Das Nord-Stream-2-Projekt sieht den Bau von zwei Strängen am Ostseeboden zwischen Russland und Deutschland vor, deren Kapazität bei insgesamt 55 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich liegen soll. Die neue Pipeline soll neben der ersten verlegt werden. Für die Umsetzung des Projektes ist eine formelle Zustimmung Russlands, Finnlands, Schwedens, Dänemarks und Deutschlands erforderlich.
Berlin befürwortet den Bau der neuen Pipeline. Aus seiner Sicht geht es um ein rein kommerzielles Projekt, das den deutschen und europäischen juristischen Normen entsprechen muss. Der Chef des russischen Energieriesen Gazprom, Alexej Miller, führte früher an, dass die Transportkosten des Gases über Nord Stream um etwa 40 Prozent unter denen für Lieferungen durch die Ukraine liegen würden.
„Das Nord-Stream-2-Projekt gefällt uns aus politischer Sicht nicht, aber die Kommission hat keine juristischen Gründe, sich dem Nord-Stream-2-Projekt entgegenzustellen, denn die EU-Regeln gelten nicht für den Gewässerabschnitt der Leitung“, sagte die Sprecherin der EU-Kommission, Anna-Kaisa Itkonen.
Damit bleiben nur noch die Ukraine, Polen und Litauen überzeugte Gegner des zweiten Nord-Stream-Projekts.
In Kiew und Warschau besteht man nach wie vor darauf, dass es vor allem um ein politisches Projekt gehe. Die Sprecherin des polnischen Außenministeriums, Marta Babicz, schloss nicht aus, dass Deutschland von einem einzigen Gaslieferanten abhängig werden könnte, und zwar durch die Ostsee. „Das neue Gazprom-Projekt widerspricht auch der EU-Politik gegenüber der Ukraine. Einerseits leistet Brüssel der Ukraine finanzielle Hilfe, andererseits aber lässt es sich gefallen, dass die Ukraine Haushaltseinnahmen für den Gastransit verliert“, betonte sie.
Von den wirtschaftlichen Folgen des möglichen Verlustes des Gastransits spricht man auch in Kiew. Aber das ist nicht der einzige Grund. Es könnte nämlich Probleme mit der technischen Ausgeglichenheit des ganzen ukrainischen Pipelinesystems geben.
In Berlin hat man jedoch auf diese Befürchtungen der Polen und Ukrainer eine Antwort parat: Die Bundesrepublik muss nicht fremde Haushalte füllen. Wie Wintershall-Chef Mario Mehren in einem Interview für das „Handelsblatt“ sagte, machen sich Warschau und Kiew „vor allem die Sorge, dass sie weniger Transitgebühren bekommen. Darauf können wir aber keine Rücksicht nehmen. Wir transportieren Gas grundsätzlich auf dem direktesten und günstigsten Weg von Sibirien zu den Verbrauchern in Nordwesteuropa. Gastransport ist kein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung von Drittstaaten.“
Was die Nord-Stream-2-Perspektiven angeht, so findet der Analyst Asret Gulijew vom Finanzhaus Solid, dass, wenn die Europäer die ukrainische Wirtschaft unterhalten, dabei aber um ihre Gasversorgung im Winter bangen wollen, dann würden sie den Bau der Nord-Stream-2-Leitung nicht zulassen. Wenn sie aber eine relativ billige und zuverlässige Gasversorgung brauchen, dann werden die Seiten versuchen, eine Einigung zu finden, so der Branchenkenner.
„Dänemark wird es nicht gelingen, seine Gesetze zu novellieren“, zeigte sich der Experte von Sberbank Investment Research Valeri Nesterow überzeugt. „Zumal das den Interessen Deutschlands widerspricht.“ Allerdings könnte man die Umsetzung dieses Projektes bis 2019 hinauszögern, wenn die aktuellen Transitverträge zwischen Russland und der Ukraine auslaufen. „Dadurch könnte Russland in eine schwierige Lage geraten“, warnte der Experte.
Gestern wurde bekannt, dass die USA ihre Russland-Sanktionen verlängern könnten. Davon könnten unter anderem Investoren betroffen werden, die in den Bau von russischen Rohrleitungen mehr als eine Million Dollar gesteckt haben. Am Ende könnten die neuen Restriktionen die Finanzierung aller Gazprom-Projekte von Nord Stream 2 bis zur „Kraft Sibiriens“ übertreffen.
Tags: