Auf nach Europa
Einer, der auf dem besten Weg ist, das zu schaffen, ist Tesla. Ein anderer, der Ähnliches vorhat, ist Lynk & Co. Was wie eine Unternehmensberatung oder Anwaltssozietät klingt, ist in Wahrheit eine Neugründung des chinesischen Geely-Konzerns. Gut, könnte man jetzt sagen, im Reich der Mitte gibt es unzählige Automarken, die hierzulande keine Rolle spielen. Doch Lynk & Co (sprich "Linkändko") hat Großes vor: Acht Modelle soll das Produktportfolio einmal umfassen, jedes Jahr soll ein neues Fahrzeug auf den Markt kommen und schon bald will man 500.000 Autos pro Jahr verkaufen. Diese Zahl ist selbst in einem riesigen Markt wie China für einen Neuling schwer zu stemmen – da braucht es schon Kunden im Ausland. Und genau auf die hat es Lynk & Co abgesehen.
Kritiker mögen jetzt einwenden, dass es bislang noch kein chinesischer Hersteller geschafft hat, in Europa oder den USA Fuß zu fassen. Das ist richtig. Doch während ein Marktstart von Qoros, Hongqi oder Brilliance auch in naher Zukunft eher unwahrscheinlich ist – und auch die Pläne der inzwischen im Reich der Mitte beheimateten Bremer Traditions-Marke Borgward eher Wunschträume zu sein scheinen –, könnte Lynk & Co es tatsächlich schaffen. Schließlich bekommt das junge Unternehmen äußerst prominente Schützenhilfe.
Schützenhilfe von Volvo
Neben Lynk & Co und London Taxi gehört nämlich auch ein alter Hase des Automobilbaus zum Geely-Konzern: Volvo. Und mit der Schweden-Technik unter der Haube sehen die Erfolgschancen für Lynk & Co schon deutlich besser aus. Schließlich wissen die Skandinavier, wie man Autos auf Premium-Niveau baut. Als Basis für die Lynk-Modelle dient Volvos neue CMA-Plattform, auf der auch die kommende 40er-Serie aufbaut, also S40, V40 und XC40. Die ist in der Länge variabel, die chinesischen Autos können sich also durchaus größenmäßig von den schwedischen unterscheiden und werden mehr als nur umgebaute Volvos sein. Was die Plattform aber garantiert, sind hohe Qualität und noch höhere Sicherheitsstandards – zwei Punkte, mit denen die chinesischen Hersteller bislang immer Probleme hatten.
Die Basis scheint also zu stimmen und auch für das Design setzt Lynk & Co-Chef Alain Visser, der früher schon mal bei GM hohe Ämter begleitet hat, auf schwedische Expertise. Ex-Volvo Designer Peter Horbury zeichnet für die Gestaltung verantwortlich. Da sollte eigentlich nichts schiefgehen können, meint man. Doch Horburys erste Würfe lassen durchaus den einen oder anderen Zweifel aufkommen. Schon Ende 2016 enthüllte Lynk & Co das Modell 01 in Berlin und sorgte damit für Aufsehen. Das mittelgroße SUV erinnerte nicht wenige an einen Porsche Macan, allerdings an einen aus der Feder eines Disney-Zeichners. Während die Front mit den hoch angesetzten Scheinwerfern noch irgendwie als gefällig durchgehen kann, wirkt das schwerfällige Heck mit verschrobenen Rückleuchten doch recht befremdlich.
Solide Qualität
Daran hat sich auch in der Serienversion des 01, die Lynk & Co jetzt auf der Auto Shanghai präsentiert hat, nichts mehr geändert. Aber gut: In Zeiten immer ähnlicher werdender Autos ist es vielleicht nicht das Schlechteste, zu polarisieren. Anders als noch in Berlin ist jetzt auch der geräumige Innenraum fertig. Der wiederum präsentiert sich ansprechend, aufgeräumt und wohnlich. Ein großes Infotainment-Display dominiert die Mittelkonsole, außenrum gibt es für ein asiatisches Auto äußerst wenige Knöpfchen und die Instrumente hinter dem griffigen Volant sind volldigital. Auch die Verarbeitung und Materialauswahl des Ausstellungsautos gehen in Ordnung und vielleicht wird bis zum Serienstart das eine oder andere schnöde Hartplastikteil auch noch ersetzt.
Unter der Haube werden Volvo-Motoren ihren Dienst tun, also vor allem die bekannten Zwei-Liter-Turbos. Lynk & Co plant aber auch einen Plug-in-Hybriden auf Dreizylinder-Basis und eine reine E-Version. Visser verspricht: "Jedes unserer Autos wird auch in einer elektrifizierten Variante angeboten werden." Das gilt also auch für die Limousine 03, die als Studie auf der Messe in Shanghai zur Schau gestellt wurde und das 01-Design konsequent fortführt. Hält Horbury das durch, wäre Lynk & Co eine der ersten chinesischen Marken mit Familien-Gesicht.
Voll vernetzt und lebenslange Garantie
Neben der bewährten Volvo-Technik setzt Geely bei Lynk & Co vor allem auf Vernetzung. Alle Modelle sollen mit modernster Kommunikationstechnik ausgestattet sein, außerdem arbeitet Geely an einer eigenen App und will seine Autos auch miteinander verbinden. So können sie zum Beispiel Verkehrsdaten simpel austauschen. Auch wenn die Car2Car-Kommunikation markenübergreifend noch effizienter wäre, ist Lynk & Co damit technisch auf jeden Fall ganz vorne dabei. Und das Beste: Die Konnektivitätsdienste sollen alle im Preis dabei sein – genauso wie eine lebenslange Garantie für Neuwagenkäufer.
Ob die junge Marke das alles tatsächlich umsetzen kann, wissen wir spätestens Ende des Jahres. Dann sollen die ersten Autos in China an den Start gehen, mit Verkaufsstellen in rund 100 Großstädten. Nach Deutschland will Lynk & Co Ende 2019 aufbrechen. Was aber schon jetzt bekannt ist: Klassische Händler wird es nicht geben, die Fahrzeuge sollen über das Internet oder kleine Showrooms, zum Beispiel in Einkaufszentren, vertrieben werden. Den Service wiederum sollen die Volvo-Händler übernehmen – auch das spricht für Qualität.
Quelle: n-tv.de
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