Am Freitagabend haben anonyme Hacker vertrauliche Dokumente aus Emmanuel Macrons Wahlkampfteam ins Internet gestellt. Die Pressestelle von Macrons Bewegung "En Marche" teilte kurz vor Mitternacht mit, man sei Ziel eines Angriffs geworden. Die Täter hätten interne Informationen wie E-Mails, Rechnungen und Verträge erbeutet und im Netz verbreitet.
Wie reagiert Frankreich?
Sehr verhalten, und das liegt vor allem an gesetzlichen Vorgaben. Seit Freitag um Mitternacht ist der Wahlkampf in Frankreich offiziell beendet und es gilt ein Verbot für jede Form von Parteienwerbung - auch für Privatpersonen, die sich in Blogs, sozialen Medien oder auf Twitter äußern. Wer dagegen verstößt, macht sich strafbar.
Die französische Wahlkommission warnte am Samstag denn auch explizit davor, die geleakten Dokumente zu veröffentlichen. Man rufe die Nutzer des Internets und der sozialen Netzwerke, alle Bürger und die Medien dazu auf, "Verantwortungsbewusstsein zu zeigen und diese Inhalte nicht zu verbreiten, um die Wahrhaftigkeit der Wahl nicht zu beeinträchtigen".
Der noch amtierende Präsident François Hollande sagte am Samstag, der Angriff werde nicht "ohne Antwort bleiben". Sollten tatsächlich Dokumente gehackt oder gefälscht worden sein, gebe es Verfahren, "die dann in Kraft treten". Hollande rief jedoch dazu auf, zunächst die Ermittlungen abzuwarten.
Warum tauchen die Dokumente gerade jetzt auf?
Vieles deutet darauf hin, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung sehr bewusst gewählt wurde. Denn laut Macrons Wahlkampfteam hatten Unbekannte bereits vor einigen Wochen persönliche und berufliche E-Mail-Konten von Schlüsselpersonen der politischen Bewegung verschafft und die Interna kopiert.
Die Täter mögen darauf spekuliert haben, dass sich Macrons Team am Wochenende der Wahl nicht mehr zu den Vorwürfen äußernd darf - und dass deshalb viel Raum bleibt für Spekulationen. Allerdings musste auch der Front National seine Angriffe mit dem Wahlkampfverbot einstellen. Der FN stellt Macrons Gegenkandidatin Marine Le Pen in der Stichwahl um das Präsidentenamt.
Wie wurden die MacronLeaks bekannt?
Ein Nutzer mit dem Namen "EMLEAKS" veröffentlichte die Links zu den rund neun Gigabyte Daten am Freitagabend auf der Plattform Pastebin. Später tauchten die Links auch bei 4Chan auf, einer Website, auf der sich einst die Anonymous-Bewegung formierte. Richtig bekannt wurden die Links jedoch erst, als Twitternutzer sie aufgriffen.
Der erste Tweet dazu stammt offenbar von Jack Posobiec, der das Washingtoner Büro von The Rebel Media leitet, einer stramm rechten Kommentarplattform für Nordamerika. Posobiec war nach eigenen Angaben auch Mitarbeiter von Citizens for Trump, einer Organisation, die Donald Trump im Wahlkampf unterstützte.
Posobiec war es auch, der als erster den Hashtag #MacronLeaks benutzte. Das war am Freitag, 5. Mai, um 20.49 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit, also etwas mehr als drei Stunden vor Ende des offiziellen Wahlkampfs in Frankreich. Das zumindest ergaben die Analysen von DFRLab, einem Labor für digitale Forensik, hinter dem der amerikanische Thinktank Atlantic Council steht.
Zwei Stunden später tauchten der Hashtag #MacronLeaks und die Links zu den Dokumenten auch in Tweets aus Frankreich auf. Um 23.40 Uhr, also 20 Minuten vor Wahlkampfschluss, twitterte schließlich der Vizechef des Front National, Florian Philippot, über #MacronLeaks.
Er spekulierte über den Inhalt der Dokumente, ohne sie zu kennen: "Erfahren wir nun, was der investigative Journalismus uns bewusst verschweigt? Erschreckend, dieser Schiffbruch der Demokratie", schreibt er in dem Tweet.
Ist das Material echt?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es kaum möglich, verlässliche Aussagen über Inhalt und die Authentizität der geleakten Dokumente zu machen. Das scheitert schon am enormen Umfang von neun Gigabyte. Eine Auswertung Abertausender E-Mails und sonstiger Dokumente kann Dutzende Rechercheure über Wochen beschäftigen. Die Auswertung der Panama Papers beispielsweise dauerte ein Jahr. Ähnlich lange durchforsteten Journalisten aus ganz Europa Dokumente bei den Football Leaks.
Die französische Wahlkommission behauptete jedoch bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden der Dokumente von MacronLeaks, dass sich darunter wahrscheinlich auch Fälschungen befänden. Die französische Journalistin Marie Turcan berichtet via Twitter von einer PDF-Datei, in der Indizien für Manipulationen entdeckt worden seien.
In dem Dokument, das angeblich auf ein Offshorekonto von Macron hinweist, lassen sich demnach Textinhalte verschieben, obwohl es sich eigentlich nur um ein abfotografiertes Papier handeln sollte. Turcan wertet das als klares Indiz dafür, dass es sich um ein manipuliertes Dokument handelt. Woher die einzelnen Dokumente jeweils stammen, lässt sich allerdings schwer nachprüfen.
Wer könnte hinter MacronLeaks stecken?
Der oder die Urheber sind bislang nicht bekannt. Macrons Team "En Marche" hatte Ende April unter Berufung auf die IT-Sicherheitsfirma Trend Micro berichtet, seine Wahlkampagne sei Ziel der Hackergruppe Pawn Storm geworden. Westliche IT-Sicherheitsfirmen vermuten dahinter eine Gruppe mit mutmaßlicher Nähe zu russischen Geheimdiensten, die auch hinter Hackerangriffen auf den Parteivorstand der US-Demokraten und auf die CDU stecken soll.
Die französische Regierung hatte mehrmals davor gewarnt, dass sich Russland zugunsten von Macrons rechtspopulistischer Gegnerin Marine Le Pen in den Präsidentschaftswahlkampf einmischen könnte. Le Pen gilt als russlandfreundlich.
Denkbar ist auch, dass die Partei von Le Pen, der Front National, direkt involviert ist. Le Pen hatte Macron im letzten TV-Duell indirekt vorgeworfen, ein geheimes Offshorekonto zu besitzen. Die nun publizierten Dokumente enthalten einen angeblichen Beweis für ein solches Konto. Die PDF-Datei könnte jedoch auch gefälscht sein - siehe oben.
Quelle : spiegel.de
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