Das ist die Geschichte, die das Assad-Regime von der syrischen Nationalmannschaft erzählt. Doch die Realität ist komplizierter als ein Hollywood-Drehbuch.
Wahr ist, dass die syrische Auswahl so dicht vor der WM-Qualifikation steht wie nie zuvor. Am Donnerstag und Dienstag spielen die Syrer im Hin- und Rückspiel gegen Australien. Sollten sie sich durchsetzen, steht dann nur noch der Viertplatzierte aus dem Nord- und Mittelamerikaverband zwischen den Syrern und der WM 2018 in Russland.
Dass es die Elf von Trainer Aiman al-Hakim so weit gebracht hat, verdankt sie vor allem zwei Spielern: Kapitän Firas al-Khatib und Stürmer Omar al-Somah. Somah erzielte im letzten Gruppenspiel gegen Iran in der Nachspielzeit den Ausgleichstreffer zum 2:2 - und hielt damit den WM-Traum am Leben.
Kapitän Khatib trat erst aus Protest zurück, jetzt ist er wieder dabei
Und anhand beider Spieler zeigt sich, dass die Geschichte der syrischen Nationalelf komplizierter ist, als es das Regime weismachen will.
Denn Khatib und Somah hatten die Mannschaft seit Beginn des Aufstands gegen Diktator Baschar al-Assad boykottiert. Khatib protestierte mit seinem Rücktritt 2011 gegen das brutale Vorgehen des Militärs gegen Demonstranten in seiner Heimatstadt Homs. Ein Jahr später posierte er mit der Flagge der syrischen Opposition und verkündete in einem Video, er werde nie wieder für sein Land spielen, solange das Regime Zivilisten bombardiere. Er selbst spielte damals schon in der Profiliga in Kuwait - bis heute ist er als Spieler am Golf aktiv. Im März dieses Jahres kehrte Khatib nach sechs Jahren in die Nationalelf zurück. Über die Gründe für sein Comeback will er bis heute nicht öffentlich sprechen. Nur so viel sagt er: "Ich wollte meine Eltern und meine Brüder wiedersehen."
Khatibs Familie lebt bis heute im kriegszerstörten Homs. Als Khatib Anfang des Jahres mit seiner Entscheidung über eine Rückkehr in die Nationalelf rang, sagte er dem Sportsender ESPN: "Was immer ich mache: Zwölf Millionen Syrer werden mich lieben. Die anderen zwölf Millionen werden mich töten wollen."
Tatsächlich verfolgen viele Syrer den Erfolg der Nationalmannschaft mit gemischten Gefühlen. Denn das Regime versucht den Siegeszug der Fußballer für seine Propaganda zu vereinnahmen. Bislang zeigten die Assads kein Interesse am Fußball, nun werden die Spieler als "Adler vom Kassiun" gepriesen.
Assad-Bilder und syrische Flagge auf Ehrenrunde
Der Kassiun ist der Hausberg von Damaskus, an dessen Ausläufern auch der Präsidentenpalast liegt. In der Nähe befindet sich auch das Trainingszentrum der Nationalmannschaft. Wegen des Krieges tragen alle syrischen Vereinsmannschaften ihre Spiele in der Hauptstadt aus. Das hat zur Folge, dass auch der Kern der Nationalmannschaft ständig zusammen trainieren kann. Seine Heimspiele muss das Team aus Sicherheitsgründen aber in Malaysia austragen. Auf Pressekonferenzen dort treten Trainer und manche Spieler in T-Shirts mit Assad-Porträt auf. Auch auf Ehrenrunden nach den Spielen heben Betreuer Assad-Bilder und die syrische Flagge in die Höhe.
Für Ayman Kasheet sind diese Bilder unerträglich: Einst spielte er in der syrischen Olympia-Auswahl, 2014 floh er vor dem Assad-Regime nach Schweden. Von dort aus kämpft er dafür, dass die Fifa Syrien vom internationalen Spielbetrieb ausschließt. Denn der syrische Fußballverband trage Mitschuld daran, dass seit Beginn des Kriegs mindestens 38 ehemalige Spieler der ersten und zweiten syrischen Liga getötet wurden. Der bekannteste unter ihnen ist der ehemalige Nationalmannschaftskapitän Jihad Qassab. Das Regime hatte ihn 2014 in seiner Heimatstadt Homs festgenommen, angeblich soll er am Bau von Autobomben beteiligt gewesen sein. Im September 2016 teilten die Behörden seiner Familie mit, dass Qassab im Militärgefängnis Sednaja gestorben sei.
Qassab war auch Kapitän jener syrischen Mannschaft, die bis dato den größten Erfolg auf internationaler Ebene errungen hat. 2006 führte Qassab den Verein al-Karama Homs bis ins Finale der asiatischen Champions League. Beim Finalrückspiel gegen Cheonbuk Hyundai aus Südkorea saß ein seltener Gast auf der Ehrentribüne in Homs: Baschar al-Assad. Jener Mann, der Qassab später hinrichten ließ.
Jener Mann, der sich nun wieder im Glanz des Fußballs sonnen will.
Quelle : spiegel.de
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