Zustimmung zur EU wächst

  20 Juni 2017    Gelesen: 502
Zustimmung zur EU wächst
Keine Lust mehr auf EU? Das war einmal - zumindest laut einer neuen Studie: Demnach steigt die Zustimmung der Europäer zur Union. Mit einer Ausnahme.
Europas Tiefpunkt liegt ziemlich genau ein Jahr zurück. Am 23. Juni 2016 votierten knapp 52 Prozent der Wähler in Großbritannien für den Austritt aus der Europäischen Union. Seitdem geht es bergauf mit der EU - jedenfalls im Ansehen ihrer Bürger.

Das amerikanische Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center, eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Washington, hat im März und April dieses Jahres rund 10.000 Bürger der zehn größten EU-Länder - noch ist Großbritannien dabei - nach ihrer EU-Befindlichkeit befragt.

Das haben die Forscher herausgefunden: In Deutschland und Frankreich stieg die Pro-Europa-Stimmung um 18 Prozentpunkte, in Holland um 15, in Spanien um 13 - und selbst im Vereinigten Königreich sind heute zehn Prozent mehr Einwohner Europa-Freunde als vor einem Jahr. Zu spät, liebe Briten, zu spät.

In den zehn Staaten wohnen 80 Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung und der Trend ist, bis auf eine Ausnahme, überall eindeutig: Die Zustimmung zum politischen Jahrhundertprojekt Europa wächst wieder.

Keine Experimente in gefährlichen Zeiten

Das Beispiel der Engländer schreckt den Rest Europas offenkundig mehr als zuvor gedacht. Alle Gedankenspiele über weitere EU-Exits sind plötzlich verflogen. Wer will denn wirklich in einer Welt, die allerorten aus den Fugen ist, lieber allein dastehen als in einem kontinentalen Bündnis?

Die drohende Machtübernahme durch populistische Parteien, etwa in den Niederlanden oder in Frankreich, ist vorerst zumindest gestoppt. In Österreich haben die Rechtsnationalen, wenn auch sehr knapp, die Bundespräsidentenwahlen verloren.

Und in Deutschland kämpft die AfD gegen den weiteren Abstieg. Noch voriges Jahr zog die Rechtspartei triumphierend in fünf Landtage ein. Sie wurde für die kommende Bundestagswahl als 20-Prozent-fähig eingestuft, galt gar als Konkurrenz zur SPD. Jetzt liegt sie in den Umfragen zwischen sieben und acht Prozent und wäre damit an sechster Stelle - also eher ungefährlich.

Es scheint, als sei den Menschen nicht mehr nach politischen Experimenten. Die Welt ist gerade gefährlich und unberechenbar genug. Daran trägt auch der neue amerikanische Präsident einen größeren Anteil. Donald Trump hat gewiss ebenso viele Europäer verschreckt wie Theresa May und sie auf den zwar mühsamen, aber immerhin sicheren europäischen Weg zurückgebracht. Brüssel sollte "thank you" twittern.

Schimpfen, aber nicht austreten

Nur noch 18 Prozent der vom "Pew Research Center" befragten EU-Bürger wollen, dass ihr Land die Union verlässt.

Selbst in Griechenland gibt es keine Mehrheit für einen "Grexit". Auch wenn sich die Begeisterung für dieses Europa, das den Griechen soviel zumutet, in engen Grenzen hält: Von deutlich unter 30 Prozent wuchs die Zustimmung bislang auf gerade einmal 33 Prozent. Die Griechen schimpfen und klagen, aber "raus" wollen sie nicht.

In allen übrigen Ländern zeigt sich die Mehrheit proeuropäisch. In Polen ist die Lust auf Europa zwar zuletzt nur geringfügig gewachsen. Aber da war sie ja auch schon lange EU-Spitzenwert und liegt nun in der Umfrage bei 74 Prozent.

Allein in Italien blieben Brexit, Trump und alles andere ohne Wirkung. Die einstmals geradezu euphorische Begeisterung für ein vereintes Europa nimmt weiter ab. Aber auch dort sind die Europa-Freunde mit 56 Prozent noch immer in der Mehrheit.

Die Negativ-Punkte

Das insgesamt positive Zahlenbild bedeutet freilich nicht, dass die Europäer durchweg zufrieden wären. Überwiegend kritisch gesehen wird zum Beispiel:

die von Brüssel verordnete Wirtschafts- und Finanzpolitik, das gilt ganz besonders für die Südländer
dass wichtige Handelsabkommen, etwa TTIP, von Brüssel und nicht von der Regierung des eigenen Landes verhandelt werden
die europäische Flüchtlingspolitik
Konfus vereint gegen die Flüchtlingspolitik

Der Umgang mit den Flüchtlingen wird von den meisten Befragten in allen Ländern kritisch gesehen - allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Italiener und Griechen beschweren sich (zu 81 beziehungsweise 91 Prozent), dass es keine Solidarität bei der Lastenverteilung der Immigration gibt und alles an ihnen hängen bleibt. 59 Prozent der Deutschen und 78 Prozent der Schweden finden die Flüchtlingspolitik schlecht, weil die meisten Fremden am Ende ihrer Wanderung bei ihnen landen. Und zwei Drittel der Ungarn und Polen sind unzufrieden, weil "die in Brüssel" ihnen kleinere Kontingente von Asylsuchenden aufzwingen wollen. Dass ihre Regierungen bislang die gemeinsam beschlossene Umverteilung der Flüchtlinge boykottieren, ändert am Missmut nichts.

Die Deutschen und ihre Nachbarn

Auch nach der Einstellung gegenüber den Deutschen haben die Amerikaner die Nachbar-Europäer befragt. Etwa die Hälfte meint, Deutschland habe zu viel Macht im Kreis der Gemeinschaft. Das finden vor allem die Südländer wegen der ihnen auf Druck der Deutschen von Brüssel aufgezwungenen Sparpolitik.

Zuviel Macht in Berlin bemängeln auch die Ungarn und die Polen. Sie mögen die "liberale" Flüchtlingspolitik der EU nicht. Und die, so glauben sie, wird in Berlin gemacht.

Doch alles in allem finden, außer den Griechen, die meisten der befragten Nachbarn, nämlich 71 Prozent, die Deutschen ganz in Ordnung. Und 52 Prozent sagen das sogar über Angela Merkel.

Quelle : spiegel.de

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