Präsident in der Krise

  17 Mai 2017    Gelesen: 741
Präsident in der Krise
Mit der Weitergabe von sensiblen Infos an Russland und einer möglichen Störung der FBI-Ermittlungen setzt Donald Trump die Loyalität seiner Partei aufs Spiel. Kippt die Stimmung bei den Republikanern?
Wer für Donald Trump arbeitet, ist einiges gewohnt. Aber selten ging es im Weißen Haus gespenstischer zu als in diesen Tagen. Die Regierungszentrale gleicht einem Bunker. Trump verschanzt sich in seinem Büro, Mitarbeiter streiten sich bis in die späten Abendstunden, hin und wieder erscheint ein verunsicherter Beamter vor einem Mikrofon. Wie es in dieser Präsidentschaft weitergeht, das weiß niemand so recht.

Häufig stand man schon vor dieser Frage, und Trump hat noch immer irgendeinen Weg gefunden, das Thema zu wechseln. Aber der Frust und die Verärgerung ist in seiner Partei und in Teilen der Regierung auch deshalb besonders groß, weil sich gerade alles ziemlich staut.

Erst der problematische Hinauswurf von FBI-Direktor James Comey. Dann die Weitergabe von Geheiminfos über Anschlagspläne des "Islamischen Staats" an zwei russische Gäste im Oval Office, mit der der Präsident nicht nur die nationale Sicherheit aufs Spiel setzte, sondern mit Israel, das die Infos beschaffte, auch einen engen Verbündeten verprellte. Und nun ein neues, starkes Indiz dafür, dass Trump die Gewaltenteilung nicht sehr ernst nimmt.

Vor einigen Wochen versuchte der Präsident Medienberichten zufolge persönlich, die FBI-Ermittlungen gegen seinen ehemaligen Sicherheitsberater Mike Flynn in der Russlandaffäre zu beeinflussen. Nur einen Tag nach Flynns Rausschmiss empfing Trump im Februar Comey, Vizepräsident Mike Pence sowie Justizminister Jeff Session im Oval Office. Nach Ende des Treffens verabschiedete er sich von Pence und Sessions, um sich mit Comey noch unter vier Augen auszutauschen. Dabei bat er offenbar den FBI-Direktor, die Ermittlungen gegen seinen Freund Flynn einzustellen: "Er ist ein guter Mann. Ich hoffe, Sie können das beenden." So hielt es Comey unmittelbar nach dem Treffen in einem Protokoll fest, über das unter anderem die "New York Times" berichtet.

Versuchte Trump, Comey in einer Causa zu bedrängen, die ihn selbst belastet? Der Bericht versetzte die Republikaner im Kongress in einen Schockzustand. Der TV-Sender "Fox News" fand am frühen Abend keinen Einzigen aus der Partei, der Trump verteidigen wollte. Alle wissen: Jede einzelne dieser drei Episoden aus den vergangenen Tagen ist für einen Präsidenten brandgefährlich, denn in dem einen Fall geht es um die Frage, wie er mit nationalen Geheimnissen umgeht, und in den anderen beiden darum, wie sehr er die Unabhängigkeit der Institutionen respektiert.

Das Weiße Haus befinde sich "in einer Abwärtsspirale", schimpft Bob Corker, der Senator, der mal als potenzieller Außenminister Trumps galt. Etwas "weniger Drama" wäre von Vorteil, meint Mitch McConnell, der Top-Republikaner im Senat. Und Jason Chaffetz, Chef des Ethikausschusses und bislang einer von Trumps treuesten Gefährten, bestellte noch am Dienstagabend beim FBI sämtliche Protokolle, die Comey über seine Treffen mit dem Präsidenten anfertigte. Deadline: 24. Mai. "Sonst erzwinge ich sie einfach", fügte er hinzu.

Besonders der Ärger des einflussreichen Ausschusschefs Chaffetz zeigt, wie nervös die Stimmung bei den Republikanern ist. Bislang schienen sehr wenige in der Partei bereit, sich von Trump zu lösen, nicht einmal einen Sonderermittler für die Russland-Affäre wollte jemand in der Partei unterstützten. Der Präsident ist angetreten mit dem Versprechen, Washington zu verändern. Er will die Steuern senken, den Apparat verkleinern, Jobs schaffen. Diese Versprechen wirken noch ebenso stark nach, wie die Wucht seiner Anhänger, mit deren Hilfe Trump sich der Partei bemächtigte.

Jetzt scheint mindestens ein Sonderermittler denkbar, der Trumps Agieren und mögliche Kontakte seines Umfelds nach Moskau unabhängig untersucht. Das Wort Amtsenthebungsverfahren nimmt niemand in den Mund, aber die Tonlage verändert sich, das fällt auf. Die Skandale Trumps seien "mit Watergate vergleichbar", sagt John McCain, der Ex-Präsidentschaftskandidat, in aller Offenheit.

Die Angst vor den Midterm-Wahlen

Die Nervosität liegt auch an der miserablen Aussicht auf die kommenden Wochen. Anders als viele andere Aussetzer des Präsidenten dürften die jüngsten Fälle erhebliche Folgewirkung haben. Es existieren Memos, es gibt Zeugen, alles dürfte irgendwann vor den zuständigen Ausschüssen erörtert werden. Die Durchstechereien, die Trump beklagt, haben ein Maß erreicht, das zeigt, wie viele Feinde der Präsident in seiner eigenen Regierung hat. Da wird noch viel kommen. Es gibt Berichte, wonach seine Mitarbeiter im Weißen Haus inzwischen ganz gezielt Informationen lancieren, weil sie von Trumps Beratungsresistenz geschockt sind und hoffen, wenigstens auf diese Weise ein Umdenken des Präsidenten erreichen zu können.

Der Kongress ist lahm gelegt mit Aufklärungsarbeit. Die möglichen Verbindungen von Trumps Umfeld nach Moskau beschäftigen die Abgeordneten. Ex-FBI-Direktor Comey wird wohl bald auftreten und seine Version erzählen. Maßgebliche Republikaner haben das Weiße Haus aufgefordert, detailliert Auskunft zu geben darüber, was genau mit den Russen im Oval Office besprochen wurde. Von einer Abschrift, die es geben soll, ist die Rede. Und Trumps offenkundige Intervention in die Ermittlungen gegen Flynn könnten sich zu einem ernsten rechtlichen Problem auswachsen.

Bis zum Sommer dürfte - was die Agenda Trumps angeht - kaum noch etwas passieren. Im Senat brüten sie über der Abwicklung von Obamacare, doch sind die Republikaner bei diesem Thema so weit auseinander, dass eine Einigung fraglich ist, zumal sie erst wieder vom Abgeordnetenhaus bestätigt werden müsste, bevor sie Gesetz wird, und dort ist die Lage noch verworrener. Im Herbst soll eigentlich eine Steuerreform stehen, aber noch ist nicht in Ansätzen erkennbar, wie diese aussehen soll und von einer einheitlichen Linie kann auch auf diesem Feld nicht die Rede sein bei den Republikanern.

Und dann sind da noch die Midterm-Wahlen. Mit jedem Tag wächst bei den Republikanern die Angst, dass die Demokraten im Herbst 2018 so sehr abräumen, dass möglicherweise die Mehrheit im Kongress kippen könnte. Spätestens dann würde sich tatsächlich die Frage nach der Amtsenthebung stellen.

Quelle : spiegel.de

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