Merkel hält an Afghanistan-Abschiebungen fest

  01 Juni 2017    Gelesen: 691
Merkel  hält an Afghanistan-Abschiebungen fest
Trotz der verheerenden Bombenattacke in Kabul will die Bundesregierung auch in Zukunft nach Afghanistan abschieben. Kanzlerin Merkel hat die bisherige Linie im Grundsatz bekräftigt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will auch nach dem schweren Anschlag von Kabul weiter Menschen nach Afghanistan zurückschicken. Merkel betonte in Berlin aber, die Tragödie vom Mittwoch sei "noch einmal Anlass, genau hinzuschauen, die Sicherheitslage immer wieder richtig zu analysieren (...), Provinz für Provinz". Das mache das Außenamt. Außerdem konzentriere man sich bei Abschiebungen auf Flüchtlinge, die kriminelle Taten in Deutschland begangen hätten. Jeder Einzelfall müsse genau geprüft werden.

Nach diesen Worten Merkels würde es grundsätzlich bei der bisherigen Praxis in Bezug auf Abschiebungen nach Afghanistan bleiben. Von einer Neubewertung sprach sie nicht. Bisher wurden aus Deutschland keine Frauen oder Familien nach Afghanistan abgeschoben, sondern lediglich alleinstehende Männer. Seit vergangenem Dezember sind bislang rund 100 abgelehnte Asylbewerber zwangsweise nach Afghanistan zurückgeflogen worden.

Nach einer Sammelabschiebung im Dezember hatte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärt, unter den abgeschobenen Afghanen seien ein Drittel Straftäter gewesen. Sie seien wegen Vergehen wie Diebstahl, Raub, Drogendelikten, Vergewaltigung und Totschlag verurteilt worden. Im Februar sagte der Innenminister: "Wir schieben Straftäter eher ab als andere." Dennoch handele es sich auch bei den anderen um Fälle, "bei denen Verwaltungen, Gerichte und Härtefallkommissionen nach einem langen Verfahren gesagt haben: Dieser Mensch soll nicht in Deutschland bleiben." Dann sei es nicht die Rolle des Rechtsstaates, Ausnahmen zu machen. Die Bundesregierung argumentierte in der Vergangenheit, es gebe in Afghanistan "sichere Gebiete", in die abgeschoben werden könnte.

Am Mittwoch hatte sich de Maizière nach dem Anschlag in Kabul, bei dem mindestens 90 Menschen getötet wurden, gegen eine Veränderung der Abschiebepraxis ausgesprochen. Ein für den Tag geplanter Abschiebeflug wurde zwar verschoben. De Maizière erklärte, die Mitarbeiter der deutschen Botschaft hätten nach dem Anschlag, bei dem auch das Botschaftsgebäude schwer beschädigt wurde und ein Wachmann starb, Wichtigeres zu tun, als sich mit Abschiebungen zu beschäftigen. "Deshalb habe ich entschieden, diesen Flug abzusagen." Die Abschiebung werde aber nachgeholt.

Politiker von SPD und Grünen fordern Abschiebestopp

Politiker von SPD, Linken und Grünen sowie Menschenrechtsgruppen verlangen nach der Terrorattacke, keine Afghanen mehr in ihr Heimatland zurückzuschicken. Der Angriff nahe der deutschen Botschaft habe gezeigt, dass Afghanistan nicht sicher sei, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir in der ARD. Selbst in der "sichersten Zone" in der afghanischen Hauptstadt könnten Attentäter einen Sprengsatz zünden. "Wenn sie dort hinkommen, dann kommen sie überall hin."

Özdemir forderte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan vorzunehmen. Statt "Gefälligkeitsgutachten" für de Maizière zu erstellen und damit Abschiebungen zu ermöglichen, müsse Gabriel "auf sein Herz" hören und "die Lageberichte der Wirklichkeit" anpassen.

Im ARD-"Morgenmagazin" kritisierte Özdemir am Donnerstag, dass "perfekt integrierte afghanische Jugendliche" abgeschoben würden. Gleichzeitig hätten die Innenminister von CDU und SPD es nicht hinbekommen, den Berlin-Attentäter Anis Amri außer Landes zu bringen. "Das System ist nicht normal." In Nürnberg war es am Mittwoch zudem zu Tumulten gekommen, als rund 300 Menschen versuchten, die Abschiebung eines 20-jährigen Afghanen zu verhindern. Neun Polizisten wurden verletzt, fünf Menschen vorübergehend festgenommen.

Der Bundestag stimmt am späten Donnerstagabend über einen Antrag der Grünen ab, die Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.

Quelle : spiegel.de

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