Nach der Bundestagswahl wird am 15. Oktober in Niedersachsen der Landtag neu gewählt. Die Koalitionsregierung der Sozialdemokraten und Grünen verlor plötzlich die Mehrheit, weil eine grüne Abgeordnete zur CDU übergelaufen war. Merkel engagiert sich aktiv im Wahlkampf. Angesichts der neuen Kräfteverhältnisse in Berlin ist die regionale Abstimmung von großer Bedeutung. Bis zu ihrem Ausgang werden auch die Verhandlungen über die neue Bundesregierung aufgeschoben.
Inzwischen wurde bekannt, dass mehr als eine Million Wähler von der Union zur AfD wechselten und 1,4 Millionen zur FDP. Insgesamt verloren die Christdemokraten 2,54 Millionen Stimmen. Im Ergebnis erhielten sie 32,5 statt der früheren 41 Prozent der Stimmen. Eine absolute Niederlage. Bei solchen Ergebnissen treten vielen Parteichefs in der Regel den Rückzug an.
Laut deutschen Experten klammert sich Merkel trotz der historische Wahlniederlage weiterhin an ihrem bisherigen Kurs. Erstaunen löst ihre Äußerung nach den Wahlen aus: „Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten.“ Eine andere Sache ist aber, ob sie genug Hartnäckigkeit besitzen wird, den wachsenden Aufrufen und dem Druck ihrer Mitstreiter Widerstand zu leisten.
Das betrifft vor allem die Forderungen in Bezug auf die Migrationspolitik. Bekannte Parteivertreter wie Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff rufen zu einem Kurswechsel auf.
Wie Tillich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte, zeige das Abstimmungsergebnis, dass sich ein Großteil der Bevölkerung nicht verstanden fühle. „Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt.“ Tillich machte die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel für die Stimmenverluste bei der CDU und den Zulauf zur AfD mitverantwortlich.
Reiner Haseloff zufolge wählten die Menschen im Osten nicht nur aus Frust die rechtspopulistische AfD, sondern auch aus Angst vor einem abermaligen sozialen Abstieg nach der Wiedervereinigung. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise müssten viele Fragen geklärt werden.
So geht es unter anderem um die Obergrenze von 200.000 Einwanderern pro Jahr. CSU-Chef Horst Seehofer verzichtet nicht auf diese Forderung. Nach der Bundestagswahl entstehen erneut Probleme zwischen CDU und CSU, die am 8. Oktober in der Unionsfraktion besprochen werden sollen. Als indirekter Hinweis auf die Kritik gegen Merkel wird auch der Verzicht von 55 Abgeordneten betrachtet, für ihren Vorsitzenden Volker Kauder zu stimmen, der diesen Posten seit 2005 innehat.
Unklar bleibt das gesamte Bild. Obwohl Liberale und Grüne zu Koalitionsverhandlungen mit Merkel bereit sind, gibt es keine eindeutigen Prognosen darüber, wie und wann die neue Regierung gebildet wird — und schon gar nicht darüber, wie stabil diese sein wird. Wer weiß, vielleicht kommt es auch zu Überraschungen bei der Abstimmung zur Kandidatur des Bundeskanzlers. Jetzt wird Merkel nur von der Union unterstützt, in ihrer vierten Amtszeit wird deutlich mehr Gegenwind von der neuen Opposition kommen.
Quelle : sputnik.de
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