Viel klarer kann man eigentlich das Kalkül hinter James Comeys fragwürdiger Entlassung kaum offenlegen. Trump dürfte den FBI-Chef weniger aufgrund seines Agierens in Hillary Clintons E-Mail-Affäre als vielmehr deshalb gefeuert haben, weil er glaubt, auf diese Weise die Russland-Affäre unter Kontrolle zu bekommen. Jetzt soll Ruhe einkehren und endlich mal regiert werden.
Wahrscheinlicher ist, dass das Gegenteil eintritt. Trump, so sehen es in Washington viele, hat mit seinem Schritt weder sich noch seiner Mannschaft oder der Partei einen Gefallen getan, ja, der Präsident könnte sich so sehr verkalkuliert haben, dass 2017 zum verlorenen Jahr zu werden droht.
1. Die Russland-Affäre ist mehr denn je im Fokus
Der Präsident hat mit der Entlassung Comeys bei vielen Demokraten, aber auch einigen Republikanern das Gefühl geweckt, er habe etwas zu verbergen. Und tatsächlich werden nun viele neue Details öffentlich, die nahelegen, dass das FBI die Suche nach möglichen Absprachen zwischen Trumps Umfeld und Moskau sehr ernst nimmt. Kurz vor seiner Entlassung bat Comey offenbar um mehr Geld für die Ermittlungen. Die Bundespolizei verlangte von Vertrauten des Ex-Sicherheitsberaters Michael Flynn die Offenlegung von Daten und Kommunikation. Und der Senat interessiert sich für Trumps Finanzen.
Die Republikaner stehen nun unter Druck: Um die Unabhängigkeit der Institutionen zu retten, müssen sie mindestens die im Senat laufenden Ermittlungen weiterführen und auf einen neuen FBI-Chef drängen, der die Prüfungen ernst nimmt. Besser wäre es, einen Sonderermittler einzusetzen, der sich der Aufklärung der Russland-Affäre hauptamtlich widmet. Erste Rufe danach gibt es, vereinzelt auch in der Partei des Präsidenten. Statt die Affäre einzudämmen, hat Trump sie erst recht in den Mittelpunkt gerückt.
2. Das FBI wird zur Gefahr
Trump will womöglich schon bald das Hauptquartier der Bundespolizei besuchen, um neues Vertrauen aufzubauen. Ob es der Präsident aber schafft, mit symbolischen Besuchen die Stimmung im FBI wiederherzustellen, ist fraglich. Dort herrscht weithin Entsetzen über das Agieren des Milliardärs. Trump hat sich viele Feinde gemacht und das könnte sich rächen.
Schon seit seinem Amtsantritt wird seine Regierung von Durchstechereien belastet, und es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Tagen und Wochen viele kleine und größere Geheimnisse aus den Russland-Ermittlungen publik werden. Offene Fragen gibt es viele: Warum hielt Trump so lange an seinem Sicherheitsberater Flynn fest? Wer genau aus seinem Team traf sich mit russischen Stellen und worum ging es? Das Problem: Mit jedem neuen Detail, jeder neuen Abschrift eines Telefonats oder Treffens, dürfte die Affäre neu belebt werden.
3. Trumps Agenda gerät ins Stocken
Auch jenseits der Russland-Affäre steht Trump vor Problemen: Die Comey-Entlassung hat die ohnehin schlechte Stimmung in Washington zusätzlich vergiftet. Nicht nur gehen Demokraten und Republikaner aufeinander los, auch seine eigene Partei wirkt zunehmend gespalten in der Frage, wie viel Flankenschutz sie dem Präsidenten geben soll. Trump hat viel vor in diesem Jahr: Er will eine Steuerreform umsetzen und ein Infrastrukturpaket einbringen. Er will die Gesundheitsreform beschließen lassen und muss im Herbst schwierige Haushaltsberatungen überstehen.
Für all das braucht er mindestens eine geschlossene Partei, in vielen Bereichen - etwa der Steuerreform - auch Teile der Demokraten. Wie das gehen soll, ist derzeit völlig offen. Die Demokraten im Senat denken darüber nach, über Verfahrenstricks ihre Kammer praktisch lahmzulegen und Initiativen der Republikaner lange hinauszuzögern. Heißt konkret: Läuft es schlecht, kriegt Trump in diesem Jahr so gut wie nichts mehr hin.
4. Die Stimmung in seinem Team verschlechtert sich
Eine der Schwierigkeiten in Trumps Startphase war die Stimmung im Weißen Haus. Unterschiedliche Flügel bekämpfen sich, und weil viele von seinen Vertrauten erstmals in der Politik arbeiten, kam es mitunter zu großen Abstimmungsproblemen. Nach der erfolgreichen Abstimmung im Repräsentantenhaus zur Obamacare-Abschaffung meinten manche, eine gewisse Professionalisierung feststellen zu können, aber der Umgang des Weißen Hauses mit der Comey-Entlassung zeigte Gegensätzliches.
Trumps Team war von dem Schritt völlig überrascht, es gab weder eine Kommunikationsstrategie noch eine Pressekonferenz, auf der die Hintergründe erklärt wurden. Trumps Sprecher, Sean Spicer, beantwortete im Vorgarten des Weißen Hauses spontan ein paar Fragen, versteckte sich aber zunächst so lange hinter einem Busch, bis klar war, dass er bei seinen Aussagen nicht gefilmt wurde. Im Weißen Haus herrschen Frust und Verunsicherung über das jüngste Debakel. Spicer steht - wohl auch deshalb - bei Trump nicht mehr sehr hoch im Kurs. Schon gibt es Spekulationen darüber, ob er ihn auswechselt.
Das Problem dabei: Nach jedem Wechsel muss sich das Team erst wieder finden. Und Zeit hat der Präsident eigentlich nicht.
Quelle : spiegel.de
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