EZB zweifelt Arbeitslosenquote an

  10 Mai 2017    Gelesen: 912
EZB zweifelt Arbeitslosenquote an
Wann beginnen die Euro-Währungshüter mit dem Ausstieg aus ihrer umstrittenen Strategie extrem niedriger Zinsen? Ein neues Papier aus dem Inneren der Zentralbank skizziert bislang unbekannte Schwierigkeiten. Rückt der Zinsschritt in weite Ferne?
Die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in der Eurozone sind einer EZB-Studie zufolge womöglich stärker ausgeprägt als die offiziellen Erwerbslosenraten nahelegen. Trotz der konjunkturellen Erholung und sinkenden Arbeitslosenquoten stiegen in vielen Ländern die Löhne nur verhalten, heißt es in einem Expertenbericht der Europäischen Zentralbank (EZB).

Für die Währungshüter deutet dies darauf hin, dass mit den Zahlen zu den registrierten Erwerbslosen die Schwachstellen innerhalb des europäischen Wirtschaftssystems offenbar nicht ausreichend erfasst werden. Wenn die Annahme zutrifft, müssten die Währungshüter gewichtige Konsequenzen ziehen: Der Bericht dürfte denjenigen EZB-Ratsmitgliedern neue Argumente liefern, heißt es, die an der ultra-lockeren Geldpolitik noch länger festhalten wollen.

Um das tatsächliche Ausmaß der Job-Schwächen zu erfassen, haben Ökonomen und Statistiker der EZB damit begonnen, die bisher übliche Methodik aufzubohren: In ihre eigene Kalkulation beziehen die EZB-Experten nun auch Teilzeitbeschäftigte ein, die freiwillig Überstunden leisten, sowie weitere Personengruppen, die von der offiziellen Statistik gar nicht erfasst werden.

Schattenquote viel höher?

Einschließlich der neu erfassten Personengruppen und ihrer geleisteten Arbeit kommen die Notenbank-Experten auf eine geschätzte Unterauslastung auf dem Jobmarkt von rund 15 Prozent. Stichtag der Berechnungen ist Ende 2016. Die neuen Daten zeichnen ein sehr viel düsteres Bild von der Lage. Die offizielle Arbeitslosenquote für die Eurozone lag dagegen zuletzt nur bei 9,5 Prozent.

Unverändert gut sieht es dagegen in der größten Volkswirtschaft der Eurozone aus: Deutschland liefert auch nach der Zentralbank-Methode ein positives Bild. So ging seit 2013 die von der EZB berechnete Unterauslastung merklich zurück. "Anderswo zeigen diese breiteren Messungen hingegen, dass das Ausmaß der Schwäche am Arbeitsmarkt noch erheblich ist", schreiben die Notenbank-Fachleute. So habe sich die Lage in Italien und in Frankreich - auf Basis der neu berechneten Arbeitslosenquoten - weiter verschlechtert.

Erklärtes Ziel der Niedrigzinspolitik der EZB ist es, die Konjunktur innerhalb des gemeinsamen Währungsgebiets anzukurbeln und ein Abgleiten in eine Deflationsspirale zu verhindern. Dazu hatten die Währungshüter rund um EZB-Chef Mario Draghi den zentralen Zinssatz in den vergangenen Jahren in mehreren Schritten bis auf den historisch niedrigen Wert von 0,00 Prozent abgesenkt. Nachdem die Inflation in der Eurozone im Februar den höchsten Stand seit vier Jahren erreicht hatte, war die EZB unter Druck geraten, von ihrem umstrittenen Kurs abzurücken.

Die Nullzinspolitik birgt nach Ansicht von Kritikern erhebliche Risiken, nicht nur für Sparer und Kleinanleger. Nebenwirkungen von Draghis energischer Krisenpolitik lassen sich in Deutschland zum Beispiel am Immobilienmarkt, bei den Bankgebühren und in den Geschäftsaussichten von Versicherern erkennen.

Ende April hatte sich EZB-Präsident Draghi bereits vorsichtig optimistisch hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone gezeigt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach am vergangenen Wochenende sogar von Anzeichen für ein Ende der EZB-Niedrigzinspolitik. Er verwies darauf, dass sich die Leistungsfähigkeit der Euro-Staaten allmählich verbessere. Er sei zuversichtlich, dass es in Frankreich unter einem Präsidenten Emmanuel Macron Fortschritte geben werde, sagte Schäuble. "In Italien sind wir auf einem richtigen Weg. Auch Griechenland entwickelt sich besser als vor ein, zwei Jahren."

Schäuble sagte der "Passauer Neuen Presse" außerdem, dass "sich die wirtschaftliche Lage in der Eurozone insgesamt verbessert hat und die Sorge vor einer Deflation verschwunden ist". Es gebe demnach, "Andeutungen aus dem Kreis des EZB-Vorstands, wonach man dort allmählich den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik einleiten will."

Schäuble plädiert für den Exit

Zuvor hatte sich Schäuble bereits wiederholt gegen eine dauerhaft geltende Nullzinspolitik ausgesprochen und dabei zuletzt auch ausdrücklich vor den Gefahren einer Politik des extrem billigen Geldes gewarnt. Eine ultra-lockere Geldpolitik von Zentralbanken berge neue Risiken, sagte Schäuble. "Die Welt spürt noch die Folgen der letzten Finanzkrise."

Man könne weitere Turbulenzen nicht ausschließen, warnte der CDU-Politiker. Auch deshalb sei es wichtig, die Volkswirtschaften widerstandsfähiger zu machen. Schäuble plädiert für eine geldpolitische Wende. "Wir müssen zu einem geeigneten Zeitpunkt aus der aktuellen Geldpolitik aussteigen und zu einem normaleren Kurs zurückkehren", sagte er zuletzt vor Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Die US-Notenbank Fed habe diesen Prozess schon begonnen. "In der EU ist das ein bisschen anders."


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