Der Politologe von der Technischen Universität (TU) Dresden kritisierte, dass die SPD in den Wahlkämpfen der letzten Jahre behauptet habe, sie vertrete die klügeren und moralisch besseren Positionen. Dagegen stehe die CDU mit „stolz geschwellter Brust“ da. Sie laufe aber Gefahr, nun einen Sieg bei der Bundestagswahl im September bereits für selbstverständlich zu halten, warnte er. Und betonte mit Blick auf das gespannt erwartete Abschneiden der Alternative für Deutschland (AfD), dass deren Hoffnungen, nach den vorherigen Wahlergebnissen wie denen in Sachsen-Anhalt zur neuen „Massenpartei“ zu werden, sich „auf Dauer“ zerschlagen haben.
„Schulz-Effekt“ nur Medien-Hype ohne reale Basis
Gestärkt „in jeder Hinsicht“ sei auch die F.D.P. aus der Wahl zum Landtag in Kiel hervorgegangen und rechne sich nun wieder Chancen für den Bundestag aus. Aus Sicht des Politikwissenschaftlers fühlen sich auch die Grünen bestätigt und gefestigt.
Er fügte hinzu: „Unterm Strich ist zu sagen, dass die Zeit vorbei ist, in der die Linke sozusagen unaufhaltsam von Sieg zu Sieg schritt und es nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, bis ein rot-rot-grünes Bündnis die bürgerlichen Mehrheiten brechen würde. Tatsächlich haben die nichtlinken Parteien auch in Schleswig-Holstein die Mehrheit, aus der freilich nichts zu machen ist, solange die AfD sich nicht klar zu einem realpolitischen Kurs bekannt hat.“
Patzelt verwies darauf, dass der sogenannte Schulz-Effekt eher ein Medien-Hype sei: „Es freuten sich einfach die mehrheitlich nicht rechts eingestellten deutschen Journalisten sehr darüber, über die alte Tante SPD endlich wieder etwas Nettes schreiben zu können.“ Das habe einige Wochen zu „sich selbst verstetigenden positiven Stimmungen in der SPD“ geführt.
Der „Schulz-Effekt“ sei wahrscheinlich nun zusammengebrochen und das Beschwören von sozialer Gerechtigkeit für alle durch die SPD inhaltlich nicht ausreichend, so der Experte.
Der sogenannte Merkel-Effekt durch die „sehr verlässliche und in der Regel sehr umsichtige“ Art des Regierens von Angela Merkel habe der CDU in Schleswig Holstein geholfen. Die Wähler hätten die Entscheidungen der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise 2015 zwar als Fehler gesehen, aber ihr verziehen, meinte Patzelt im Gespräch. „Dieses Thema ist unter die Schwelle der öffentlichen Wahrnehmung gesunken. Außerdem haben viele Deutsche den Eindruck, dass die CDU samt der Kanzlerin die damals begangenen Politikfehler eingesehen hat und korrigiert. Infolgedessen wiegt das, was die Leute an Merkel schätzen schwerer als das, was sie ihr aus den Jahren 2015 und 2016 vorwerfen.“
AfD als Zünglein an der Waage im September?
Für Wahlen sei immer eine Mischung von Faktoren wie Personen, Positionen und Parteiimages ausschlaggebend, betonte der Politikwissenschaftler.„Was jeweils wichtiger ist, das wechselt von Wahl zu Wahl.“
Die CDU habe am 7.Mai in Schleswig-Holstein mit dem jugendlichen Image ihre Herausforderers Daniel Günther gegenüber einer SPD ohne wirklich überzeugenden Spitzenkandidaten punkten können. Das zeige auch, dass die Persönlichkeit des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Schulz nicht zugkräftig genug sei. Zudem sei dessen Partei „nicht mehr die klassische Partei der Unterschichten, der Arbeiterklasse, der Facharbeiter ist, sondern zu einer Akademiker- und Intellektuellen-Partei geworden“.
Er beschrieb in der Folge als möglichen Trend für die Bundestagswahl im September dieses Jahres, „dass ein Regierungswechsel hin zu einer rot-rot-grünen Bundesregierung nicht allzu wahrscheinlich ist“.
Und: „Es lässt sich erkennen, dass die nächste Kanzlerin der Republik auch wieder Angela Merkel heißen wird.“
Zudem habe die F.D.P. gute Chancen, wieder in den Bundestag einzuziehen, schätzte er ein. Der mögliche Einzug der AfD mache es aber „sehr schwer“, eine regierungsfähige bürgerliche Mehrheit zu bilden. Es zeige sich aber zudem, dass es „kein Naturgesetz gibt, nach dem CDU und Grüne zusammenwachsen müssten“. Doch erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai sei der Weg zur Bundestagswahl „wesentlich besser“ zu erkennen, so der Politologe aus Dresden.
Tilo Gräser
Quelle : sputnik.de
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