Wahl zwischen Jamaika und Neuwahlen

  26 September 2017    Gelesen: 545
Wahl zwischen Jamaika und Neuwahlen
Die bisherige und mutmaßlich nächste Bundeskanzlerin Angela Merkel steht nach der Wahl vor einer „titanischen Aufgabe“. Das hat Alexander Rahr, Programm-Direktor des Deutsch-Russischen Forums (DRF), am Montag in Berlin festgestellt. Sie muss zwei neue Partner, die Grünen und die Liberalen, bisher stets politische Gegner, an einen Tisch bringen.
„wo wir sieben Parteien inzwischen im Parlament haben“. Das erschwere die Aufgabe, „Deutschland stabil zu halten“. Das sagte er in einer von der Medienagentur MIA Rossiya Segodnya organisierten Diskussionsrunde mit deutschen und russischen Gesprächspartnern. Dabei sei die Bevölkerung in vielen Fragen, vor allen Dingen in der Flüchtlingsfrage tief gespalten.

„Wir können auch Horst Seehofer nicht vergessen, der partout immer wieder gesagt hat, mit den Grünen gehe nichts“, erinnerte der Experte. „Er war ja über die letzten Jahrzehnte hinweg ein noch größerer politischer Gegner der Grünen gewesen als die FDP. Wie diese Regierung irgendwann mal funktionieren wird, weiß kein Mensch.“

Die Verhandlungen und auch die Ministerpostenvergabe würden sehr schwierig werden, schätzte Rahr ein. Er stellte fest: „Es ist aber schon ein Armutszeugnis, dass es nur eine Jamaika-Variante gibt oder Neuwahlen, bei welchen wahrscheinlich die Linke und die AfD wieder stärker werden und bestimmt nicht die CDU und die SPD.“

Druck von links und rechts

Der Politikwissenschaftler und DRF-Programmdirektor ist sich sicher, dass es eine sehr schwache Regierung und zwei sehr starke Oppositionsflügel geben werde, viel stärker als in den letzten 20 Jahren. „Die Linken werden zusammengehen. Und die SPD wird versuchen, die Linken wieder zu vereinnahmen. Die AfD wird versuchen, auf Frau Merkel immer wieder rechts Druck auszuüben. Das wird sich in Ausschüssen und überhaupt in der Arbeit des Parlaments widerspiegeln.“

Rahr schätzte ein, dass die FDP das Außenministerium nicht übernehmen wolle. Die Liberalen wollen aus seiner Sicht „nicht in dieselbe Falle tappen wie Westerwelle 2009, wo er, um sich selbst profilieren zu können, Außenminister geworden ist und nachher nicht die Kraft, den politischen Willen und nicht die Erfahrung hatte, dieses Amt zu führen. Also wird Lindner oder wer auch immer, der in der FDP sich stark durchsetzen wird, eher ein Zukunftsministerium kreieren und versuchen, das Wirtschaftsministerium zu einem Zukunftsministerium auszubauen, Energie-, Europapolitik, ein bisschen Finanzen, andere Verantwortungsgebiete zu übernehmen, um dann als Super-Vize-Kanzler auftreten zu können.“
Die Grünen würden das Außenministerium übernehmen, so die Schlussfolgerung des Politologen. Das sei für Russland „keine gute Nachricht“.

„Dann liegen wiederum die Hoffnungen der Russen nur noch auf Frau Merkel.“ Sie werde dann versuchen, „wenigstens eine Art Ausgleich hinzukriegen“. Rahr beschrieb die voraussichtlichen Koalitionsverhandlungen als schwierige Baustelle: „Sollte das nicht funktionieren, so müssen dann Neuwahlen her, allerdings mit noch schwierigeren Aussichten.“

Kann Merkel Wechselwähler zurückgewinnen?

Über eine Million frühere CDU-Wähler seien zur AfD gewechselt, betonte der Politologe. Die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel habe der AfD in die Hände gespielt, nicht nur im Osten, sondern auch im Westen. Die Menschen seien verunsichert worden durch fast zwei Millionen Migranten innerhalb von zwei Jahren aus einem für Deutschland sehr fremden Kulturkreis.

„Die Hälfte der Bundesbürger hat Frau Merkel unterstützt, aber es gibt eine kritische Masse derer, die absolut dagegen sind. Und sie haben in der Weise ihr und vor allen Dingen der CDU diesen Denkzettel verpasst und gesagt: So geht das nicht weiter, schließ wieder die Grenzen, schaff wieder Ordnung in Deutschland, ansonsten werden wir auch weiterhin der AfD die Stange halten.“

Rahr schloss nicht aus, dass die jetzigen AfD-Wähler sehr schnell wieder die CDU oder andere Parteien wählen würden, wenn Merkel sich wieder in Richtung konservativerer Vorstellungen bewegen würde.

Quelle:sputnik.de

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