Warum Skandinavien so gut ist
Im vergangenen Jahr lag Norwegen noch auf Platz drei, nun erhält es den Titel des Landes mit der weltweit größten Pressefreiheit. Nachbar Schweden lag 2016 noch auf Rang acht, 2017 ist es der zweite. Sechs Jahre lang führte Finnland das ROG-Ranking an. 2017 reicht es nur noch für den dritten Platz. Der Grund für die Verschlechterung: Im Frühjahr 2016 hatten Behörden einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Repressalien angedroht, falls Mitarbeiter gesammeltes Material aus den Panama Papers nicht übergeben.
Dennoch herrschen in Skandinavien ROG zufolge gute Bedingungen für Medienvertreter. Nirgendwo anders gebe es derartig viele Zeitungsleser und eine entsprechende Vielfalt an Presseerzeugnissen: Norweger können beispielsweise zwischen rund 200 verschiedenen Zeitungen wählen. Webseiten und Online-Medien seien frei zugänglich und nicht staatlich zensiert. Behörden seien auskunftspflichtig und der Schutz von Informanten werde respektiert. Das gelte auch für Dänemark. Vor allem dank staatlicher Subventionen für Medienhäuser belegt das Land in der internationalen Rangliste Platz vier.
Deutschlands Problem
Zwar behält Deutschland seine Platzierung aus dem Vorjahr bei, dennoch reicht es nur für Rang 16 - und damit für das Mittelfeld innerhalb Europas. 2015 lag Deutschland in der Statistik noch auf Platz 12. Todesdrohungen, Gewalt und Anfeindungen gegen Journalisten verweisen die Nation im Presse-Ranking nach hinten. Vor allem bei Demonstrationen werden Medienvertreter von Rechtsradikalen und Rechtspopulisten beschimpft und angegriffen, bemängeln die Reporter ohne Grenzen. Auch der Informantenschutz leide zunehmend.
Gesetze und staatliche Überwachung schränkten Recherchen sowie Veröffentlichungen geheimer Informationen ein. Zudem verweisen die Reporter auf die wirtschaftliche Krise von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Dadurch würden Redaktionen zusammengelegt oder ganz eingestellt werden, was die Medienvielfalt schmälere. Auch die Affäre um das Schmähgedicht von Komiker Jan Böhmermann dürfte die vergleichsweise schlechte Platzierung beeinflusst haben. ROG berichten von einer "Schere im Kopf" in Bezug auf die Berichterstattung über die Türkei, die Journalisten daran hindere, bestimmte Themen aufzugreifen und kritisch zu berichten.
USA, Großbritannien, Frankreich, Polen und Italien
Von 2016 zu 2017 sind die USA um zwei Plätze gefallen und rangieren nun auf 43. Nicht nur der neu gewählte US-Präsident übe zunehmend Kritik an den Medien, sondern vor allem die US-Geheimdienste behinderten die Pressefreiheit. Sie verfolgen laut ROG in einem bisher nie dagewesenen Maße Whistleblower und stellen diese vor Gericht. In Großbritannien beeinflusse die politische Lage die Situation der Medienvertreter ebenso: Das Land sinkt im Vorjahresvergleich um zwei Plätze auf Rang 40. Im Zuge des Brexit sollen Medienvertreter mehrfach verbal attackiert worden sein. Ein neues Gesetz weite darüber hinaus die Befugnisse der Geheimdienste aus.
Auch Frankreich schneidet im internationalen Vergleich nicht gut ab. Zwar macht die Grande Nation mit einem Sprung auf Rang 39 sechs Plätze zu 2016 gut, der Anschlag auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" im Januar 2015 dürfte das Ergebnis im vergangenen Jahr aber auch zusätzlich gedrückt haben. Französische Journalisten beklagen Anfeindungen französischer Politiker während des Präsidentschaftswahlkampfes, schreibt die Journalistenorganisation. Für Polen geht es von Platz 47 im Vorjahr auf 54. Durch eine Machtausweitung der Regierung sollen mehr als 220 Journalisten der öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre Anstellungen verloren haben. Kritischen Medien in Polen mangele es zudem an Anzeigenkunden.
Eine positive Entwicklung ist in Italien zu beobachten. Das Land ist der große Aufsteiger der ROG-Rangliste. Italien verbessert sich um 25 Plätze von Rang 77 auf 52. Trotzdem liegen die Italiener im europäischen Vergleich weit hinten. Viele Journalisten seien ROG zufolge durch die organisierte Kriminalität und die Mafia bedroht.
Russland und Türkei
Im unteren Drittel des Pressefreiheit-Rankings liegen Russland und die Türkei. Russland hält seinen Vorjahresplatz mit Rang 148. Seit 2000 seien Fernsehsender unter staatlicher Kontrolle, Kreml-kritische Journalisten müssten mit Attentaten und Gewaltanschlägen rechnen. Zahlreiche Internetseiten seien für Anfragen aus Russland gesperrt. Regierungskritiker würden teilweise festgenommen, ihre Blogs gelöscht. Aktuell befinden sich ROG zufolge drei Journalisten aufgrund ihrer Arbeit in Haft, zwei Medienvertreter sollen zwischen Januar und Dezember 2016 getötet worden sein.
Ähnlich sieht die Lage in der Türkei aus. Dort befänden sich derzeit 49 Journalisten in Haft - darunter der deutsch-türkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel. Die Türkei sei damit weltweit das Land mit den meisten inhaftierten Journalisten, wie das ROG-Barometer zeigt. Damit landet die Türkei im Ranking auf Platz 155 und verliert vier Ränge im Vorjahresvergleich. Durch den Putschversuch im Juli 2016 sollen 700 Journalisten ihre Presseausweise verloren und etwa 150 Medien gänzlich eingestellt worden sein. Eine kritische Berichterstattung türkischer Journalisten sei durch die Verflechtung von Medien mit Wirtschaft und Politik beinahe unmöglich.
Costa Rica und Jamaika vor Deutschland
Costa Rica belegt in der ROG-Statistik den sechsten Platz. Mehrfach kippten Gerichte Gesetze, die die freie Berichterstattung von Medienvertretern einschränken sollten, berichten die Reporter ohne Grenzen. Doch Costa Rica ist nicht der einzige Staat auf dem amerikanischen Kontinent, der in den Top Ten vertreten ist. So platziert sich Jamaika auf dem achten Rang. In dem Karibikstaat seien Eingriffe in die Pressefreiheit selten. Zudem werde in den verschiedenen Medien eine breite Meinungsvielfalt abgebildet. Trotzdem komme es zu Einschüchterungen, weshalb jamaikanische Journalisten teilweise auf kontroverse Berichterstattungen verzichten.
Medienkontrolle in Nordkorea
Auf den Schlussrängen hat sich im Jahresvergleich kaum etwas bewegt. Auf den Plätzen 170 bis 180 finden sich 2017 jene Diktaturen, die auch 2016 am schlechtesten abgeschnitten haben - darunter Kuba, China und Syrien. Das Schlusslicht bildet Nordkorea auf Rang 180. Machthaber Kim Jong Un habe das Land weitestgehend von der Außenwelt abgeriegelt. Er nutze Staatsmedien hauptsächlich zu Propagandazwecken und stelle den Konsum ausländischer Medien unter Strafe. Ins Ausland telefonieren oder im Internet recherchieren sei Nordkoreanern laut ROG untersagt.
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