Adam und seine Frau reisen durch das rote Herz des australischen Kontinents, der so spektakulären wie lebensfeindlichen Gegend, die wir in Deutschland vor allem mit dem ikonischen Uluru (früher Ayers Rock genannt) in Verbindung bringen. Anders als die ersten westlichen Pioniere müssen sich die beiden aber nicht mit den Strapazen einer Wüstendurchquerung herumschlagen, sondern können die Reise mit einem kalten Drink in den Händen in den gepolsterten Sesseln des luxuriösesten Zuges Australiens genießen: "The Ghan" bringt seine Passagiere in drei Tagen und zwei Nächten von Adelaide an der Südküste Australiens bis ins ewig heiße Darwin im äußersten Norden des Kontinents - und durchquert dabei vier Klimazonen. Wer jetzt anmerkt, dass sich die 2979 Kilometer auch in deutlich weniger als 52 Stunden bewältigen ließen, hat natürlich recht - aber den Sinn einer Reise mit "The Ghan" nicht verstanden.
Astreine Orient-Express-Erfahrung
Der beinahe kilometerlange Zug, der sich mit einer gemütlichen Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 80 km/h durchs Outback schiebt, will seinen Passagieren eine Orientexpress-Erfahrung vermitteln - und das funktioniert ganz ausgezeichnet: Beim Einsteigen in Adelaide begrüßen Zugbegleiter die Passagiere persönlich - und kaum hat man sich versehen, steht oder sitzt man auch schon mit einer Sektflöte in der Hand in einem der stilvoll eingerichteten Salonwagen und schwatzt mit den anderen Passagieren. Alkoholische Getränke sind während der gesamten Fahrt kostenlos, weshalb das Barpersonal rund um die Uhr eine Menge zu tun hat - kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Bier und Wein in Australien im Durchschnitt locker viermal so viel teuer sind wie in Deutschland.
Leicht angeschickert machen sich die meisten Gäste nach einer Weile auf Erkundungstour zu den angeschlossenen Schlafwagen: Von familientauglichen Doppelkabinen bis hin zum kuscheligen Nest für Alleinreisende gibt es diverse Unterbringungsmöglichkeiten, die natürlich auch mit der Größe des eigenen Gelbeutels zusammenhängen: Rund 1500 Dollar zahlt man für eine Einzelkabine in der Goldklasse in der Nebensaison, während man für ein Doppelzimmer in der Platinklasse fast 4000 Dollar hinlegen muss. Günstig ist das selbstverständlich beides nicht, für zweieinhalb Tage Vollpension aber nicht allzuweit entfernt von den australischen Preisen eines durchschnittlichen Vier-Sterne-Hotels.
Am liebsten nie wieder aussteigen
Außerdem, und das kann natürlich nicht oft genug betont werden, spielt der Zugfaktor eine entscheidende Rolle bei der "The Ghan"-Erfahrung: Am Abend eingekuschelt im Bett zu liegen, während draußen die letzten Sonnenstrahlen hinter dem roten Horizont verschwinden, und dabei langsam vom gleichmäßigen Rumpeln des Zuges in den Schlaf geschaukelt zu werden, das hat schon was. Wenn man dann noch nachmittags in einer Schachpartie mit einem Mitreisenden versinkt, während vor den Fenstern meterhohe Termitenhügel vorbeiziehen und man dreimal am Tag im luxuriös eingerichteten Speisewagen Drei-Gänge-Menüs aus lokalen Spezialitäten wie Krokodilswurst und Känguru-Steak genießen darf, wünscht man sich nichts lieber, als mit dem Zug direkt wieder zurück nach Adelaide zu fahren.
Ob sich das die ersten westlichen Entdecker auch gedacht haben, wenn sie nach Wochen oder Monaten voller Entbehrungen endlich in Darwin ankamen, darf zumindest bezweifelt werden. Immerhin aber schafften sie es lebend in den Norden, und das vor allem - um schlussendlich Adams Frage vom Anfang dieses Textes zu beantworten - dank der Leistungsfähigkeit und Zähigkeit der Kamele und ihrer Hüter, die die Briten aus dem unwirtlichen Afghanistan mitgebracht hatten, um das in Teilen ebenso unwirtliche Australien zu erschließen. Die ausgewilderten Nachfahren der damaligen Karawanenkamele fühlen sich im Outback so wohl, dass sie mittlerweile zu einer echten Plage geworden sind - was man von einer Fahrt mit "The Ghan", der seinen ungewöhnlichen Namen zu Ehren der afghanischen Pioniere trägt, so ganz und gar nicht behaupten kann.
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