Kampf gegen “Islamischen Staat“: China zürnt, China zaudert

  26 November 2015    Gelesen: 716
Kampf gegen “Islamischen Staat“: China zürnt, China zaudert
Der IS ermordet immer wieder chinesische Bürger - trotzdem vermeidet die Regierung den direkten Kampf gegen die Terroristen. Peking sieht drei große Gefahren.
Es war ein doppelter Schlag für China: Am vergangenen Donnerstag gab der "Islamische Staat" in Syrien die Ermordung einer chinesischen Geisel bekannt. Der 50-Jährige Fan Jinghui, der unter ungeklärten Umständen in die Hände der Miliz geraten war, sei getötet worden, nachdem seine Regierung kein Lösegeld für ihn habe zahlen wollen. Das erklärte der IS in einer Propagandaschrift, in der auch eine Foto der Leiche gezeigt wurde.

Einen Tag darauf starben drei Manager der staatlichen chinesischen Eisenbahngesellschaft. Sie kamen um, als Qaida-nahe islamistische Terroristen ihr Hotel in Bamako, Mali, stürmten.

Der doppelte Angriff auf chinesische Staatsbürger ließ Präsident Xi Jinping deutlich Töne anschlagen. Er verurteilte die Taten scharf und kündigte an, Peking werde "resolut" gegen Terroraktivitäten vorgehen.

Viel mehr als harte Worte dürften das nicht sein. In Wahrheit hält sich die Regierung zurück. Es sei unwahrscheinlich, dass sich Peking durch solche Vorfälle in eine aktive Rolle in Syrien drängen lasse, sagt Srikanth Kondapalli, Professor für China-Studien an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi. "Dazu sind die Opferzahlen nicht groß genug. Die Regierung macht die Kosten-Nutzen-Rechnung auf, und danach lohnt sich ein Eingreifen in Syrien noch lange nicht."

Li Guofu, vom staatlichen Chinesischen Institut für Internationale Studien, begründet die Zurückhaltung mit den schlechten Resultaten westlicher Interventionspolitik in Nahost. "Es ist für Peking klar, dass die Herangehensweise der USA in Syrien und dem Nahen Osten nicht funktioniert", so Li gegenüber der Agentur Bloomberg. Die Syrien-Politik der USA habe im Gegenteil zur Eskalation geführt: "Man sieht das Phänomen: Je härter sie zuschlagen, desto größer der Terrorismus."

Tatsächlich hat China gute Gründe, sich nicht tiefer in die Konflikte des Nahen Ostens hineinziehen zu lassen:

• Zigtausende Chinesen im Ausland könnten gefährdet werden, wenn Peking aktiv in den Kampf gegen den Terror einsteige, so China-Experte Kondapalli. Allein in Algerien arbeiten 42.000 Chinesen, in Libyen 50.000 - sie wären nach einer Einmischung Chinas in den Krieg in Syrien potenzielle Opfer der Terroristen.

• Im vergangenen Jahr sind 120 Millionen Chinesen als Touristen ins Ausland gereist. Auch sie könnten erhöhter Gefährdung ausgesetzt sein, sollte China in Nahost militärisch aktiv werden. Zwischenfälle mit urlaubenden Chinesen wolle Peking unbedingt vermeiden, sagt Xie Tao, Professor an der Pekinger Universität für Auslandsstudien.

• Die Gefahr von islamistischen Anschlägen daheim könnte sich durch chinesisches Engagement im Kampf gegen den Terror deutlich erhöhen. In der chinesischen Provinz Xinjiang ist es in den vergangenen Jahren mehrfach zu blutigen Anschlägen durch radikale Uiguren gekommen. Die in der Mehrheit friedliche muslimische Minderheit wird von der Zentralregierung mit schweren Repressalien drangsaliert. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" setzte China im vergangenen Jahr deshalb auf Platz eins einer Liste von 20 Ländern, die "muslimische Rechte gewaltsam entzogen" hätten. In China leben etwa 20 Millionen Muslime. Der IS sieht Chinas Westen als Teil seines Kalifats. Nach Angaben der Zentralregierung haben sich etwa 300 Uiguren der Terrormiliz angeschlossen, um in Syrien und im Irak zu kämpfen.

Trotz dieser Risiken ist fraglich, wie lange sich die Chinesen aus dem Chaos in Nahost noch heraushalten können. Nachdem Großbritannien angekündigt hat, sich eventuell an dem von den USA, Frankreich und Russland geführten Luftkrieg gegen den "Islamischen Staat" in Syrien beteiligen zu wollen, ist China die einzige Veto-Macht im Uno-Sicherheitsrat, die sich noch an die Hoffnung auf eine politische Lösung für Syrien klammert. Der Druck auf Peking könnte schon bald zu groß sein.

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