Brandbrief gegen Internetgesetz

  30 Mai 2017    Gelesen: 920
Brandbrief gegen Internetgesetz
Das Internetgesetz von Heiko Maas steht auf der Kippe - jetzt meldet sich Facebook. Ein Lobbypapier des Konzerns liefert unbeabsichtigt die besten Argumente für dessen staatliche Regulierung.
Facebook wittert Morgenluft. Monatelang hat sich der Konzern über die Pläne von Justizminister Heiko Maas ausgeschwiegen. Stattdessen schickte man lediglich Branchenverbände vor, mit Stellungnahmen gegen ein Gesetz des SPD-Ministers, das statt unter dem sperrigen Namen Netzwerkdurchsetzungsgesetz weithin als Facebook-Gesetz bekannt ist.

Doch nun, da die Pläne des Justizministers von allen Seiten verrissen werden, traut sich auch der sonst in Deutschland so unsichtbare Konzern aus der Deckung. Facebook schickte ein Papier durchs politische Berlin, in dem der Konzern mit Maas' Gesetzentwurf abrechnet: Der sei ungenau, verfassungswidrig und gefährde die Meinungsfreiheit in Deutschland, urteilen die Facebook-Lobbyisten.

Es ist gut, dass sich Facebook selbst zu Wort meldet und wir endlich die Position des mächtigsten sozialen Netzwerks kennenlernen (mehr dazu hier). Einige Kritikpunkte am Gesetz werden von Verlagen, Internetaktivisten und Juristen geteilt. Und mit mancher Feststellung hat Facebook recht, etwa damit, dass der Staat es versäumt habe, seine Ressourcen aufzustocken, um seinerseits die Epidemie an übler Nachrede, Hetze und Bedrohungen in sozialen Netzwerken zu bekämpfen. Damit betraute Sonderstaatsanwaltschaften etwa gibt es nur in wenigen Bundesländern.

Doch das Schreiben, mit dem Facebook die Volksvertreter davon überzeugen will, das geplante Gesetz zu beerdigen, liefert dennoch selbst die besten Gründe dafür, dass der Bundestag sich für eine Regulierung entscheiden muss. Denn die Kritik des Konzerns richtet sich ausgerechnet gegen die sinnvollen Teile des Gesetzes.

Erstens behauptet Facebook, bereits "effektive Strukturen" gegen Netz-Hetze zu haben und diese Bemühungen noch zu "intensiveren". Das ist allerdings die Unwahrheit und die immer gleiche Ankündigung, seit die Debatte über Hasskommentare im Sommer 2015 begann - ohne dass sich nachweislich etwas gebessert hätte. In Berlin lässt Facebook bei seinem Dienstleister Arvato Postings prüfen. Hier sichtet und löscht eine unbekannte Anzahl von Mitarbeitern im Akkord nach unbekannten Regeln. Erahnen können wir die Maßstäbe nur durch Durchstechereien, die es immer wieder gibt. Facebook sagt dazu nichts. Noch immer durfte kein Politiker und kein Journalist die Räume betreten, in denen für Millionen deutscher Nutzer entschieden wird, was erlaubt ist und was nicht. Das Gesetz will Facebook verpflichten, darüber aufzuklären.

Zweitens ist es verräterisch, welche "gravierenden Folgen für Facebook" das Gesetz nach Darstellung des Konzerns haben soll. Facebook klagt darüber, dass nun hochqualifizierte Mitarbeiter zur Prüfung und Löschung rechtswidriger Inhalte eingestellt werden müssten. Außerdem bereitet dem Konzern die "intensive juristische, psychologische, sprachliche und sozialwissenschaftliche Schulung der zur Prüfung und Löschung betrauten 'neuen' und 'alten' Prüfer (…...) sowie deren psychologische Betreuung" große Sorgen. Ein verräterischer Satz: Wenn Arvato-Mitarbeiter über psychische Belastungen und fehlende Betreuung bei der Sichtung des Mülls klagten, wenn es sogar zu Betriebsprüfungen kam, dann sagte Facebook stets, dass es mitnichten an Betreuung fehle. Nun beschwert man sich über die Kosten, wenn das Gesetz eben jene Betreuung festschreiben will, die es angeblich bereits gibt?

Ist es Facebook - Gewinn im letzten Quartal: 3,05 Milliarden Dollar - wirklich nicht zumutbar, in Deutschland eine Anlaufstelle mit Moderatoren einzurichten, die gut geschult sind und psychologisch betreut werden?

Drittens schreibt Facebook, die "Verhinderung und Bekämpfung von Hate Speech und Falschmeldungen" sei "eine öffentliche Aufgabe", der sich der Staat nicht entziehen und sie auf private Unternehmen abwälzen dürfe. Das ist richtig, aber eine staatliche Kontrolle will Maas nach eigenen Angaben mit dem Gesetz ja erreichen: Der Staat will die Entscheidungen der Plattformen überprüfen, endlich Einblicke in die Blackbox der Facebook-Welt erhalten - sich also gerade nicht zurückziehen. Es ist ein schräges Argument.

Es ist ja richtig: Heiko Maas hat es versäumt, einen ausgeruhten, präzise formulierten Gesetzentwurf vorzulegen. Das ist ihm vorzuwerfen.

Aber Facebook hatte anderthalb Jahre Zeit, in Deutschland Zugeständnisse zu machen, - so lange hatte es Maas mit einem freundlichen Arbeitskreis versucht. Zuletzt waren Facebooks Löschquoten bei illegalen Beiträgen allerdings noch schlechter als am Anfang.

Facebook hat noch länger versäumt, seine nicht zu übersehenden Probleme bei der Moderation, beim Umgang mit Nutzerbeschwerden in den Griff zu bekommen und sich jener Verantwortung zu stellen, die damit einhergeht, wenn knapp 30 Millionen Menschen in Deutschland das Netzwerk nutzen.

Der Weltkonzern hat sich klein gemacht wie ein Start-up. Zurzeit kann es passieren, dass Nutzer, die auf Facebook aufs Übelste verleumdet werden, keinerlei Hilfe vom Konzern bekommen, ihre Rechte durchzusetzen. Manchmal tut Facebook so, als gelte für den Konzern nur irisches Recht (weil die Zentrale in Dublin sitzt) oder als verstehe man eine Klage nicht (weil sie auf Deutsch eingereicht wurde). Und immer wieder erklärt Facebook, man werde schon von selbst mehr tun - Hauptsache, es gibt keine Regeln von außen.

Ohne ein Gesetz wird sich all das nicht ändern.

Quelle : spiegel.de

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