche Telekom mit einer Gratis-Flatrate für Musik- und Video-Streaming auf dem Smartphone an. Das könnte die Netzneutralität gefährden.
In der Wahl seiner Worte ist Niek Jan van Damme nicht bescheiden. „Wir revolutionieren den deutschen Mobilfunkmarkt“, verspricht der Deutschland-Chef der Deutschen Telekom. Wer bei der Telekom einen Magenta-Mobil-Tarif ab der Größe „L“ hat, kann künftig kostenlos Musik und Videos streamen, ohne dafür sein Datenvolumen zu verbrauchen. Im kleineren „M“-Tarif ist lediglich das Musikstreaming enthalten. Damit führt die Telekom für viele ihrer Nutzer praktisch eine Gratis-Flatrate für Musik und Videos auf dem Smartphone ein.

Tatsächlich explodieren die Datenmengen in den Mobilfunknetzen vor allem, weil Nutzer auch von unterwegs auf ihren Geräten Videos ansehen und Musik hören. Etwa jeder vierte Smartphone-Nutzer stößt im Laufe des Monats an seine Datengrenze – und wird danach so weit ausgebremst, dass Musik- und Videostreaming nicht mehr möglich ist. Doch schon vorher halten sich viele Nutzer aus Kostengründen zurück.

Denn wer nach Verbrauch seines Datenvolumens das mobile Internet weiter in hoher Geschwindigkeit nutzen will, muss einen Tarifzuschlag zahlen. „Nutzer haben Angst davor, ihr Datenvolumen zu verbrauchen“, sagte Telekom-Chef van Damme im Gespräch mit der „Welt“. Dabei gehöre das Video- und Musikstreaming inzwischen zum Teil des normalen Lebens. „Mit dieser Angst machen wir jetzt Schluss.“

Telekom sieht sich auf der sicheren Seite

Dabei ist der jüngste Vorstoß nicht der erste Versuch einer Gratis-Flatrate. Die Telekom hatte bereits auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) 2012 eine Kooperation mit dem Musikstreaming-Dienst Spotify vorgestellt, wonach das Musikhören auf dem Smartphone nicht auf das Datenvolumen der Telekom-Kunden angerechnet wurde.

Doch diese Flatrate hatte die Telekom im März des vergangenen Jahres wieder eingestellt und als Begründung das Inkrafttreten einer neuen EU-Verordnung zur Netzneutralität angegeben. Darin wird vorgegeben, dass nicht einzelne Dienste bevorzugt behandelt werden dürfen. Telekom-Kunden werden also seit April 2016 auch beim Spotify-Streaming nach Volumenverbrauch wieder ausgebremst, oder sie müssen einen Aufschlag zahlen.

Mit dem neuen Angebot sieht sich die Telekom auf der sicheren Seite. Es habe im Vorfeld Gespräche mit der Bundesnetzagentur gegeben. Man sei der Meinung, sich an die Regeln der Europäischen Kommission zu halten. „Wir verletzen hier keine Netzneutralitätsregeln, weil wir alle Interessenten und Partner gleich behandeln“, sagte Telekom-Manager van Damme. Voraussetzung sei, dass es sich bei den Diensten um ein legales Angebot handele.

Die Gratis-Flatrate startet mit gut 20 Partnern, weitere sollen schnell hinzukommen. Beim Musikstreaming sind Apple Music, Juke, Amazons Music Unlimited, Napster und radioplayer.de dabei. Mit Spotify und Deezer würden derzeit Gespräche geführt. Zum Teil müssten noch einige technische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Nutzer müssen keine Dienste der Telekom abonnieren

Videos können nun ohne Datenverbrauch unter anderem von Netflix, Amazon Prime Video, YouTube und einigen Medientiteln wie ZDF und auch der „Welt“ gestreamt werden. Nach Angaben der Telekom werden den Anbietern für das Durchleiten ohne Volumenbeschränkung keine Kosten in Rechnung gestellt. Auch müssen die Nutzer nicht die Dienste über die Telekom abonnieren. Die neuen Angebote gelten für bisherige und für neue Kunden ab dem 19. April. Obwohl sie kostenlos sind, müssen sie extra hinzugebucht werden.

In den meisten Telekom-Tarifen werden die Nutzer jedoch ihre Videos in einer Auflösung sehen, die unter HD-Qualität liegt. Nach Angaben der Telekom ist die Qualität „vergleichbar mit der DVD-Qualität“. Wer sowohl Festnetz- als auch Mobilfunknutzer und im MagentaEins-Tarif der Telekom ist, bekommt ab dem Tarif MagentaMobil M sogar Videos in HD-Qualität gestreamt.

Die amerikanische Telekom-Tochter T-Mobile US bietet Musikstreaming ohne Datenverbrauch mit mehreren Musikdiensten bereits seit 2014 an. Inzwischen hat das Unternehmen in den USA 45 Musik-Partner. Das kostenlose Video-Streaming-Angebot „Binge On“ umfasst dort sogar 124 Dienste. Das neue Angebot der Telekom dürfte vor allem den Konkurrenten Vodafone unter Druck setzen. Telefónica hat bereits im vergangenen Oktober die strenge Geschwindigkeitsdrossel aufgehoben und erlaubt seinen Kunden, in den O2-Free-Tarifen das mobile Internet nach dem Verbrauch ihres Datenpaketes mit einer Geschwindigkeit von bis zu einem Megabit pro Sekunde weiter zu nutzen.

Quelle : welt.de

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