Union verstärkt Kritik an Maas' Internetgesetz

  19 Mai 2017    Gelesen: 628
Union verstärkt Kritik an Maas' Internetgesetz
Das umstrittene Gesetz für soziale Netzwerke soll im Schnellverfahren durch den Bundestag. Vor der ersten Debatte tritt die Union jedoch auf die Bremse - und kritisiert den Justizminister.

In der Union wächst das Unbehagen über das geplante Gesetz von Justizminister Heiko Maas (SPD) gegen strafbare Beiträge in sozialen Netzwerken. "Heiko Maas hat kurz vor Ende der Legislaturperiode einen Entwurf präsentiert, der missverständlich ist - etwa im Hinblick darauf, welche Betreiber von den Regeln betroffen ist sind und wann Bußgelder wirklich fällig werden", sagte Unionsfraktionsvize Nadine Schön (CDU) dem SPIEGEL. "Wir müssen Herrn Maas vorwerfen, dass er nicht das umgesetzt hat, was die Koalitionsfraktionen erarbeitet haben."

Am Freitagvormittag debattiert der Bundestag in erster Lesung über das Vorhaben. Ende Juni soll es beschlossen werden.

Diese Eile besorgt Vertreter der Union zunehmend. "Wir wollen das Gesetz beschließen, aber es wird ein ziemlicher Kraftakt, die nötigen grundlegenden Änderungen in den nächsten vier Wochen umzusetzen", sagte Schön weiter. "Das Ziel einer besseren Rechtsverfolgung in sozialen Netzwerken ist absolut richtig", sagt Günter Krings (CDU), parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister. "Da wir hier aber in einem grundrechtssensiblen Bereich agieren, geht natürlich Gründlichkeit vor Schnelligkeit."

So sieht es auch Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion: "Es ist sehr bedauerlich, dass der Entwurf des Ministeriums so spät in der Wahlperiode kommt, dass nun große Eile besteht. Es besteht ein Risiko, dass die Zeit für diese sensible Materie nicht mehr ausreicht", so die CDU-Politikerin.

Schnellschüsse am Ende von Legislaturperioden sind üblich, doch Maas hat den Zeitdruck in diesem Fall auch mit verursacht: Bald zwei Jahre ist es her, dass er Facebook härtere Regeln androhte - seither wurde viel Zeit an runden Tischen vergeudet.

Wer soll fürs Löschen verantwortlich sein?

Sein Entwurf verpflichtet Plattformanbieter ab zwei Millionen Nutzern dazu, "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" binnen 24 Stunden zu löschen. Für weniger eindeutige Rechtsverstöße sollen sieben Tage Zeit bleiben. Den Anbietern, die keine geeigneten Löschsysteme installieren, drohen bis zu 50 Millionen Euro Bußgeld. Damit läge die primäre Verantwortung für die Löschung rechtswidriger Inhalte bei Facebook und Co.

Eine breite Front von Netzaktivisten, Juristen und Journalisten kritisiert diese Kompetenzverteilung und den Entwurf insgesamt als Gefahr für die Meinungsfreiheit. Sie prangern auch das überhastete Gesetzgebungsverfahren an, das der sensiblen Materie nicht angemessen scheine.

CDU-Politikerin Winkelmeier-Becker stellt gar die Grundkonstruktion des Gesetzvorhabens infrage, nach der die Betreiber sozialer Netzwerke die Löschvorgaben in Eigenregie erfüllen sollen. "Es wäre gut, wenn ein neutraler, allgemein anerkannter Akteur in die Löschpraxis einbezogen werden könnte", sagte sie. "Ein Vorbild könnte die Freiwillige Selbstkontrolle im Rahmen der Filmwirtschaft sein."

Ein Gutachten nährt Zweifel

Der Entwurf wandert juristisch auf einem schmalen Grat, wie die Professoren Karl-Heinz Ladeur und Tobias Gostomzyk in einem noch unveröffentlichten Gutachten feststellen.

Womöglich sei der Bund gar nicht zuständig für das Thema, beginnen die Juristen: "Auf Kommunikationsinhalte bezogene Regulierung ist unstreitig Sache der Länder." Das gelte auch für die "Aufsicht über Telemediendienstanbieter". Ladeur und Gostomzyk monieren auch, dass Facebook die Nutzer, deren Posts als rechtswidrig gelöscht werden, vorher gar nicht anhören müssten - dies sei ein Verstoß gegen elementare Verfahrensrechte.

Maas' Entwurf sei zudem viel zu weit gefasst und könne letztlich "nahezu jeden Internetdienst" umfassen, solange er mehr als zwei Millionen Nutzer habe.

Überhaupt sei diese Nutzergrenze undifferenziert, mahnen Gostomzyk und Ladeur: Schließlich könnten rechtswidrige Posts auch auf kleineren Plattformen von Hunderttausenden Usern gelesen werden, während mancher Facebook-Hetzer vielleicht nur von einer Handvoll Menschen wahrgenommen werde. Und wie, fragen die Gutachter, sei überhaupt ein "offensichtlich rechtswidriger" Post zu erkennen? Was verstehe Maas unter der guten "Betreuung", die Facebook seinen Löschmitarbeitern künftig bieten müsse? Diese Fragen müssten aus dem Gesetzestext selbst verständlich sein, nicht nur aus der Begründung.

Quelle : spiegel.de

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